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ENERGIE/1338: Ende des Booms in Sicht? - Ansprüche an den Bioenergie-Sektor steigen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009

Ende des Booms in Sicht?
Die Ansprüche an den Bioenergie-Sektor steigen

Von László Maráz


Wer die Berg- und Talfahrt der Diskussion um das Thema Bioenergie verfolgt hat, den beschlich manchmal das Gefühl, es handle sich um eine reine Glaubensfrage. Den euphorisch geäußerten Hoffnungen der Befürworter folgten sobald deprimierende Nachrichten der Kritiker. Von den einen als Klimaretter und Garant für dauerhaft erschwingliche Spritpreise gepriesen, von anderen als Ursache von Regenwaldzerstörung und Hungerkrisen gescholten: beide Seiten überboten sich mit ihren Aussagen in einer Art Wettstreit um die besten Schlagzeilen.

Der Rauch hat sich inzwischen ein wenig verzogen. Denn nur zu deutlich wurde, dass auch die Potenziale von Bioenergierohstoffen begrenzt sind und unseren Energiehunger höchstens zu zehn Prozent stillen können, wie der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen in seinem Hauptgutachten vermeldet(1). Ebenso deutlich wurde aber auch, dass es bei weitem nicht allein der Biokraftstoffproduktion anzulasten ist, wenn in Indonesien, Malaysia oder Brasilien verstärkt Ölpalmen- oder Zuckerrohrplantagen angelegt werden, denn immer noch wird der allergrößte Teil etwa von Palmöl für die Nahrungsmittelindustrie erzeugt. Auch die Fleischproduktion nimmt viel mehr Ressourcen (Boden, Wasser, Energie) in Anspruch und der Slogan Tank oder Teller könnte wieder in den alten Slogan "Fleisch frisst Menschen" umbenannt werden.

Inzwischen haben wir in Deutschland und in der Europäischen Union Beimischungsquoten für Biokraftstoffe und die Bundesregierung hat Nachhaltigkeitsverordnungen für Biomassestrom und Biokraftstoffe erlassen, deren Einhaltung im kommenden Jahr verbindlich ist. Entwickelt wird derzeit ein System, mit dem die Einhaltung der bisherigen Nachhaltigkeitskriterien überprüft werden kann. Mit dieser Biomassezertifizierung soll ebenfalls im kommenden Jahr begonnen werden.

Die Bioenergieträger müssen nun beweisen, dass ihre umwelt- und sozialverträgliche Erzeugung möglich ist. Und angesichts der sich häufenden Vorfälle um Landrechtskonflikte oder Umweltschäden bei der Produktion von Palmöl oder Zucker steht auch die Bioenergiepolitik der EU und der Bundesregierung unter verschärfter Beobachtung.


Aktionsplan Erneuerbare Energien

Bis Mitte 2010 muss jeder EU-Mitgliedstaat einen Aktionsplan Erneuerbare Energien vorlegen, in dem Maßnahmen und genaue Angaben zur Erreichung der nationalen Zielsetzungen festgeschrieben sind. Die Mitgliedstaaten müssen dazu genaues Datenmaterial bereitstellen und Maßnahmenpakete schnüren, mit denen sie darlegen wie sie ihre Ziele erreichen wollen. Bis Ende Dezember 2009 muss jedes Land eine Voreinschätzung über den Anteil der Erneuerbaren Energien, Überkapazitäten und Bedarf aus Drittländern nach Brüssel zu melden. In Abstimmung mit der EU sollen dann entsprechende Ergänzungen und Korrekturen erfolgen, um beispielsweise sicherzustellen dass der angestrebte Import von Biomasse durch entsprechende Exportmengen im Herkunftsland abgedeckt ist.

Die Bundesregierung hatte mit der Erstellung des Biomasseaktionsplans einen ersten Schritt getan. Im September wurde auch ein Aktionsplan zur Stofflichen Nutzung von Biomasse nachgelegt, in dem unter anderem auf die deutlich höheren CO2-Einsparungen hingewiesen wird, die Verfahren zur stofflichen Nutzung von Holz im Vergleich zu energetischen Nutzungspfaden bewirken können. Doch diese Pläne bieten noch keine konkreten Konzepte und Maßnahmenpakete zur Umsetzung dieser Ziele. Die Konkretisierung soll nun unter Federführung des BMU und des BMELV erfolgen. Seitens der Plattform "Nachhaltige Biomasse" wurde bereits eine Beteiligung und Mitgestaltung an diesem Prozess eingefordert.


Indirekte Landnutzungsänderungen

Die EU-Kommission will entsprechend der Erneuerbaren Energien Richtlinie (EERL) einen Bericht über die Auswirkungen von indirekten Landnutzungsänderungen vorlegen. Hierin soll auch über die dadurch verursachten Treibhausgasemissionen berichtet werden (die entstehen, wenn etwa eine vom Zuckerrohranbau verdrängte Rinderfarm in den Amazonasurwald verlagert wird), sowie über Maßnahmen, diese zu minimieren. Dieser Bericht muss bis Dezember 2010 vorliegen, doch die Kommission hat sich zum Ziel gesetzt den Bericht bis März 2010 fertigzustellen, damit die Mitgliedstaaten dessen Ergebnisse in der Entwicklung ihrer Nationalen Aktionspläne Erneuerbare Energien berücksichtigen können.


Mobilität und Bioenergie

Die Bundesregierung setzt mit ihrer Strategie zur Erreichung des 10% Prozent-Ziels im Verkehrssektor vor allem auf Biokraftstoffe (Biokraftstoffquotengesetz). Laut der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der EU können für das 10%-Ziel der Gesamtenergieverbrauch von Ottokraftstoff, Dieselkraftstoff, Biokraftstoff (inkl. Biogas) und Elektrizität sowohl im Straßenverkehr als auch im Schienenverkehr geltend gemacht werden. Das heißt, dass alle Arten von Energie aus erneuerbaren Quellen zu berücksichtigen sind, die in allen Formen von Verkehrsträgern verbraucht werden (ausgenommen Schiffs- und Flugverkehr).

Schon aufgrund der häufug negativen sozialen und ökologischen Auswirkungen der Biokraftstofferzeugung ist es wünschenswert, ökologischere Energien zu fördern, die dann beispielsweise in der Verstärkung der Markteinführung von Elektrofahrzeugen auf Basis erneuerbarer Energien (darunter fallen übrigens nicht nur Autos) oder die Ausweitung der Nutzung von regenerativem Strom im Schienenverkehr (Bahn und Straßenbahn) liegen können. Für die Verbände bieten sich also verschiedene Möglichkeiten, sich mit ihrer Expertise und Empfehlungen an die Bundesregierung zu wenden und möglichst realistische Maßnahmen einzufordern, mit denen die Ziele der EERL erreicht werden können, ohne dass Mensch und Natur auf der Strecke bleiben.


Automobilindustrie im Rückwärtsgang

Doch viele Bemühungen, den Klimaschutz voranzubringen und die Umweltschäden etwa durch den Verkehrssektor zu senken, werden durch den hohen Verbrauch von Fahrzeugen zunichte gemacht. Zum Start der Internationalen Automobilausstellung IAA haben Umweltverbände wie Greenpeace, NABU und BUND die Modellpolitik der Hersteller heftig kritisiert. Anstelle von Verbrauchssenkungen werden protzige Fahrzeuge präsentiert, die schon wegen ihres Gewichtes und zu starker Motoren zwangsläufig viel Kraftstoff verbrauchen. Die leicht sinkenden Ölpreise verlocken zusätzlich zum Kauf von Spritfressern, obwohl absehbar ist, dass manche Kunden sich den Betrieb solcher Fahrzeuge bald nicht mehr werden leisten können - ganz abgesehen vom Klimaschutz, der bei solchen Spritztouren auf der Strecke bleibt. Auffällig ist, dass die Hersteller kaum noch mit dem Thema Biokraftstoffe werben, deren Image längst unter die Räder gekommen ist.

BUND-Verkehrsexperte Werner Reh stellt fest, dass auf der IAA den Besuchern erneut die rosige Vision einer ungebrochenen Mobilität ausgemalt wird. Das sei völlig unrealistisch, deshalb sei die Messe "der fortgesetzte Versuch, die Öffentlichkeit gezielt zu täuschen." Schon heute geht ein Fünftel der Erderwärmung auf das Konto des Verkehrs, mit steigender Tendenz. Um den Erfordernissen des Klimaschutzes gerecht zu werden, nannte Reh für das Jahr 2020 ein Ziel von 80 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer als maximalen Durchschnittswert der Neuwagenflotte aller Hersteller. Damit die realen CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs 2020 um 25 Prozent geringer ausfallen als heute, müsste der Durchschnittswert deutscher Neuwagen von derzeit 165 Gramm pro Kilometer mindestens halbiert werden. Da hilft es auch nicht, wenn die Firmen versuchen, ihr Umweltimage mit dem Bau von Elektroautos aufzupolieren. Zum Erreichen der Klimaziele können Elektroautos lediglich rund zwei Prozent beitragen. Abspecken und die bereits erprobten Neuerungen wären da deutlich billiger und effektiver.

Der Autor ist Koordinator [der] Plattform "Nachhaltige Biomasse"

(1) Das Gutachten ist unter www.wbgu.de erhältlich


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2009, S. 22-23
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. November 2009