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EUROPA/280: Biozide - Umweltverbände kritisieren Parlamentsabstimmung (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Mittwoch, 22. September 2010

Biozide: Umweltverbände kritisieren Parlamentsabstimmung


Das EU-Parlament hat in erster Lesung über die Biozid-Verordnung abgestimmt. Umweltverbände protestieren gegen die schwachen Vorgaben.

Ursprüngliches Ziel der neuen Regelung über das Inverkehrbringen von Schädlingsbekämpfungsmittel, Haushaltsinsektiziden, Holzschutzmitteln oder Desinfektionsmitteln war, derlei Biozid-Produkte sicherer und umweltfreundlicher zu machen und sie schneller EU-weit auf den Markt bringen zu können. Doch ein breites Bündnis aus Umwelt- und Gesundheitsorganisationen bezweifelt, dass dies geglückt ist. Die neuen Vorgaben seien unausgewogen und fielen hinter andere Regelungen wie die EU-Chemikalienverordnung REACH oder die Pestizidverordnung zurück. "Das Parlament erlaubt mit der EU-weiten Vertreibung nahezu aller Biozidprodukte ein überdimensioniertes Experiment an Umwelt und BürgerInnen, weil die mit Bioziden verbundenen Risiken nicht ausreichend beachtet werden", kritisierten das Pestizid-Aktions-Netzwerk (PAN), die Gesundheitsorganisationen HEAL und HCWH, die Umwelt- und Frauenorganisation WECF und das Europäische Umweltbüro.

In der ersten Lesung haben die EU-ParlamentarierInnen für eine einheitliche zentralisierte EU-weite Zulassung von Schädlingsbekämpfungsmitteln gestimmt, die stufenweise eingeführt werden soll. Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) soll beauftragt werden, Anträge für neue Biozid-Produkte und solche mit niedrigem Risikopotenzial ab 2013 und die meisten anderen Biozidprodukte ab 2017 zu bewerten. Jedoch sollen Mitgliedstaaten weiter über Produkte entscheiden dürfen, die möglicherweise die größten Gesundheitsrisiken bergen. Auch zusätzliche Kontrollen über die Verwendung von auf EU-Ebene zugelassenen Produkten können die Mitgleidstaaten verhängen. Die giftigsten Chemikalien sollen prinzipiell verboten werden, insbesondere Stoffe, die krebserregend, fruchtbarkeitsschädigend oder genverändernd wirken. Jedoch gibt es hierfür Ausnahmeregelungen. Neben einer Verpflichtung für Unternehmen, Daten auszutauschen, um doppelte Tierversuche zu vermeiden, sollen Nanopartikel in Biozidprodukten separat bewertet werden. Der Bericht der Berichterstatterin Christa Klaß (Konservative, Deutschland) wurde mit 550 Ja-Stimmen bei 22 Nein-Stimmen und 80 Enthaltungen angenommen.

Mehr als 50.000 Biozid-Produkte würden jährlich in der EU verkauft, obwohl Umwelt- und Gesundheitsrisiken bisher nur unzureichend erfasst seien, kritisierten die Verbände. Statt die Lücken der bisherigen Zulassungsregeln zu füllen, würden die Entscheidungen des Parlaments neue Schlupflöcher verursachen. Das Verbot hochgefährlicher und hormonell wirksamer Chemikalien werde durch zahlreiche vage Änderungsvorschläge und Ausnahmeregelungen verwässert, auch bei sicheren Alternativen müssten diese nicht in jedem Fall ersetzt werden. Unternehmen kämen bei der Zulassung von Biozidprodukten weiterhin um die Lieferung ausreichender Daten über Risiken für Schwangere und Kinder sowie aquatische Ökosysteme herum. Und wie groß die Flexibilität der Mitgliedstaaten sei, EU-weit autorisierte Produkte innerhalb ihrer Grenzen zu verbieten, bleibe weiter unklar. Ausdrücklich begrüßt wurde die Einführung von separaten Bewertungen für Nanopartikel sowie die verpflichtende Kennzeichnung von Nano-haltigen Produkten zur Information der VerbraucherInnen. Die Umweltverbände forderten den Umweltrat auf, in seiner ersten Lesung die Versäumnisse des Parlaments wieder aufzuheben. [jg]


Empfehlungen zur Biozid-Verordnung von Nichtregierungsorganisationen:
http://www.pan-germany.org/deu/~stellungnahmen.html

AnsprechpartnerInnen:

Christian Schweer (PAN Germany)
Tel. +49-40-3991910-27
Christian.Schweer[at]pan-germany.org

Anne Stauffer (HEAL)
Tel: +32 2 234 3643
anne[at]env-health.org

Anja Leetz (HWCH)
Tel. +49 - 6224 994 871
anja.leetz[at]hcwh.org


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Quelle:
EU-News, 22.09.2010
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2010