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ENERGIE/1467: Stadtwerke und ihr Verhältnis zur Offshore-Windenergie (Solarzeitalter)


Solarzeitalter 2/2012
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien

Stadtwerke mit Erneuerbaren Energien und ihr Verhältnis zur Offshore-Windenergie

von Dieter Attig



Stadtwerke spielen bei der Energiewende eine besondere Rolle. Dabei soll der Name Stadtwerke als ein Sammelbegriff für örtlich orientierte Energie- und Wasserversorgung gelten. Auch Zusammenschlüsse von Werken verschiedener Gemeinden fallen darunter.

Stadtwerke sind Wirtschaftsunternehmen. Sie dienen den Eignerkommunen dazu Infrastrukturleistungen zu erbringen und gleichzeitig Erträge für die kommunalen Finanzen zu erwirtschaften. Zunehmend wird von den Stadtwerken auch ein ökologischer Beitrag erwartet. Die in Deutschland ausgerufene Energiewende soll in besonderem Maße von den dezentralen Energieversorgern getragen werden. Dies hat im Wesentlichen zwei Hintergründe:

  1. Mit dem Vormarsch der Erneuerbaren Energien und der Kraft-Wärme-Kopplung wird die Energieversorgung zunehmend dezentraler.
  2. Die ökologischen Zielsetzungen lassen sich am sinnvollsten örtlich umsetzen. Hilfreich ist für die kommunalen Entscheidungsgremien, dass man Vorbildfunktionen übernehmen kann oder sich an anderen fortschrittlichen Gemeinden messen lassen muss.
Ausprägungen der Erneuerbaren Energien

In den nächsten zwei Jahrzehnten wird die Energiewende vorrangig von den örtlichen Erneuerbaren Energien getragen. Die Aussage, man solle Erneuerbare vorrangig dort nutzen, wo die Rahmenbedingungen deutlich günstiger als in Deutschland sind, berücksichtigt nicht die Transport- und Finanzierungsprobleme. Deshalb werden für die kommenden 20 Jahre Photovoltaik und Onshore-Windkraft die Hauptpfeiler der Erneuerbaren Energien in Deutschland sein. Die Nutzung von Biomasse ist begrenzt und wirft bei immer stärkerer Nutzung Probleme auf. Wasserkraft spielt in Deutschland keine große Rolle. Die meisten interessanten Potentiale werden bereits genutzt. Geothermie zur Stromerzeugung wird auf Jahrzehnte hinaus noch sehr teuer sein. Eine gewisse Bedeutung wird dieser Energieart bei der Raumheizung zukommen. Der Ferntransport von Erneuerbaren Energien aus anderen europäischen Ländern und aus der Mittelmeerregion nach Deutschland wird erst relativ spät einen bedeutenden Beitrag leisten. Die aktuelle Studie des Bundesumweltministeriums Erneuerbare Energien Langfristszenarien sieht den Anteil dieser importierten Energiemengen in 2030 bei 5% und in 2050 bei ca. 15%.

Auch die deutschen Offshore-Windanlagen haben mit Transportproblemen zu kämpfen. Die Entwicklung geht langsamer voran als gedacht. Durch die widrigen Rahmenbedingungen sind die Risiken der Anlagen auf dem Meer recht hoch. Auf längere Sicht reichen die Potentiale der Anlagen auf dem Land aus. Es sollte daher nicht unter Verweis auf mögliche Offshore-Ausbaumaßnahmen auf Onshore-Standorte verzichtet werden.

Die Stromerzeugung aus Wind und Sonne findet in Deutschland vorrangig in der Fläche und weniger in den großen Städten statt. Daher fällt den mittleren und kleineren Kommunen eine besondere Rolle bei der massiven Ausweitung der Erneuerbaren Energien zu. In den kommunalen Parlamenten werden hierzu die entscheidenden Weichen gestellt. In den Bundesländern mit Gemeindeordnungen, die den Kommunen Anreize und Möglichkeiten für den Ausbau gaben, ist der Anteil der Erneuerbaren Energien hoch. Schrittweise folgen jetzt weitere Bundesländer nach.

Die Photovoltaik ist aufgrund des einheitlichen Vergütungssatzes im EEG in den sonnenreichen Regionen Deutschlands stärker ausgeprägt. Dies gilt insbesondere für Freiflächenanlagen, deren massiver Ausbau jetzt richtigerweise gestoppt wurde. Da die Kostendegression der Photovoltaik weiterhin rasant verläuft, wird sie neben der Windenergie künftig den zweitwichtigsten Baustein bei der Entwicklung der Erneuerbaren Energien in Deutschland darstellen. Die aktuell beschlossenen großen Kürzungen der Einspeisevergütungen für diese Energieart sind daher sehr kritisch zu sehen. Um ein Abwürgen dieses wichtigen Pfeilers der Energiewende zu verhindern, dürfen weitere Kürzungen nur mit Augenmaß erfolgen. Außerdem sollte über einen standortabhängigen Bonus nachgedacht werden.

Durch die technische Weiterentwicklung der Photovoltaik wird es künftig noch stärker möglich sein Bauwerke als Modulträger einzusetzen. Dünnschichtmodule, Bedampfungen, integrierte Bauelemente usw. werden für weitere Kostensenkungen sorgen. Die Kommunen müssen nicht nur mit ihren öffentlichen Bauten Vorbild sein, sondern durch Beratung und Förderung auch ihre Bürger motivieren.

Die entscheidende Stütze der Energiewende wird die Onshore-Windenergie sein. Erhebliche Zusatzpotentiale entstehen aus dem sog. Repowering (Ersatz durch größere Anlagen am gleichen Standort) und aus der Erschließung von Standorten in den Bundesländern, die bisher mit der Windkraft restriktiv umgegangen sind.

Die Entwicklung der Windkraftanlagen geht dahin, dass in wenigen Jahren die Anlagen der Klasse 5 MW mit Nabenhöhen über 100 m wirtschaftlich errichtet werden können. Entscheidender Vorteil dieser Anlagen ist die Möglichkeit, bei diesen Höhen Waldgebiete als Standorte nutzen zu können. Der Einfluss der Windanlagen auf den Menschen ist in Waldgebieten am geringsten, und die Einwirkung auf das natürliche Umfeld besteht im Wesentlichen nur darin, dass Transportwege für die großen Anlagen gebaut werden müssen.

Durch die Größe der Anlagen wird die Zahl der Standorte reduziert und die Windausbeute gesteigert sowie vergleichmäßigt. Die Kosten der Windenergie werden damit weiter fallen. Die Ausbauziele der Bundesregierung mit einem Anteil der Erneuerbaren Energien im Strombereich von 35% in 2020 sind erreichbar. Die o.g. Studie des BMU sieht sogar noch höhere Prozentsätze als machbar an.

Bei der Durchsetzung dieses Ausbauszenarios fällt den Kommunen eine große Verantwortung zu. Gerade mittlere und kleinere Kommunen können durch Nutzung der wirtschaftlichen Vorteile bei der Standortausweisung und -durchsetzung entscheidend zur Erreichung der Ausbauziele beitragen.

Kraft-Wärme-Kopplung als Ergänzung der Erneuerbaren Energien

Strom aus Sonne und Wind steht nur stark fluktuierend zur Verfügung. Die Erzeugungslücken müssen langfristig durch Speicher ausgeglichen werden, die aber erst in 10 bis 20 Jahren in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. In dem Zeitraum bis 2030 findet jedoch der massive Ausbau der Erneuerbaren Energien statt, der die Energiewende ermöglicht. Für diese Übergangszeit müssen die Stromtäler durch konventionelle Kraftwerke gefüllt werden. Hierzu sind Kohlekraftwerke nur bedingt geeignet. Es werden daher verstärkt Gaskraftwerke mit schneller Regelbarkeit nachzubauen sein. Die durch das Anwachsen der Erneuerbaren Energien verursachte Begrenzung der Strompreise an der Börse bei gleichzeitig steigenden Erdgaspreisen macht den Bau großer Gaskraftwerke auf absehbare Zeit unwirtschaftlich. Hier bietet sich die erdgasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplung in allen Größenklassen an, um auf wirtschaftliche Art und Weise die Kapazitätslücke zu verringern.

Durch den Deckungsbeitrag der Wärme, der bei wachsenden Gaspreisen größer wird, ergibt sich ein Vorteil gegenüber den nur Strom erzeugenden Gaskraftwerken. Der Zuschuss aus dem KWK-Gesetz ist durch die hohe Effizienz der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) begründet. Hier sind die Beihilfen besser angelegt als wenn Gaskraftwerke in sog. Kapazitätsmärkten unterstützt werden, um Stromengpässe zu vermeiden.

KWK erfordert Wärmeabnehmer. Die großen Fernwärmenetze mit ihren langen Amortisationszeiten lassen sich nur noch begrenzt ausweiten. In den Fernwärmegebieten wird die Verdichtung der Fernwärmeversorgung ggf. mit Rückbau vorhandener Gasnetze so viel neues Potential bringen, dass der Absatzverlust durch Wärmedämmung in etwa ausgeglichen werden kann.

In kleinen Gemeinden und in den Außenbezirken größerer Städte lassen sich dagegen noch preiswerte Nahwärmenetze bauen. Hier sind neue Wärmepotentiale für die Kraft-Wärme-Kopplung zu erschließen. Eine Ergänzung stellt auch die völlig dezentrale Kraft-Wärme-Kopplung in Form der sog. stromerzeugenden Heizungen dar. Zwar ist das Potential gegenüber der großen Fernwärmeversorgung beschränkt, es entsteht jedoch gegenüber der reinen Gasheizung noch ein ökologischer Vorteil. Nicht zu vernachlässigen ist die industrielle Kraft-Wärme-Kopplung und die Kraft-WärmeKopplung in großen Gebäudekomplexen wie Krankenhäusern, Verwaltungsgebäuden usw. Hier sind die Kommunen in besonderer Weise gehalten ihren Einfluss in Richtung effiziente Energieversorgung geltend zu machen.

Neugründung und Erweiterung kommunaler Werke

Nach Abkehr von der vorrangig zentralen Energieversorgung sehen viele Kommunen, die keine eigenen Stadtwerke besitzen oder nur einzelne Versorgungssparten betreiben, die Möglichkeit eigene Stadtwerke aufzubauen oder zu erweitern. Soweit Stadtwerke in den letzten Jahren verkauft wurden, geht vielerorts die Tendenz dahin wieder Werke mit kommunalen Mehrheiten zu schaffen. Durch diesen Trend werden in Zukunft besonders die interessanten Konzessionen für die Regionalversorger verloren gehen. Durch die drohende Entwertung der Regionalunternehmen der großen Energiekonzerne kommen mehr und mehr auch Angebote zum Rückkauf dieser Energieversorgungsunternehmen auf den Markt. Hierbei ist zu beachten, dass eine Kommune nicht nur Finanzanteile an einem großen Versorger, der sich anschließend kommunal nennt, erwerben sollte, sondern auch das Recht erhält eigenen Strom- und Gasvertrieb sowie eigene Stromerzeugung durchzuführen.

Die Gründung eigener Stadt- oder Gemeindewerke ist derzeit sehr wirtschaftlich. Die Netze bringen zwar keine hohen Renditen, jedoch sind demgegenüber die Zinsen so niedrig, dass sich gute Ergebnisse erzielen lassen. Das KWK-Gesetz und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) machen in den nächsten Jahren die dezentrale Erzeugung deutlich wirtschaftlicher als die Errichtung von Großkraftwerken. Auch der Energievertrieb, der durch zunehmende Wechselraten risikoreicher wird, lässt sich durch die örtliche Ansprache der Kunden stabilisieren. Die derzeit günstigen Bedingungen für Stadtwerke müssen jetzt ausgenutzt werden. In zehn Jahren kann sich das Fenster bereits wieder geschlossen haben.

Die Offshore-Problematik für die Kommunen

Wie ausgeführt wird die Energiewende durch örtliche dezentrale Energieerzeugung getragen und insbesondere durch die Onshore-Windanlagen. Offshore-Windanlagen sind vom Prinzip her zentrale Erzeugungsanlagen. Die knappen Mittel für die Energiewende sollten bis auf weiteres vor Ort eingesetzt werden. Es bestehen jedoch auch für Kommunen Möglichkeiten einer Beteiligung an Offshore-Windanlagen durch Gemeinschaftskraftwerksprojekte. Bei kaum höheren Renditen der Offshore-Anlagen sind die Risiken aus Technik und Transport jedoch deutlich höher als bei Onshore-Anlagen. Der Weg der Beteiligung sollte daher nur beschritten werden, wenn örtlich keine interessanten Projekte der Erneuerbaren Energien oder der Kraft-Wärme-Kopplung in ausreichendem Maße vorhanden sind. Das trifft beispielsweise zu, wenn Großstädte ihre Ziele der Energiewende durch örtliche Anlagen nicht umsetzen können und daher eine Ergänzung ihres Portfolios an umweltfreundlichen Energien benötigen.

Bürger sind zunehmend bereit unter den Aspekten der Anlagesicherheit und der Nachhaltigkeit Geld in umweltfreundliche Erzeugungsanlagen zu investieren. Hier wird auch für eine Beteiligung an weit entfernten Anlagen beliebiger Investoren und an Offshore-Windanlagen geworben. Das Stadtwerk sollte alles daransetzen diese Gelder in örtliche Projekte zu lenken. Es besteht ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Bürgern und "ihren" Stadtwerken. Die Kommunen sind damit aufgefordert mit eigenen Stadtwerken und einer großzügigen Genehmigungspraxis für dezentrale Erzeugungsanlagen ihre örtlichen Erzeugungspotentiale zu heben und damit die Energiewende voranzutreiben.

Dr. Dieter Attig war bis Dezember 2011 Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Saarbrücken. Er erhielt aufgrund seines langjährigen, persönlichen Engagements den Sonderpreis beim Deutschen Solarpreis 2011.

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Quelle:
Solarzeitalter 2/2012, 24. Jahrgang, S. 69-72
Politik, Kultur und Ökonomie Erneuerbarer Energien
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2013