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WALD/066: Bürgerwald geht es zunehmend an den Kragen - Kurs bei Forstreform korrigieren (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 17. Dezember 2012

Bürgerwald geht es zunehmend an den Kragen

BN fordert von Staatsregierung Kurskorrekturen bei Forstreform



Sieben Jahre nach der Forstreform und nach dem nur knapp gescheiterten Volksbegehren "Aus Liebe zum Wald" zieht der BUND Naturschutz in Bayern (BN) eine kritische Bilanz. Der BN fordert die Staatsregierung auf, angesichts vieler Fehlentwicklungen umfangreiche Kurskorrekturen bei der Forstreform vorzunehmen. "Wir stellen als BN fest, dass - von einzelnen Verbesserungen abgesehen - im Staatswald mehr denn je die Gewinne und nicht die vorbildhafte Gemeinwohlerfüllung als Messlatte des Erfolgs dient", kritisiert Hubert Weiger, Landesvorsitzender des BN die falsche Grundausrichtung im Bürgerwald. Wurde anfangs noch eine Schwarzen Null angestrebt, soll der Staatswald künftig jährlich 70 Mio. EUR an die Staatskasse abliefern. Der BN fordert deshalb, dass durch eine Waldgesetzänderung der Vorrang für das Gemeinwohl festgelegt und damit die Gewinnmaximierung im Staatswald gestoppt wird. Denn die Holznutzungsreserven sind ausgeschöpft und immer weniger Förster und Waldarbeiter müssen die zurückgehenden Holzreserven unter knallharten wirtschaftlichen Vorgaben und ungünstigen Rahmenbedingungen mobilisieren. "Dies führt zwangsläufig zu Schäden im Wald, für welche der Vorstand der Bayerischen Staatsforste (BaySF) und die Staatsregierung die Verantwortung übernehmen muss", so Weiger. Schon jetzt wird mehr Holz eingeschlagen und werden mehr alte Bäume gefällt als aus Sicht des Klimaschutzes und der Artenvielfalt zu verantworten sei. Die BaySF müssen als einer der größten Waldbesitzer Mitteleuropas auch im Naturschutz Vorreiter werden und dazu die Fläche der nutzungsfreien Waldschutzgebiete verdreifachen. Der BN kritisiert außerdem, dass es in der Forstverwaltung viel zu wenig Förster für die Beratung der Waldbesitzer gibt. Für den überfälligen Waldumbau von großflächigen Nadelholzforsten in Mischwälder im Kommunal- und Privatwald fordert der BN 100 zusätzliche Försterstellen zu schaffen. "Wir fordern die Staatsregierung auf sich zu Ihrer Verantwortung für den Staatswald, aber auch für die gesamten Wälder Bayerns zu bekennen. Sie muss dazu die Rahmenbedingungen verändern, damit gute Vorgaben nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch von einer ausreichenden Zahl an Forstfachleuten umgesetzt werden können", so Weiger.


Staatsregierung muss Gemeinwohl im Staatswald Vorrang einräumen

Zwar besteht nach dem Waldgesetz für den Staatswald eine besondere Gemeinwohlbindung, aber in der Praxis wird in vielen Fällen der Ökonomie ein klarer Vorrang eingeräumt. Der BN kritisiert hier den BaySF-Vorstandsvorsitzenden Freidhager, der gemäß seinem Leitspruch, dass am Ende des Tages eben der Euro zählt, die Schwerpunkte anders setzt. Aber auch die Staatsregierung sieht den Staatswald als vermeintlichen Goldesel: für den Doppelhaushalt 2013/2014 soll der Staatsforst insgesamt 140 Mio. EUR bringen - für den Staatswald eine immense Bürde, für den Staatshaushalt nur Promillebeträge. Viele aktuelle Beispiele zeigen: derzeit hat im Staatswald im Zweifel der Gewinn und die Holznutzung Vorrang vor dem Gemeinwohl und auf die Schutz- und Erholungsfunktionen wird zu wenig Rücksicht genommen. Betroffen sind Erholungswälder, alte Laubwälder und Bergwälder. Immer wieder kommt es zu massiven Bodenschäden und Holzeinschläge in der Brutzeit sind heute eher die Regel denn die Ausnahme. Der BN fordert deshalb die Staatsregierung auf, für die Bewirtschaftung des Staatswaldes eindeutig festzulegen, dass die Erfüllung der Gemeinwohlfunktionen im Zweifel Vorrang vor den Nutzfunktionen haben muss. Windkraftanlagen sollen aus vordergründig finanziellen Gründen - angestrebt sind 1000 Anlagen mit Pachteinnahmen von ca. 30 Mio. EUR pro Jahr - im großen Stil errichtet werden, ohne dass Ausschlussgebiete und Regionalplanfortschreibungen ausreichend berücksichtigt werden, wie z.B. am Steinberg im Landkreis Wunsiedel. Teilweise gehen die BaySF und die Staatsregie rung sogar den Staatswäldern an den Kragen, wie die geplante Rodungen z.B. im Nürnberger Reichswald oder die Bundeswaldgesetzänderung 2010 belegen. "Wir kritisieren die unverantwortliche Waldgesinnung der Staatsregierung massiv. Bei den Beratungen zur Bundeswaldgesetzänderung im Bundesrat ging es der Staatsregierung darum, der Almlobby die staatlichen Fördergelder für die Waldweide zu sichern und dafür opferte sie mit einem Federstrich 7.000 Hektar Bergwald: dies war eine der schwärzesten Stunden für den Waldschutz in Bayern in den letzten Jahrzehnten" so der BN-Bergwaldexperte Kornprobst.

BN fordert mehr Umsetzung im Waldnaturschutz anstatt leerer Versprechen

Der BN kritisiert, dass die BaySF im Waldnaturschutz zwar viel versprechen, aber nur wenig umsetzen. Die Naturschutzkonzepte sollten laut BaySF-Zentrale für die 41 Forstbetriebe bis 2010 vorliegen. "Wir kritisieren, dass immerhin 2 Jahre nach dem versprochenen Zeitplan nur für 1/3 der Forstbetriebe fertige Naturschutzkonzepte vorliegen. Wir halten es zudem für einen Skandal, dass die wenigen vorliegenden Konzepte nicht einmal an Beiräte der BaySF oder Landtagsabgeordnete herausgegeben werden", empört sich Beiratsmitglied Weiger. Der BN kritisiert außerdem, dass sich die BaySF nicht an die eigenen Vorgaben halten. Denn selbst wenn ein Naturschutzkonzept in Kraft getreten ist, setzt der BaySF-Vorstand höhere Holznutzungen entgegen den Plänen des Forstbetriebes fest, wie im Fall Ebrach. Außerdem wurden alte naturnahe Wälder der sog. Klasse 1, nicht wie versprochen besser geschützt, sondern hier fanden regelmäßige Einschläge statt, sogar von Bäumen mit Spechthöhlen. Oder Wälder werden gar nicht als Klasse 1-Wälder geführt, obwohl sie die Bedingungen erfüllen. "Wenn sich die Waldschutzbemühungen der BaySF weiterhin oft nur auf das gedruckte Papier beschränken und diese häufig nur halbherzig und völlig intransparent ausgeführt werden, dann können wir das nicht Ernst nehmen, und verbuchen dies als PR-Maßnahme", so Weiger. Der BN fordert die Staatsregierung auf, die Konflikte zwischen Schutz und Nutzung der Staatswälder zu entschärfen, und die Forstverwaltung zu beauftragen, mit der BaySF 2013 ein Konzept zu entwickeln, wie die Fläche der nutzungsfreien Waldschutzgebiete im Staatswald verdreifacht werden kann, damit dieser Kernpunkt der Nationalen Biodiversitätsstrategie der Bundesregierung rechtzeitig umgesetzt werden kann.

Zurückgehende Nutzungsreserven erfordern zurückhaltende Holznutzungen

Nach Ansicht des BN sind die Holznutzungen aus Sicht des Klimaschutzes und der Artenvielfalt zu hoch angesetzt, was vom BaySF-Vorstand immer zurückgewiesen wurde. Nun gibt es ernsthafte Hinweise auf Übernutzungen und die Hiebssätze müssen teilweise verringert werden, z.B. bei der Baumart Kiefer. So musste im Forstbetrieb Forchheim der Jahreseinschlag um ca. 25.000 Festmeter verringert werden. Der BN fordert deshalb, die Einschlagsplanungen umgehend zu überprüfen und für die Zukunft die Forsteinrichtung als mittelfristige Nachhaltigkeitsplanung der Forstverwaltung zu übertragen.

Mehr Förster für Staatsforst und Waldumbau

Der BN sieht in der überzogenen Personalreduktion in der Fläche und in der Verlagerung der Aufgaben weg von den Forstrevieren hin zu den Forstbetrieben bzw. zu zentralen Stellen eine Hauptursache für die Fehlentwicklungen im Staatswald. "Für die Fehlentwicklungen machen wir nicht Förster oder Waldarbeiter verantwortlich, die sehr engagiert unter knallharten wirtschaftlichen Vorgaben und ungünstigen Rahmenbedingungen arbeiten müssen, sondern die Staatsregierung", so Weiger. Gute Konzepte helfen wenig, wenn nicht genug Fachpersonal da ist, um sie Wald umzusetzen. Der BN fordert deshalb die Anzahl der Revierförster deutlich zu erhöhen und ihnen auch wieder die Alleinverantwortung und die Waldarbeiter für ihr Revier zurückzugeben. Der bedenkliche Trend zu immer mehr Personal in der BaySF-Zentrale und die sog. vollständigen Funktionalisierung, die zur Verlagerung vieler Aufgaben zur Zentrale geführt hat, muss beendet werden. "Die Staatsregierung wollte mit der Forstreform die von ihr kritisierte Eigenkontrolle des Forstes abschaffen, hat aber ein noch wesentlich schlechteres Modell errichtet. Heute kann niemand mehr die BaySF ausreichend kontrollieren kann, außer die BaySF selbst. Und deren Prüfungsergebnisse sind dann: ein Betriebsgeheimnis", so Kornprobst. "Wir fordern deshalb die Staatsregierung auf, für eine entsprechende Kontrolle und Transparenz bei der BaySF zu sorgen, denn freiwillig gibt der BaySF-Vorstand nur heraus, wozu er gesetzlich verpflichtet ist". Für die Forstverwaltung fordert der BN mindestens 100 neue Förster einzustellen, damit der Waldumbau im Privat- und Körperschaftswald im erforderlichen Umfang gelingen kann. Kritisch sieht der BN außerdem den von der Staatsregierung gewünschten Rückzug der "Amtsförster" aus dem Körperschaftswald. "Wir erwarten, dass die Staatsregierung die per Gesetz gewünschte vorbildliche Waldwirtschaft in den Körperschaftswäldern auch mit Fachpersonal unterstützt", so Weiger.

Dr. Ralf Straußberger

weitere Informationen:
PM-113-12-Korrektur_Forsrefrom_HIntergrundpapier_W.pdf
http://www.bund-naturschutz.de/uploads/media/PM-113-12-Korrektur_Forsrefrom_HIntergrundpapier_W.pdf

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Quelle:
Presseinformation PM 112-12/LFGS, 17.12.2012
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Dezember 2012