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STADT/185: Berlins klimapolitische Bilanz (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 149 - April/Mai 09
Die Berliner Umweltzeitung

Berlins klimapolitische Bilanz
Die Apfelblüte setzt in Berlin heute vier Tage früher ein als vor 40 Jahren

Von Hartwig Berger, Berlin 21


Wo steht Berlin auf dem langen Marsch in eine zukunftsfähige Stadtentwicklung? Das Fachforum "Klimawandel und Energie" im Verein Berlin 21 hat sich für sein Themengebiet an eine Bilanz gemacht, deren erste Ergebnisse aufschlussreich sind.

Klimapolitische Bilanzen orientieren sich oft ausschließlich am Ausstoß von Treibhausgasen, speziell des Kohlendioxids. Hier wird Berlin im Bundesvergleich ein relativ gutes Zeugnis ausgestellt, da die Jahresemissionen um rund 22 Prozent zurückgegangen sind. Aus zwei Gründen ist da allerdings Vorsicht angebracht. Zum einen sind die statistischen Ermittlungen aufgrund von Methodenwechseln nicht zuverlässig (siehe RABE RALF Dezember 08/Januar 09). Zum anderen kann der Rückgang an Treibhausgasen auch durch Faktoren beeinflusst sein, die kein politisches Verdienst sind. In Berlin gilt das etwa für den Zusammenbruch energieintensiver Industrien nach 1990, seitdem viele Schornsteine nicht mehr rauchten. Ebenso tat der Rückgang der Kohle zugunsten des nur relativ emissionsärmeren Erdgases seine Wirkung. Und schließlich hat die wirtschaftliche Stagnation in der Stadt den Energieverbrauch insgesamt kleiner gehalten.

Wir haben uns daher Entwicklungstrends in weiteren klimarelevanten Problemfeldern angeschaut. Da ist einmal der geringe Anteil an erneuerbaren Energien. Hier trägt die Bundeshauptstadt mit gerade einmal 0,9 Prozent Anteil an der gesamten Energienutzung unter allen Bundesländern die rote Laterne. Auch die anderen Stadtstaaten Hamburg (mit 3 Prozent) und Bremen (mit 2,5 Prozent) hängen die Spreemetropole klar ab. Das ohnehin vorsichtige Berliner Agenda-21-Ziel von 100.000 Quadratmetern solarthermischer Anlagen bis 2010 war 2008 erst zu 60 Prozent, das für Fotovoltaik (20 Megawatt) erst zu 50 Prozent erreicht.


Gewöhnliche Energieverschwendung

Nicht gut steht es auch um den Energieverbrauch privater Haushalte, pro Kopf gerechnet. Lag Berlin hier noch 1995 um 10 Prozent unter dem bundesweiten Durchschnitt, übertraf es im Jahr 2004 das bundesweite Mittel um 4 Prozent. Kein anderes Bundesland weist einen so rasanten Zuwachs an Energieverschwendung auf. In der eher armen Stadt Berlin lässt sich das mit Wohlstandszuwächsen kaum erklären. Vielmehr verweist es darauf, dass hier die Achtlosigkeit im alltäglichen Umgang mit Energie besonders stark verbreitet ist. Energiesparberatung, Energiekampagnen und natürlich energetische Gebäude- und Heizungssanierung erscheinen daher in Berlin besonders wichtig und dringlich.

Anlass zur Sorge gibt auch die gesamtwirtschaftliche Energieeffizienz. Sie lässt erkennen, wie hoch der durchschnittliche Energieaufwand ist, um eine bestimmte volkswirtschaftliche Leistung zu erzielen. Die Bundesregierung hat das deutschlandweite Ziel gesetzt, diese "Energieproduktivität" von 1990 bis 2020 zu verdoppeln. Berlin hatte 1995 einen Zuwachs von 18 Prozent erreicht und stagniert seitdem. Bis zum letzten erfassten Jahr, 2005, gab es keine Verbesserung. Nur Rheinland-Pfalz und Mecklenburg-Vorpommern sind da noch weiter zurückgeblieben. Uns bestärkt die stagnierende Energieeffizienz darin, einen Vorschlag neu einzubringen, den Berlin 21 vor zwei Jahren dem Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei), damals leider vergeblich, unterbreitet hat: Alle Wirtschaftsförderung in Berlin ist an die Auflage zu binden, dass die unterstützten Betriebe sich zu konkreten energiesparenden Maßnahmen verpflichten.


Gemischte Bilanz im Verkehr

Im Sektor Verkehr fällt die Bilanz gemischt aus: So verursachte der Straßenverkehr von 1990 bis 1998 einen mit 16,5 Prozent deutlich zunehmenden CO2-Ausstoß. Von 1999 bis 2005 gab es hingegen einen deutlichen Rückgang um 15 Prozent, der ganz überwiegend auf einen sparsameren Spritverbrauch beim Autofahren schliessen lässt. Hier steht Berlin auch gegenüber den anderen Stadtstaaten besser da.

Sehr erfreulich ist der Trend zu einer fahrradfreundlichen Stadt. Von 2000 bis 2007 stieg der Radverkehr um 18 Prozent an. Er stellte damit sogar die Vorgaben der Agenda 21 für Berlin in den Schatten. Sein sehr vorsichtiger Zielwert von 12 Prozent Anteil bis 2020 dürfte schon gegenwärtig übertroffen sein.

Der wachsende Flugverkehr bleibt ein rabenschwarzer Fleck auf Berlins ohnehin grauer Klimaweste. So sind allein die CO2-Emissionen der in Berlin startenden Flüge von 1990 bis 2004 um 141 Prozent gestiegen. Der steile Anstieg der Passagierzahlen in der letzten Zeit - so von 14,8 Millionen 2004 auf 18,5 Millionen 2006 - dürfte den Trend noch verstärkt haben. Die Berliner Klimapolitik ist unglaubwürdig, wenn sie diesem Anstieg tatenlos zusieht. Blind auf eine expansive Nutzung des geplanten Großflughafens in Schönefeld zu setzen, ist für dieses wesentliche Politikfeld klar kontraproduktiv.

Die Ergebnisse unserer Bilanz geben keinerlei Anlass, Berlin im Bereich der Klimapolitik ein positives Gesamtzeugnis auszustellen. Politik, Wirtschaft und Stadtgesellschaft müssen hier wesentliche Hausaufgaben erst noch angehen. Für die Begrenzung des Klimawandels mehr zu tun und konsequenter zu handeln, ist nötig - und dringlich.

Der ausführliche Bericht
"Klima und Energie": www.berlin21.net

Quellen für die Daten:
www.blag-klina.de/links.html
www.lak-energiebilanzen.de

http://www.grueneliga-berlin.de/rabe_ralf/rabe_archiv_2009/04_05_2009/25_04_05_2009.html


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Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 149, April/Mai 09
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.grueneliga-berlin.de/raberalf

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2009