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STATISTIK/099: Erste Naturbewusstseinstudie für Deutschland vorgestellt (BfN)


Bundesamt für Naturschutz (BfN)
Pressemitteilung - Bonn, 28. Oktober 2010

Erste Naturbewusstseinstudie für Deutschland vorgestellt


Berlin/Bonn, 28.10.2010: Die Deutschen lieben die Natur. Dem Naturschutz sowie Maßnahmen zur Erhaltung der Natur wird ein hoher gesellschaftlicher Stellenwert beigemessen. Dies ist das Fazit der ersten bundesweit repräsentativen Naturbewussteinsstudie, die das Bundesamt für Naturschutz (BfN) im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) heute in Berlin vorgestellt hat. Für 96% aller Befragten in Deutschland gehört Natur einfach zu einem guten Leben dazu. Für 89 Prozent der Deutschen ist der Naturschutz eine wichtige politische Aufgabe. Den Verlust der biologischen Vielfalt fürchten allerdings 68 Prozent der Befragten, besonders weil sie persönliche Beeinträchtigungen erwarten. Ebenso viele Menschen haben die Sorge, dass es zukünftig für die Kinder und Enkelkinder kaum noch eine intakte Natur geben wird.

"Bei einem so hohen Naturbewusstsein auf der einen Seite und der großen Sorge um den Zustand der Natur auf der anderen Seite, verwundert der Wunsch der Menschen in Deutschland nach klaren politischen Vorgaben nicht," sagte BfN-Präsidentin Prof. Dr. Beate Jessel. So wünschen 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger einen stärkeren Schutz der Weltmeere vor Überfischung durch strengere Vorschriften und ebenso viele Deutsche eine strengere Kontrolle bei der Einfuhr seltener Tier- und Pflanzenarten. 87 Prozent lehnen den Anbau und den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen in der Landwirtschaft ab und plädieren sogar für ein Verbot.

"Die Ergebnisse der Naturbewusstseinsstudie sind ein klarer politischer Auftrag zum Schutz und zur naturverträglichen, nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt - und das nicht als Lippenbekenntnis im Jahr der Biodiversität. Die vielen vom Menschen verursachten Naturkatastrophen wie die Hochwässer, Torfbrände oder die Ölverschmutzungen im Meer beunruhigen die Menschen in Deutschland sehr. Ein "Roll back" in der Naturschutzpolitik, wie vereinzelt von Landespolitikern gefordert wurde, ist angesichts der Herausforderungen nicht zu rechtfertigen," so Beate Jessel.

Die große Mehrheit der Bevölkerung meint, dass die Wirtschaft (90%) einen stärkeren Beitrag zum Schutz der Natur leisten muss, aber auch die Bürgerinnen und Bürger selbst (87%) müssten sich stärker engagieren. Während 59 Prozent der Bevölkerung den Staat in der Pflicht sehen, fühlen sich 68 Prozent persönlich verantwortlich, die Natur zu erhalten. "Wir sehen natürlich unsere eigene staatliche Verantwortung, wollen aber in Zukunft auch stärker deutlich machen, welchen Einfluss jeder und jede Einzelne mit seinem persönlichen Konsum auf Natur und biologische Vielfalt lokal, aber auch weltweit hat, und wie er oder sie einen Beitrag zu ihrem Schutz leisten kann", sagt Jessel.

Die BfN-Präsidentin fordert für Staat, Wirtschaft und Bevölkerung in Deutschland das "Leitbild eines nachhaltigen und biodiversitätsverträglichen Konsums", damit national wie global die natürlichen Ressourcen für derzeitige und zukünftige Generationen erhalten werden können. Sie betonte, dass Staat und Wirtschaft die große Verantwortung zufällt, die geeigneten Rahmenbedingungen und Strukturen für nachhaltigen Konsum zu schaffen. Die Bereitschaft der Bevölkerung für einen nachhaltigen Konsum als Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt ist hoch. Bei relativ leicht umzusetzenden Handlungsweisen, wie regionales Obst und Gemüse zu kaufen und Kosmetika zu bevorzugen, deren Herstellung nicht auf Kosten der Natur geht, ist sie mit 80 bis 90 Prozent am höchsten. Es gibt jedoch noch großen Bedarf an Aufklärung und Bewusstseinsbildung, welche Verhaltensweisen und Konsumgewohnheiten zu einer Gefährdung der Natur führen und was vor allem jeder Einzelne dagegen tun kann.

Im Internationalen Jahr der biologischen Vielfalt haben viele Bürgerinnen und Bürger den Begriff der biologischen Vielfalt bereits gehört, seine umfassende Bedeutung als Vielfalt der Arten, der Lebensräume sowie der Vielfalt der Erbinformationen in Sorten und Rassen kennen jedoch nur wenige. "Wir müssen den Begriff der biologischen Vielfalt und die Notwendigkeit für ihre Erhaltung stärker mit lebensnahen Beispielen füllen, um eine erhöhte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für dieses vorrangige Ziel der Naturschutzpolitik zu erreichen", erläutert Prof. Jessel, Präsidentin des BfN. "Die biologische Vielfalt erbringt unschätzbare wirtschaftliche Leistungen, etwa durch die Bereitstellung von sauberem Wasser und sauberer Luft, den Schutz vor Hochwasser und Lawinen, die Funktion von Wäldern und Mooren als CO2-Senken oder das große Potenzial alter Kulturpflanzensorten zur Anpassung an den Klimawandel. Auch für Fortschritte in Medizin und Technik ist der Wert der biologischen Vielfalt immens."

Die Studie weist zudem interessante Zusammenhänge zwischen Naturerfahrung und sozialer Gerechtigkeit in Deutschland nach: Die Ergebnisse belegen, dass sozial benachteiligte Gruppen eine größere Distanz zur Natur aufweisen, als die anderen gesellschaftlichen Gruppen. Naturerfahrung spielt hier vor allem in nächster Nähe, etwa in öffentlichen Parks, eine Rolle und wird in der Erziehung nur wenig vermittelt, so dass zu befürchten ist, dass diese Distanz zur Natur an die Kinder weiter gegeben wird. Es ist daher notwendig, dass vermehrt gezielte Angebote zur Naturerfahrung gerade auch für sozial benachteiligte Familien entwickelt werden.

Hinweis: Die Studie wurde vom ECOLOG-Institut für sozial-ökologische Forschung und Bildung, Hannover, im Auftrag von BMU und BfN erstellt. Erstmals wurden hierbei deutschlandweit über 2.000 Angehörige aller gesellschaftlichen Gruppen ab einem Alter von 18 Jahren über ihre persönlichen Einstellungen und ihren Wissensstand zu Natur, Naturschutz und biologische Vielfalt befragt.

Sie ist unter der Internetadresse
http://www.bfn.de/0309_kommunikation.html abrufbar.


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Quelle:
BfN-Pressemitteilung, 28.10.2010
Herausgeber: Bundesamt für Naturschutz
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2010