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MELDUNG/423: Umwelttoxikologie der Uni Kiel - Ende einer seriösen, unabhängigen Informationsquelle (NABU SH)


NABU Landesverband Schleswig-Holstein - 24. April 2017

NABU: Aus des Instituts für Toxikologie der Uni Kiel - Bewertung von Umweltrisiken nur noch durch Konzerne?


Neumünster, 24. April 2017: Die Kieler Universität hat angekündigt, das "Institut für Toxikologie und Pharmakologie für Naturwissenschaftler" als selbständige Einrichtung auflösen zu wollen. Stattdessen ist eine Professur für "Medizinische Toxikologie" im zukünftigen "Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie" geplant. Umwelttoxikologie gehört nach diesen Plänen nicht mehr zum Aufgabenbereich in der Uni. Mit dieser Entscheidung wird faktisch die Toxikologie in Schleswig-Holstein aufgelöst. Damit verschwindet die umwelttoxikologische Expertise, die für eine unabhängige Beratung der Öffentlichkeit und der Behörden über chronische Schadstoffbelastung von Ökosystemen und menschliche Gesundheit dringend notwendig ist.

So hat sich das Institut für Toxikologie in Kiel unter anderem als seriöse und unabhängige Informationsquelle etabliert, die regelmäßig von Presse und Fernsehen zu Themen der Belastung des Menschen mit Umweltschadstoffen gesucht wird. Besonders relevante Themen waren dabei in letzter Zeit die Belastung von Zuchtlachsfischen mit Antioxidationsmitteln, die Verwendung von Aluminiumfolie im Haushalt oder die großen Problembereiche Glyphosat und Fracking. Der dadurch aufgebaute "Druck" führte z.B. dazu, dass einige Hersteller von Aluminiumfolie mittlerweile Sicherheitshinweise und Verwendungsinformationen auf ihren Produkten angeben.

"Umwelttoxikologische Fragestellungen, die von unabhängiger Seite bearbeitet werden, sind heute wichtiger denn je", konstatiert Ingo Ludwichowski, Geschäftsführer des NABU Schleswig-Holstein. Das belegen Skandale um bezahlte Gefälligkeitsstudien mit manipulierten Ergebnissen, die dazu dienen, die giftigen Kassenschlager der chemischen Industrie von den Zulassungsbehörden weiterhin genehmigt zu bekommen. Vor kurzem ist bekannt geworden, dass der Chemiegigant Monsanto ergebnisorientierte wissenschaftliche Übersichtsartikel bei renommierten Wissenschaftlern beauftragt hat, die durch eine nach eigenen Kriterien gezielte Gewichtung von Studienergebnissen den von Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) ausgesprochenen Krebsverdacht gegenüber dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat widerlegen sollen.

Toxikologen erforschen u.a. die chronische Exposition mit Schadstoffen in der Umwelt oder menschlichen Nahrung. Diese Forschung muss unabhängig bleiben und darf nicht den Konzernen überlassen werden. Universitäre Forschungseinrichtungen haben keine Verpflichtung gegenüber Behörden oder der Industrie, so dass eine Bewertung ohne Beeinflussung oder Interessenskonflikten von außen erfolgen kann.

Das Institut für Toxikologie untersucht derzeit die toxikologische Wirkung von Munitionsaltlasten in der Ostsee und ist dabei eingebunden in ein Verbundprojekt zur schadlosen robotergestützten Beseitigung der für Mensch und Meeresumwelt gefährlichen Altmunition. Die langfristig vorgesehene wissenschaftliche Begleitung durch das Institut und damit die Weiterführung dieses Projekts, das erstmals eine schadlose Bergung von Minen, Torpedos oder Wasserbomben aus Nord- und Ostsee ermöglichen soll, ist damit in Frage gestellt.

In anderen Bundesländern wurden toxikologische Institute bereits geschlossen, so dass sich deutschlandweit eine prekäre Situation anbahnt. Auch die zukünftige Ausbildung von Umwelttoxikologen ist nach den Plänen der Uni nicht mehr gewährleistet, so dass sich langfristig fatale Folgen einstellen, da die Expertise nach und nach verloren geht.

Der NABU fordert die Rot/Grüne Landesregierung gemeinsam mit dem Rektor der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel auf, das Institut zu erhalten oder einen neuen Lehrstuhl für Umwelttoxikologie in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät einzurichten, damit die wichtige und unabhängige Arbeit des renommierten Instituts fortgeführt werden kann.

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Quelle:
Presseinformation, 24.04.2017
Herausgeber: Naturschutzbund Deutschland e.V.
NABU Schleswig-Holstein
Färberstr. 51, 24534 Neumünster
Tel.: 04321/53734, Fax: 04321/59 81
E-mail: info@NABU-SH.de
Internet: www.NABU-SH.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2017

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