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ENERGIE/1419: Ausbau dezentraler Speicher in der Verantwortung der Stromverbraucher (Solarbrief)


Solarbrief 1/2011
Zeitschrift des Solarenergie-Fördervereins Deutschland e.V.

Wo sollen Stromspeicher untergebracht werden?
Ein Plädoyer für den Ausbau dezentraler Speicher in der Verantwortung der Stromverbraucher

Von Wolf von Fabeck - 01.03.2011, aktualisiert am 07.03.2011


Ein großer wirtschaftlicher Vorteil der Elektrifizierung ist die ständige - am Bedarf orientierte - Verfügbarkeit. Diesen Vorteil sollte man bei der Umstellung auf Erneuerbare Energien möglichst beibehalten. Die voraussichtlichen Hauptträger der Erneuerbaren Energien in Deutschland, nämlich Windenergie im Binnenland und Solarenergie auf Dach- und Fassadenflächen haben den großen Vorteil, dass sie vorwiegend in der Nähe der Verbraucher erzeugt werden können. Deshalb benötigen sie wenig Netzausbau. Aber sie haben den Nachteil, dass sie von den Jahreszeiten und vom Wetter abhängig sind und dass sie nicht steuerbar eingesetzt werden können. Die Verbraucher könnten mit dieser bereitgestellten "volatilen" Leistung wenig anfangen.

Der Umstieg auf Erneuerbare Energien setzt deshalb einen massiven Speicherausbau voraus. Im Idealfall wird man die Erneuerbaren Energien so ausbauen, dass ihre regionale jährliche Durchschnittsleistung dem durchschnittlichen regionalen Verbrauch der Verbraucher entspricht. Auf einen Zuschlag aus Sicherheitsgründen darf man dabei nicht verzichten.

Dann könnte man solare und windbedingte Energieüberschüsse zur Auffüllung der Stromspeicher nutzen und die Stromversorgung bei schwacher Sonnen- und Windleistung aus den Energiespeichern unterstützen oder fortsetzen.

Wie groß die zu speichernden Strom-Mengen und -Leistungen sind, ergibt sich aus der Tatsache, dass die Höchstleistung von Solar- und Windanlagen ein Vielfaches (das 10 bis 5 fache) der benötigten Durchschnittsleistung betragen.


Lösungsvorschläge

Drei Lösungsvarianten sind in der Diskussion

Stromspeicher zentral durch die Stromwirtschaft erstellen lassen
Stromspeicher bei den Betreibern der Erneuerbaren-Energien-Anlagen einrichten
Stromspeicher bei den Verbrauchern einrichten lassen.

Sicherlich wird jede dieser Lösungsmöglichkeiten in Angriff genommen werden, doch geht es im vorliegenden Beitrag darum, herauszufinden, wo wir die besten Erfolgsaussichten, den Schwerpunkt der künftigen Anstrengungen sehen. In Verbindung mit der Elektrifizierung des Autoverkehrs werden derzeit große Fortschritte bei der Entwicklung aufladbarer Batterien gemacht. Solche Batterien könnten - in Verbindung mit der entsprechenden Hardware (Gleichrichter, Wechselrichter) sowohl im Keller von Solarstromerzeugern als auch in den Kellern der Endverbraucher aufgestellt werden. Beides wären dezentrale Lösungen, deren Vor- und Nachteile weiter unten abgewogen werden soll. Doch zunächst zur zentralen Lösung:


Zentrale Lösung?

Zumeist wird die zentrale Lösung diskutiert. Die Stromwirtschaft plant an einigen Orten Deutschlands den Bau großer Pumpspeicherkraftwerke. Dagegen wehren sich Landschafts- und Naturschützer.

In technischer Sicht haben Pumpspeicherkraftwerke in der Tat den großen Nachteil, dass sie sehr viel Landschaft belegen, bzw. verbrauchen. Sogar altmodische PKW-Starterbatterien könnten 500 mal so viel Energie auf gleichem Raum speichern wie Pumpspeicherkraftwerke. Um die gleiche Energiemenge (knapp 1 kWh) unterzubringen, die in einer PKW-Starterbatterie gespeichert werden kann, müsste man vier Kubikmeter Wasser 100 Meter hoch pumpen.

Das größte Pumpspeicherkraftwerk Deutschlands in Goldisthal könnte Deutschland nur 8 Minuten lang mit Strom versorgen. Und viel Platz für weitere Pumpspeicherkraftwerke dieser Größe findet sich in Deutschland nicht.

Die hier aufgezeigten Nachteile sollten ausreichen, den Blick auf dezentrale Lösungen zu richten.


Dezentraler Speicherausbau bei den Erneuerbaren Energien (EE-Stromspeicher) oder bei den Endverbrauchern (Graustromspeicherung)?

(Mit Graustrom ist das jeweils an der Steckdose der Endverbraucher erhältliche Stromgemisch aus ökologischen und konventionellen Energiequellen gemeint.)

Die Frage, die hier angesprochen wird, lautet: Sollen die zukünftigen Stromspeicher in der Verantwortung der Endverbraucher oder in der Verantwortung der EEG-Stromerzeuger errichtet werden?

Erste Frage und Antwort: Wie groß ist jeweils das Potential? Die Zahl der Stromverbraucher ist erheblich größer als die Zahl der Betreiber der Erneuerbaren Energien. Das spricht für Stromspeicher in der Hand der Stromverbraucher.

Außerdem können die Stromverbraucher nicht nur Strom aus EE speichern, sondern auch Überschussstrom aus konventionellen Kraftwerken, z.B. Atomkraftwerken. Also nicht nur die Zahl der Speicher, sondern auch der Umfang ihres Einsatzes wäre erheblich größer.


Vergleich der Anreize bei EE-Stromspeichern und Graustromspeichern

Man kann davon ausgehen, dass die Speicherung von Strom in modernen wiederaufladbaren Batterien bei zusätzlichen Kosten etwa von 30 Cent/kWh liegen wird. Später werden die Kosten bei Massenproduktion vielleicht auf 12 Cent/kWh sinken. Stromspeichern würde sich also nur dann lohnen, wenn finanzielle Anreize in dieser Größenordnung geboten würden.

Ein Anreiz für EE-Stromspeicher im Haushalt des Solaranlagenbetreibers würde sich ergeben, wenn die Solarstromvergütung geringer wäre als der Preis des Graustroms an der Steckdose des Solaranlagenbetreibers. Das ist derzeit aber kaum der Fall. Ein anderer Anreiz könnte die Tatsache sein, dass vielerorts keine Solaranlagen mehr angeschlossen werden, weil der betroffene Netzzweig zur Haupteinspeisezeit überlastet ist. Hier müsste allerdings wegen der höheren Kosten der Speicherung ein gesetzlicher Zuschuss gewährt werden.

Ein Anreiz für Graustromspeicher ergibt sich aus dem Wegfall der Netzgebühren nach § 118 Abs.7 EnWG. Dieser beträgt für Haushaltskunden ca. 6 cent/kWh. Außerdem entfällt bei Strombezug aus Stromspeichern mit einer Größe unter zwei Megawatt die Stromsteuer in Höhe von 2 Cent/kWh nach dem Stromsteuergesetz.

§ 9 Steuerbefreiungen. Dort heißt es in Absatz 1 unter 3.
Strom, der in Anlagen mit einer elektrischen Nennleistung von bis zu zwei Megawatt erzeugt wird und
a) vom Betreiber der Anlage als Eigenerzeuger im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage zum Selbstverbrauch entnommen wird oder b) von demjenigen, der die Anlage betreibt oder betreiben lässt, an Letztverbraucher geleistet wird, die den Strom im räumlichen Zusammenhang zu der Anlage entnehmen

Ferner gibt es möglicherweise einen Preisunterschied zwischen Tagstrom und Nachtstrom bzw. einen günstigeren Bezugspreis, wenn man dem Verteilnetzbetreiber zeitweilige Abschaltung zugesteht. Ob sich beides addieren lässt, ist noch zu klären.


Der wichtigste Anreiz - Preise gemäß Angebot und Nachfrage

Den wichtigsten Anreiz zur Errichtung von Stromspeichern liefert das Instrumentarium der Marktwirtschaft selbst. Knappheit von Strom muss entsprechend der Marktgesetze zu einem hohen Strompreis führen, Überschüsse an Strom hingegen zu extrem niedrigen Strompreisen. Dieser Preis-Hub, der bisher nur am Spotmarkt der Strombörse zu beobachten ist, sollte unbedingt bis zum Endverbraucher durchgereicht werden. Einen besseren Anreiz zum Betreiben von Stromspeichern kann man sich wohl kaum vorstellen.


Verantwortlichkeit für die Speicher

Die ständige Verfügbarkeit von Strom stellt einen wirtschaftlichen Wert dar. Dieser Wert ist je nach Anwendungszweck unterschiedlich hoch. Zwei Extrembeispiele mögen das verdeutlichen

• Eine Notoperation darf auf keinen Fall durch den Ausfall der Beleuchtung oder der notwendigen Operationshilfen unterbrochen werden.

• Der Betrieb eines Kettenkarussells wird nicht gefährdet, wenn der Strom ausfällt.

Im ersten Fall ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die technische Leitung des Krankenhauses einen ausreichenden Notstromvorrat in einem geeigneten Speicher bereithält. Im zweiten Fall wird der Betreiber auf die zusätzliche Ausgabe für einen Notstromantrieb gerne verzichten. Bei Regen und Windstille bleibt das Karussell zukünftig dann eben stehen.

Wie viel dem Verbraucher die ununterbrochene Verfügbarkeit von Elektrizität wert ist, kann er selbst am besten entscheiden. Diese Überlegung ist ein weiteres Argument dafür, die Verantwortung für die Stromspeicherung nicht einer Zentrale sondern dem Verbraucher selber zu überlassen und ihn dabei durch die notwendigen Rahmenbedingungen und Techniken zu unterstützen.


Schlussfolgerung:

Sowohl des zukünftige Potential als auch die Anreizmöglichkeiten sind bei Graustromspeichern in Verbraucherhand günstiger. Hinzu kommt die Tatsache, dass die derzeitige Regierung eher bereit sein dürfte, die Graustromspeicherung zu unterstützen als die EE- Stromspeicherung.

Dezentrale Speicher dürfen deshalb nicht nur in Verbindung mit Solaranlagen oder Elektroautos gedacht werden!


Was will der SFV unternehmen?

Wir wollen Speicher-Werbung machen, so konkret wie möglich. Dazu suchen wir nach interessanten Anregungen, schriftlichen Beiträgen und technischen Lösungsvorschlägen.


Dipl.-Ing. Wolf von Fabeck ist Geschäftsführer des Solarenergie-Fördervereins (SFV), Aachen, und Träger des Solarpreises 2005.


Viele Artikel aus dem Solarbrief befinden sich, neben der Möglichkeit, die Zeitschrift im PDF-Format vollständig herunterzuladen, auch als eigener Beitrag auf www.sfv.de. Da diese zum Teil ständig aktualisiert werden, empfiehlt sich bei Interesse ein zusätzlicher Blick auf die SFV-Website.

http://www.sfv.de/artikel/wo_sollen_stromspeicher_untergebracht_werden.htm


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Quelle:
Solarbrief 1/2011, April 2011, S. 31-32
Herausgeber:
Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. (SFV)
Bundesgeschäftsstelle
Frére-Roger-Straße 8-10, 52062 Aachen
Tel.: 0241/51 16 16, Fax: 0241/53 57 86
E-Mail: zentrale@sfv.de
Internet: www.sfv.de

Einzelpreis: 6 Euro
Erscheinungsweise: vierteljährlich


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. April 2011