Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → FAKTEN


INITIATIVE/575: Selbsthilfewerkstatt SoliRADisch in Magdeburg (BUND MAGAZIN)


BUND MAGAZIN - 2/2020
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland - BUND
Friends of the Earth Germany

Im Gespräch mit Florian Hoffmann

von Severin Zillich


Gespendete Räder gemeinsam mit denen aufmöbeln, die sich ein neues Rad oder den Nahverkehr nicht leisten können - dazu dient die Selbsthilfewerkstatt SoliRADisch in Magdeburg. Wir sprachen mit einem der Initiatoren.


Florian, wie kam es zu eurer Initiative?

Entwickelt haben wir SoliRADisch 2015 als Antwort auf die große Fluchtbewegung aus den Kriegsgebieten. Wir - zwei ausgebildete Fahrradmonteure - haben damals nach einer Möglichkeit gesucht, den vielen Menschen vor Ort zu helfen. In Kooperation mit dem BUND und der BUNDjugend riefen wir eine Aktion zur Fahrrad-Selbsthilfe ins Leben. So konnten wir zwei Anliegen verknüpfen - die Solidarität untereinander und den Umweltschutz. Und dieses Angebot fand gleich großen Zuspruch.

Tatsächlich verbindet ihr ja mehrere soziale und ökologische Aspekte ...

Richtig, die Werkstatt hilft Menschen, die wenig Geld haben. Wer etwas beitragen will, bringt alte Fahrräder vorbei oder andere Spenden. Weil hier einheimische und migrantische Menschen zusammenkommen, miteinander sprechen und arbeiten, entwickelte sich ein interkultureller Treffpunkt. Den Aspekt der Nachhaltigkeit - wir richten hier Dinge mit Gebrauchswert wieder her - hat speziell der BUND betont. Na ja, und natürlich fördern wir so auch den Radverkehr und den Klimaschutz ...

Anfangs hattet ihr vor, vor allem Geflüchtete zu unterstützen. Dabei blieb es nicht?

Tatsächlich hat sich unsere Kundschaft inzwischen weit aufgesplittet: ein Drittel Geflüchtete und zwei Drittel Menschen mit geringem Einkommen, darunter alte Leute und viele Hartz-4-Empfänger. Für manche bedeutet ja schon ein Schlauchwechsel im Fachgeschäft eine enorme Ausgabe, da helfen wir dann. Aber auch Studenten kommen vorbei, die gerne was selber machen.

Begonnen habt ihr vor fünf Jahren als mobile Werkstatt?

Genau, anfangs haben wir regelmäßig Termine ausgegeben an verschiedenen sozialen Treffpunkten in Magdeburg. Das waren schnell mal bis zu 50 Leute, mit denen wir gemeinsam Fahrräder reparierten. Um bessere Qualität anbieten zu können, haben wir mit der BUND-Projektleiterin Daniela Huhn erfolgreich eine stationäre Werkstatt beantragt. Bis Ende 2019 waren wir dann über zwei Jahre im Ökozentrum Magdeburg angesiedelt. Insgesamt konnten wir so bislang über 2500 Räder aufarbeiten und weitergeben.

Wie geht es jetzt weiter mit SoliRADisch?

Zum Glück konnten wir in eine neue Werkstatt ziehen, wo wir vorläufig ehrenamtlich weitermachen, an zwei Tagen in der Woche. Mit der Arbeiterwohlfahrt Sachsen-Anhalt arbeiten wir derzeit an einem neuen Förderantrag. Wir sind ganz zuversichtlich, in absehbarer Zeit wieder regelmäßig öffnen zu können.

Im letzten Herbst seid ihr und der BUND Sachsen-Anhalt mit dem Magdeburger Umweltpreis ausgezeichnet worden. Eine schöne Bestätigung - doch eine neue Förderung wäre euch wohl lieber?

Klar, SoliRADisch liegt uns sehr am Herzen, wir haben da schon fast fünf Jahre Arbeit reingesteckt. Wir sind überzeugt, dass diese Idee weiter funktioniert. Mobilität ist auch in Magdeburg ein wirklich großes Thema, gerade für Menschen mit wenig Geld. Vor allem alte Leute erzählen uns, dass die Ticketpreise im öffentlichen Nahverkehr für sie unerschwinglich sind. Um am Leben teilzuhaben, muss man einfach mobil sein. Und Magdeburg ist - einmal abgesehen davon, dass hier noch viel Infrastruktur nötig ist - eine ideale Stadt, um sich per Fahrrad fortzubewegen.

KONTAKT
Florian Hoffmann, soliradisch@riseup.net

*

Quelle:
BUND MAGAZIN 2/2020, Seite 36
Herausgeber:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
Friends of the Earth Germany
Kaiserin-Augusta-Allee 5, 10553 Berlin
Tel. 030/27586-457, Fax. 030/27586-440
E-Mail: redaktion@bund.net
Internet: www.bund.net/bundmagazin
 
Das BUNDmagazin ist die Mitgliederzeitschrift
des BUND und erscheint viermal im Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2020

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang