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VIELFALT/191: Wissenschaftler stellen erstmals einen Atlas der Biodiversitätsrisiken vor (UFZ)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) - 3. Juni 2010
Pressemitteilung zum Tag der Umwelt am 5. Juni 2010

Politik ist entscheidender Faktor für die Biodiversität
Wissenschaftler stellen erstmals einen Atlas der Biodiversitätsrisiken vor

Von Tilo Arnhold


Brüssel/Halle/Saale. Politische Entscheidungen gehören zu den Haupttriebkräften, die das Überleben der Artenvielfalt beeinflussen. Sie wirken sich direkt auf Entscheidungen in Kernbereichen des Umgangs mit Natur und Landschaft aus wie z.B. über Landwirtschafts-, Verkehrs- oder Infrastrukturpolitiken. Diese Entscheidungen beeinflussen auch viele relevante sozio-ökonomische Prozesse, die dem Handeln der Menschen zugrunde liegen, schreibt ein internationales Wissenschaftlerteam im erstmals erschienenen "Atlas der Biodiversitätsrisiken".

Politische Rahmenbedingungen und Regelungen sollten stärker so gestaltet werden, dass sie Belastungen für die Artenvielfalt reduzieren und dabei die Empfehlungen der Wissenschaft integriert werden. Diese Empfehlungen sollten der Politik auch helfen, sich ihrer Rolle als Faktor für den Verlust der Biodiversität klar zu werden. Dazu sollten die ökonomischen, kulturellen und ideellen Reichtümer, die die Artenvielfalt bereitstellt, stärker hervorgehoben werden. Der Atlas kombiniert die Hauptergebnisse des großen EU-Forschungsprojektes ALARM (68 Partner aus 35 Ländern in Europa und Übersee) mit einigen Kernergebnissen aus zahlreichen anderen Forschungsnetzwerken. Insgesamt haben 366 Autoren aus über 180 Institutionen in 43 Ländern zu dem 280 Seiten starken Atlas beigetragen. Das Werk wurde am Donnerstag im Rahmen der Grünen Woche 2010 ("Green Week 2010") in Brüssel vorgestellt, zu der die Europäische Union knapp 4000 Teilnehmer eingeladen hat.

Der neue "Atlas der Biodiversitätsrisiken" ist der erste seiner Art, der die Hauptfaktoren zusammenfasst, die zum Verlust der Artenvielfalt auf europäischer und globaler Ebene führen. Die Hauptrisiken werden hervorgerufen vom globalen Klima- und Landnutzungswandel und der Umweltverschmutzung. Besonders relevant ist dabei der Verlust an Bestäubern und der Einfluss biologischer Invasionen, die gesondert hervorgehoben werden. Die Auswirkungen und Konsequenzen des Biodiversitätsverlustes werden in dem Werk mit einem starken Fokus auf sozioökonomische Faktoren und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft beschrieben. "Uns sollte klar sein, dass nicht eine einzelne politische Maßnahme die Artenvielfalt retten wird, sondern dass eine systematische Überprüfung aller Politikfelder notwendig ist, die die Biodiversität betreffen", betont PD Dr. Josef Settele vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), der Leiter des Herausgeberteams des Atlas. "Forschungsergebnisse sollten daher genutzt werden, um Programme kontinuierlich zu aktualisieren und Politiken nachhaltig weiter zu entwickeln."

Als Basis für die vorhergesagten Effekte und möglichen Handlungsoptionen dienen im "Atlas der Biodiversitätsrisiken" drei verschiedene Zukunftsszenarien: a) das Szenario kontinuierlichen ökonomischen Wachstums (GRAS), b) ein "Weiter-So-Szenario" (BAMBU) und c) ein Nachhaltigkeits-orientiertes Szenario (SEDG) "Es ist wichtig, sich klar zu machen, das Szenarien keine Vorhersagen sind", erklärt Dr. Joachim H. Spangenberg von SERI Deutschland (Sustainable Europe Research Institute), der im ALARM-Projekt den sozio-ökonomischen Teil leitete. "Szenarien bieten eine Reihe von begründeten Annahmen, die helfen, über mögliche plausible Zukünfte und die Auswirkungen heutiger Entscheidungen auf die Welt von morgen nachzudenken. Sie zeigen, welche Konsequenzen unser Handeln haben könnte und können so helfen, bessere Entscheidungen zu treffen." Die Grundlagen dieser Szenarien sind erläutert, die Auswirkungen wurden modelliert bzw. durch konsistente Erzählungen illustriert und getestet. Der Atlas ist in elf Kapitel unterteilt, die sich an den Belastungen für die Artenvielfalt orientieren und durch über 100 Fallstudien untermauert sind.

Der Atlas richtet sich an ein breites Publikum: Wissenschaftler können darin Zusammenfassungen von Methoden, Ansätzen und Fallstudien finden. Für Naturschützer und politische Entscheidungsträger sind leicht verständliche Empfehlungen gedacht, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhen. Dozenten und Lehrer können Beispiele herausgreifen, um die großen Herausforderungen unseres Jahrhunderts im globalen Umweltwandel zu erklären. "Letztlich werden alle, die sich um Umweltprobleme sorgen, mit dem Atlas eine starke Waffe für ihren Kampf zur Rettung der Vielfalt auf unserem Planeten finden", meint Lyubomir Penev, einer der Herausgeber. "Wir hoffen sehr, dass der neue Atlas seinen Weg zu einem breiten Publikum findet und letztlich auch in die politischen Entscheidungsprozesse einfließt", ergänzt Josef Settele, der mit seinen 8 Herausgeber-Kollegen aus Deutschland, Slowenien und Bulgarien auch nachfolgende Ansicht teilt: Der Schutz der biologischen Vielfalt wird in einer Gesellschaft, die nicht nachhaltig ist, nicht erreicht werden können - genauso wenig wie eine Gesellschaft nicht nachhaltig sein kann, die die biologische Vielfalt nicht für kommende Generationen erhält.

Tilo Arnhold

[1] http://www.ufz.de/index.php?de=19708

Die Vereinten Nationen haben 2010 zum Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt erklärt. Ziel ist es, dass Thema biologische Vielfalt mit seinen vielen Facetten stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Mit seiner Expertise trägt das UFZ dazu bei, die Folgen und Ursachen des Biodiversitätsverlustes zu erforschen sowie Handlungsoptionen zu entwickeln.

Mehr dazu erfahren Sie unter:
http://www.ufz.de/index.php?de=16034 und
http://www.ufz.de/data/ufz_spezial_april08_20080325_WEB8411.pdf

Die Biodiversitätsforschung in Deutschland ist auf zahlreiche Institutionen wie Hochschulen, außeruniversitäre Einrichtungen und Ressortforschung bis hin zu Naturschutzverbänden und Firmen verteilt. Das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung, ein Projekt im Rahmen von DIVERSITAS-Deutschland, möchte der Forschungscommunity deshalb eine gemeinsame institutionsunabhängige Kommunikationsstruktur und -kultur anbieten.
Mehr dazu erfahren Sie unter: http://www.biodiversity.de/


Publikation:
Josef Settele, Lyubomir Penev, Teodor Georgiev, Ralf Grabaum, Vesna Grobelnik,
Volker Hammen, Stefan Klotz, Mladen Kotarac & Ingolf Kuhn (Eds) (2010): Atlas of Biodiversity Risk. Pensoft. Sofia. ISBN 978-954-642-446-4.
http://pensoft.net/newreleases/14595.htm

Weitere fachliche Informationen:
PD Dr. Josef Settele
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
E-mail: siehe http://www.ufz.de/index.php?de=817
und
Dr. Stefan Klotz / Dr. Ingolf Kühn
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
http://www.ufz.de/index.php?de=14699 ,
http://www.ufz.de/index.php?en=821
Tel. +49-345- 558-5302, -5311
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341 235 1635
E-mail: presse@ufz.de
[2]

Weiterführende Links:
Green Week Conference 2010 http://www.greenweek2010.eu/
EU-Projekt ALARM (Assessing Large scale environmental Risks for biodiversity with tested Methods):
http://www.alarmproject.net/alarm/ Climatic Risk Atlas of European Butterflies:
http://pensoftonline.net/biorisk/index.php/journal/article/viewArticle/3
International Year of Biodiversity 2010: http://www.cbd.int/2010/welcome/


Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

http://www.ufz.de/

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 16 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

http://www.helmholtz.de

[1] http://www.ufz.de/index.php?de=640
[2] mailto:presse@ufz.de


*


Quelle:
UFZ-Pressemitteilung, 03.06.2010
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Tilo Arnhold
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Telefon: (0341) 235-2278, Telefax: (0341) 235-2649
E-Mail: presse@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2010