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VERKEHR/836: Auf dem falschen Dampfer - Schiffsabgase schädigen Mensch und Umwelt (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 1/11
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Umweltsünder Schiffsverkehr


Auf dem falschen Dampfer
Schiffsabgase schädigen Mensch und Umwelt

Von Renée Püthe-Siegert


Eislaufen in der Karibik, Cocktails am Nordpol - Luxusliner machen Träume wahr. Doch dafür zahlen nicht nur die Kreuzfahrt-Teilnehmer einen hohen Preis. Große Kreuzfahrtschiffe sind wie schwimmende Kleinstädte und verbrauchen entsprechend viel Energie.

Ihre schmutzigen Abgase gefährden Mensch und Natur. Leise rieselt der Ruß und hinterlässt seine Spuren an den Polen - Schwarz auf Weiß. Die Ablagerung von dunklen Rußpartikeln auf arktischen Schnee- und Eisflächen ist folgenschwer: Sie beschleunigt ihr Abschmelzen. Was der Mensch - besonders in Hafenstädten und Küstenregionen - mit bloßem Auge nicht sehen kann, das ist der feine Giftstaub, den er mit jedem Atemzug tief in seine Lungen inhaliert. Untersuchungen belegen erschreckende gesundheitliche Folgen: Herz- und Lungenerkrankungen, Asthma und chronische Bronchitis sowie überdurchschnittlich viele vorzeitige Todesfälle. So wird auch in Hamburg das Wohnen nahe den Landungsbrücken offenkundig zum Problem. Im neuen Luxusquartier Hafencity rät die Umweltbehörde vom Öffnen flussseitiger Fensterfronten vorsorglich ab.


Sondermüll als Treibstoff

Ruß ist neben Schwefeldioxid, Stickstoffoxid, Benzol und Kohlendioxid einer der giftigen Reststoffe, die täglich in gigantischen Mengen aus den Schornsteinen von weltweit etwa 100.000 Ozeanriesen qualmen. Die meisten dieser Schiffe, ganz gleich ob Container-, Passagier- oder Kreuzfahrtschiff, tanken den minderwertigsten und billigsten aller Treibstoffe: Schweröl, ein teerartiger Abfallstoff der Erdölveredelung, der an Land wie Sondermüll behandelt wird. Öle mit bis zu 4,5 Prozent Schwefelanteil dürfen in der Schifffahrt eingesetzt werden. Ihr Schwefelgehalt ist mehr als 1000-fach höher als der von Dieselkraftstoffen für Autos. Als feine Luftpartikel gelangen die giftigen Gase in Atemwege, als "saurer Regen" in Böden und Gewässer. Laut Wirtschaftsmagazin brand eins stoßen allein die 15 größten Schiffe der Welt mit jährlich 78.000 Tonnen mehr Schwefeloxid aus als weltweit alle 760 Millionen Autos zusammen.

Nach einer Studie der schwedischen Wissenschaftlerin Ida-Maja Hasselöv verdampfte der weltweite Schiffsverkehr bereits im Jahr 2000 rund 1,67 Millionen Tonnen Ruß. Davon wurden allein 21.000 Tonnen Feinstaub in den Häfen der EU ausgestoßen. Mit der Kampagne "Rußfrei fürs Klima" machen BUND und NABU, die Deutsche Umwelthilfe und der Verkehrsclub Deutschland auf die mangelnde Regelung von Schiffsemissionen aufmerksam.

Weltweit regelt die International Maritim Organisation (IMO) die Schadstoffminderung auf hoher See, so auch die Ausweisung mancher Gebiete als sogenannte Schwefelemissions-Kontrollzonen (SECA = Sulphur Emission Control Areas). In diesen SECA darf der Schwefelanteil an den Abgasen einen Prozent nicht übersteigen. Als SECA waren bis vor kurzem einzig der Ärmelkanal sowie Nord- und Ostsee ausgewiesen. Im Mai 2010 kamen weitere dazu. Darüber freut sich Lucienne Damm, die die Rußfrei-Kampagne für den NABU betreut, besonders. Für sie ist die jüngste SECA-Ausweisung der US-amerikanischen und kanadischen Küsten "ein schönes Beispiel dafür, dass so ein Antrag schnell in die Praxis umgesetzt werden kann. Das könnte ein Anreiz für andere Länder sein, die sich mit dem Procedere bisher noch schwer tun." Die Kampagne macht auf die mangelnde Regelung von Schiffsemissionen aufmerksam.

Natürlich dreht sich auch beim Thema Schiffsemissionen vieles um die Frage der Wettbewerbsfähigkeit. Doch auch hier deutet sich ein Umdenken an. Die Wirtschaft müsse eine Führungsrolle beim Kampf gegen den Klimawandel einnehmen, forderte kürzlich der Milliardär Richard Branson, der bei der Klimakonferenz in Cancún eine Datenbank vorstellte, die die Energieeffizienz von über 60.000 Containerschiffen weltweit auflistet. "Das bietet Anhaltspunkte, ist aber nicht ausreichend, da nur die Kohlendioxid-Emissionen bilanziert werden", kommentiert Lucienne Damm das Projekt.

Mehr verspricht sie sich vom Environmental Ship Index, der von einer Initiative europäischer Hafenstädte entwickelt worden ist, aber noch nicht angewendet wird. Dieser Index dokumentiert die Umweltauswirkungen aller Schiffe und dient als transparentes Instrument zur Erkennung von umweltfreundlichen Schiffen. Eine ökologische Hafengebühr je nach Umweltstandard des Schiffes, wie sie der Hamburger NABU-Vorsitzende Alexander Porschke schon 2000 in seiner Amtszeit als Umweltsenator gefordert und kurzzeitig eingeführt hatte, wäre dann auch international möglich.


Grüne Logistik

Es gibt viele konkrete Vorschläge für Maßnahmen, die den Schadstoffausstoß im Schiffsverkehr senken. Einer davon ist der Verzicht auf minderwertige Treibstoffe mit hohen Schwefelanteilen. Denn bessere Treibstoffe ermöglichen nicht nur eine sauberere und CO²-ärmere Verbrennung, sondern auch den Einsatz von Rußpartikelfiltern. Ökologisch sensible Gebiete sollten als Emission Control Areas (EC) ausgewiesen werden, Schiffe auf Flüssiggas umgerüstet sowie ihre Fahrgeschwindigkeit verringert werden. Auch der Ausbau von Landstromanschlüssen in Häfen und die Einbeziehung des Schiffsverkehrs in den Emissionshandel könnten emissionsmindernd wirken. Dass nicht allein Mensch und Natur davon profitieren, sondern auch Unternehmen, die sich für die Umwelt einsetzen, hat die Logistikbranche längst erkannt. Ein schlechtes ökologisches Image kommt beim Verbraucher nicht gut an. Grüne Logistik, die nachhaltig und klimaverträglich ist, wird daher zu einem wichtigen Wirtschafts- und Wettbewerbsfaktor. Eine gute Möglichkeit auch für Hamburg, die Stadt der Schiffe. Als europäische Umwelthauptstadt 2011 kann sie in diesem Jahr viel für ihr grünes Image und ihre Bürger tun.


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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 1/11, S. 20-21
(Text in der Internet-Fassung)
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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"Naturschutz heute" ist das Mitgliedermagazin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2011