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VERBAND/522: "Engagement lohnt sich immer" - Interview mit Stefan Richter (Der Rabe Ralf)


DER RABE RALF
Nr. 177 - Dezember 2013 / Januar 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Engagement lohnt sich immer

RABE RALF-Interview mit Stefan Richter, Geschäftsführer der GRÜNEN LIGA Berlin



Stefan Richter beendet zum Jahresende nach über 20 Jahren seine hauptamtliche Tätigkeit für die GRÜNE LIGA Berlin. Er wird weiter ehrenamtlich für den Umweltverband arbeiten. Das ist für die RABE RALF-Redaktion ein guter Zeitpunkt für folgendes Gespräch.


Was sagst Du zur aktuellen Situation des Umwelt- und Naturschutzes in Deutschland?

Die sozialen Belange, den Eine-Welt-Gedanken und Naturschutzaspekte sollten die Umweltverbände stärker berücksichtigen. Es darf nicht in erster Linie darum gehen, die erneuerbaren Energien in Deutschland schneller auszubauen. Das verlangt massive Eingriffe in Natur und Landschaft. Es geht darum, möglichst wenig Energie zu verbrauchen, Energie effizient einzusetzen und eine Grundversorgung für den ganzen Planeten sicherzustellen. Das sind leider zurzeit keine Schwerpunkte in der öffentlichen deutschen Debatte.

Trotz dieser neuen Herausforderungen hört deine Berufstätigkeit bei der GRÜNEN LIGA Berlin auf. Welche Gründe gibt es dafür?

Wenn es am schönsten ist, soll man aufhören. Ich bin über 20 Jahre bei der GRÜNEN LIGA Berlin angestellt und hatte eine unglaublich tolle Zeit. Nach der Hälfte meines (Arbeits-)Lebens möchte ich wissen, ob es nicht vielleicht noch etwas Anderes gibt. Ich konnte mir nicht vorstellen, das 30. Umweltfestival am Brandenburger Tor zu eröffnen.

Was machst du danach?

Nach meinem Entschluss, die Tätigkeit als Geschäftsführer der GRÜNEN LIGA Berlin zu beenden, hatte ich viele interessante Angebote bekommen. Ich habe mich für die Stiftung Zukunft Berlin entschieden. Dort bin ich seit dem 1. Juli Vorstand und ab 1. Januar 2014 dann hauptamtlicher Vorstand. Diese Stiftung ist 10 Jahre jung, gut vernetzt und hat viele sehr gute Ideen und verantwortungsbereite Mitstreiter. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die bürgerschaftliche Mitverantwortung, ein Thema welches ich seit vielen Jahren bearbeite. Der GRÜNEN LIGA Berlin bleibe ich als Mitglied natürlich ehrenamtlich treu.

Was hältst du bei deiner Arbeit im Rückblick für entscheidend?

Ich finde, dass man einen Riecher für die richtigen Themen haben muss. Es ist wichtig, selbst überzeugt zu sein und dann lange und kontinuierlich dranzubleiben. Manche Ideen benötigen Zeit, aber was gut ist, setzt sich durch. Wichtig ist es auch, die Projekte permanent zu verbessern. Wenn ich mir unsere erste damals achtseitige Umweltzeitung RABE RALF von 1990 anschaue und jetzt die neue 32-seitige Ausgabe unserer Umweltzeitung in den Händen halte, kann man die Veränderungen leicht sehen. Erst in diesem Jahr haben wir wieder das Papier verändert. Die Zeitung ist ein gutes Beispiel für unsere Beharrlichkeit über so viele Jahre.

Was denkst Du, ist für die umweltpolitische Arbeit in einer Stadt wie Berlin am vordringlichsten?

Die GRÜNE LIGA Berlin hat einen wichtigen Anteil daran, dass Luft und Wasser in dieser Metropole jetzt sauberer sind als 1990. Berlin ist die artenreichste Stadt Deutschlands. Hier haben wir als Umweltverein viele grüne Oasen mitten in der Stadt vorangetrieben. Defizite gibt es bei der Energiewende. Der Umstieg auf die erneuerbaren Energien geht nur sehr schleppend voran, die Effizienzpotentiale gerade im Gebäudebestand schreien nach Machern. Die Flächenversiegelung steigt weiter, Verkehrs- und Wohnprojekte sind Ursachen dafür. Und wir haben den Lärm nicht nur in Flughafennähe. Der GRÜNEN LIGA Berlin wird die Arbeit also nicht ausgehen.

Was war dein wichtigstes Projekt bei der GRÜNEN LIGA und was deine größten Erfolge?

Angefangen habe ich nach der Wende 1990 mit ganz praktischen Begrünungsmaßnahmen in meinem Kiez. Der erste große politische Erfolg war dann der erfolgreiche Kampf gegen Großprojekte im Nordosten der Stadt - meinem Zuhause. Es ist gelungen eine Müllverbrennungsanlage, mehrere Großwohnprojekte auf der grünen Wiese und eine große tangentiale Straße zu verhindern. Dafür haben wir Bürgerinitiativen in den Ortsteilen gegründet, Sternmärsche organisiert, Gutachten geschrieben und uns später berlinweit zu diesen Themen vernetzt. Wir haben einen Grünen Runden Tisch mit dem Bezirksbürgermeister, dem Umwelt- und dem Baustadtrat und vielen betroffenen Initiativen gegründet. Ich war Sprecher und Initiator. Wir haben die Idee eines Netzwerkes ökologischer Bewegungen in die Praxis umgesetzt und sind wirksam geworden. Umwelt und Natur haben profitiert.

Natürlich bin ich auch stolz auf unser jährliches Umweltfestival, das sich mit über 100.000 Teilnehmern und 250 Ausstellern zum größten Umweltevent Deutschlands entwickelt hat. Ich stand 1995 zusammen mit Joschka Fischer und Ernst Ulrich von Weizsäcker auf einer wackligen Bühne vor dem Brandenburger Tor. Wir hatten etwa 25 Aussteller, aber die Idee für ein Umweltfestival mit so unterschiedlichen interessanten Akteuren mitten in Berlin vor dem Brandenburger Tor zum Internationalen Tag der Umwelt (Anfang Juni) war einfach wunderbar.

Auch unser Netzwerk21Kongress hat sich sehr gut entwickelt. Er ist heute der zentrale Nachhaltigkeitskongress für die lokale Ebene in Deutschland. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich die Stadt München bei der GRÜNEN LIGA Berlin bewirbt, um am 23. und 24. Oktober 2014 Gastgeber unseres nächsten Kongresses zu sein. Auch die Idee der Vergabe des Deutschen Lokalen Nachhaltigkeitspreises ZeitzeicheN, um beispielhaft langjährig Aktive in würdigem Rahmen zu ehren, war einfach gut. Es ist toll, wie bewegt Menschen sind, wenn man Ihnen einfach Danke sagt.

Weitere erfolgreiche Projekte, die ihren zehnten Geburtstag schon lange hinter sich haben, sind unsere Umweltzeitung DER RABE RALF, unser Kinder- und Jugendreiseveranstalter NATOUR, unser Ökomarkt und unsere Hofbegrünungsaktivitäten.

Darüber hinaus war die GRÜNE LIGA Berlin als Geschäftsstelle des Berliner Wassertisches verantwortlich für den bisher einzigen erfolgreichen Volksentscheid in Berlin. Das ist uns alles nicht in den Schoß gefallen, das ist immer wieder harte Arbeit mit wenigen Ressourcen.

Wichtig war natürlich, dafür immer wieder Menschen und Partner als Unterstützer zu gewinnen. Daher an dieser Stelle meinen ganz herzlichen Dank an alle meist langjährigen Unterstützer der GRÜNEN LIGA Berlin!

Welche Partner hat die GRÜNE LIGA Berlin?

Wir arbeiten jedes Jahr mit mehr als 100 Partnern zusammen. Darunter sind Unternehmen, Stiftungen, Verwaltungen, Ministerien und andere Nichtregierungsorganisationen aus unterschiedlichen Bereichen. Für die GRÜNE LIGA ist der Begriff Netzwerk einfach der genau passende. Dieser Ansatz ist einmalig in der bundesdeutschen Verbändelandschaft.

Was wünschst du deiner Nachfolgerin als Geschäftsführerin der GRÜNEN LIGA Berlin Karen Thormeyer?

Die Begeisterung für unsere natürliche Umwelt oder die Natur ist so einfach. Es lohnt immer, sich dafür zu engagieren. Was fehlt sind oft die richtigen Ideen. Die GRÜNE LIGA Berlin sollte sich auch in Zukunft Schwerpunkte setzen und dabei richtig gut sein. Meiner Nachfolgerin wünsche ich, dass sie den eingeschlagenen Weg fortsetzt, eigene Akzente setzt und die GRÜNE LIGA Berlin noch stärker macht.


Die RABE RALF Redaktion dankt Stefan Richter für das Gespräch.

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Quelle:
DER RABE RALF - 24. Jahrgang, Nr. 177 - Dezember 2013 / Januar 2014, Seite 3
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
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Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2014