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ATOM/1032: Alt-Atomkraftwerke muessen wegen Rissen sofort vom Netz (IPPNW)


IPPNW-Presseinformation vom 4. Juni 2010

AKW-Störfallauswertung der IPPNW

Alt-Atomkraftwerke müssen wegen Rissen sofort vom Netz


Nach Auffassung der atomkritischen Ärzteorganisation IPPNW müssen die ganz alten deutschen Atomkraftwerke wegen auffällig vieler Meldungen über sicherheitsrelevante "Risse, Befunde und Leckagen" noch in diesem Jahr endgültig stillgelegt werden. Werden alle elf in Betrieb befindlichen Druckwasserreaktoren verglichen, so ist ein klarer Trend zu erkennen: Mit den Betriebsjahren nimmt die Anzahl der meldepflichtigen Ereignisse deutlich zu.

Eine systematische Auswertung der offiziellen "meldepflichtigen Ereignisse" durch die IPPNW vom 2. Juni hat für die vergangenen drei Jahre ergeben, dass aus den Uralt-Reaktoren Biblis A, Biblis B, Unterweser und Neckarwestheim-1 insgesamt 35 mal Risse, Befunde oder sogar Leckagen gemeldet wurden. Bei den "neueren" Druckwasserreaktoren waren es hingegen "nur" 15 Meldungen in den Jahren 2007, 2008 und 2009.

Ferner gab es bei den Alt-Kraftwerken der so genannten 2. Druckwasserreaktor-Generation (2. DWR-Generation) in den nur drei Jahren 44 Meldungen über die Nicht-Verfügbarkeit bzw. die fehlerhafte Inbetriebnahme sicherheitsrelevanter Komponenten, während es bei der 4. DWR-Generation nur 13 waren.

Die Betrachtung der gesamten Betriebsdauer und alle Vorkommnisse ergibt das gleiche Bild: Während es bei den zuletzt in Deutschland errichteten Atomkraftwerken durchschnittlich vier meldepflichtige Ereignisse pro Jahr gab, waren es bei den Altmeilern Biblis A und B, Unterweser und Neckarwestheim-1 im Mittel zwölf pro Jahr bzw. jeden Monat ein meldepflichtiges Ereignis.

Vergleichbar ist das Bild auch bei den Siedewasserreaktoren. Die Anlagen der Uralt-Baulinie ′69 (Philippsburg-1, Isar-1, Brunsbüttel, Krümmel) meldeten im langjährigen Mittel rund dreimal so viele Ereignisse wie die später errichteten Siedewasserreaktoren.

Nach Angaben des IPPNW-Atomexperten Henrik Paulitz überlagern sich bei den Altanlagen zwei Effekte: Die meist schlechteren Werkstoffe und die längere Betriebsdauer und somit die längere Belastung der Materialien und Komponenten. "Unsere Auswertung lässt keinen Zweifel daran, dass die besonders alten Atomkraftwerke besonders häufig sicherheitsrelevante Vorkommnisse melden müssen", so Paulitz. "Besonders erschreckend sind die 35 Meldungen über Risse, Befunde und Leckagen in den alten Druckwasserreaktoren. Diese hatten aufgrund ihrer Lage oder Größe zum Glück keine schwerwiegenden Folgen. Wenn man jedoch bedenkt, dass bereits kleine Leckagen im Bereich des Reaktorkühlkreislaufs in allen Sicherheitsstudien zu den größten Super-GAU-Risiken zählen, dann ist unmittelbar nachvollziehbar, dass man diese altersschwachen Atommeiler umgehend stilllegen muss."

Die IPPNW fordert die Bundesregierung und die betreffenden Bundesländer dazu auf, anstelle von Laufzeitverlängerungen vielmehr die sofortige Stilllegung der Druckwasserreaktoren Biblis A, Biblis B, Unterweser und Neckarwestheim-1 sowie der Siedewasserreaktoren Philippsburg-1, Isar-1, Brunsbüttel und Krümmel zu beschließen.

Weitere Informationen: "AKW-Störfallauswertung der IPPNW" mit vier aufschlussreichen Grafiken

http://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomenergie/2010-06-02_AKW-Stoerfallauswertung_der_IPPNW.pdf

www.ippnw.de/atomenergie



Über die IPPNW:

Diese Abkürzung steht für International Physicians for the Prevention of Nuclear War. Die Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges engagieren sich seit 1982 für eine Welt ohne atomare Bedrohung und Krieg. 1985 wurden sie dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Seit 1990 stehen zusätzlich gesundheitspolitische Themen (z.B. Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Papiere, Zugang zu lebensnotwendigen Medikamenten) auf dem Programm des Vereins. In der IPPNW sind rund 7.000 ÄrztInnen und Medizinstudierende organisiert.


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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - Deutsche Sektion der
Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, 04.06.2010
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Sven Hessmann, Pressereferent
Tel.: 030-69 80 74-0, Fax: 030-69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2010