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EUROPA/358: Neues EU-Biozidrecht - Umweltverbände beklagen vertane Chancen (PAN)


Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN)
Health and Environment Alliance (HEAL)
Women in Europe for a Common Future (WECF)

Pressemitteilung - 19.01.2012

Neues EU-Biozidrecht
Umweltverbände beklagen vertane Chancen


Hamburg/Brüssel - Die heute vom Europaparlament verabschiedete Biozid-Verordnung (1) scheint ambitioniert. Europäische und deutsche Umwelt- und Verbraucherschutzverbände befürchten jedoch, dass notwendige Fortschritte für den Umwelt- und Gesundheitsschutz ausbleiben.

Die neue Gesetzgebung schließt die weitere Zulassung von Bioziden mit krebserregenden, erbgutverändernden, fortpflanzungsschädigenden, hormonschädigenden oder stark umweltgefährlichen (2) Eigenschaften in der EU aus. Allerdings schwächen viele Rückausnahmen diese Zulassungsverbote. Die Ausnahmeregeln reichen dabei wesentlich weiter Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany) als die 2009 für gefährliche Pestizide beschlossenen (3). Außerdem werden keine Substitutionspläne verbindlich vorgeschrieben, die den Ausstieg aus der Verwendung dieser gefährlichen Stoffe unterstützen, kritisieren das Pestizid Aktions-Netzwerk (PAN) Germany, PAN Europe and PAN UK, die Health and Environment Alliance (HEAL) und Women in Europe for a Common Future (WECF).

Susanne Smolka, Biozidexpertin von PAN Germany: "Wir sind besorgt über diese weit auslegbaren Ausnahmeregelungen und über das Fehlen von Substitutionsplänen, da so die Tür für die anhaltende Verwendung dieser gefährlichen Substanzen weit offen gehalten wird. In der Umsetzung wird es jetzt wichtig sein, die Öffentlichkeit zu beteiligen, um den Einsatz dieser hochgefährlichen Stoffe streng zu begrenzen."

Die Verbände sind enttäuscht darüber, dass der neuen Verordnung eine klare Ausrichtung hin zu einer nachhaltigen, dem Minimierungsgebot folgenden Verwendung von Biozid-Produkten fehle. "Es ist sehr bedauerlich, dass die Mehrheit der Mitgliedsstaaten Vorgaben im Gesetz blockiert hat, die die erheblichen Datenlücken zum EU-Biozidmarkt, zur Verwendung und zu den Belastungen durch Biozide hätten schließen und einen harmonisierten Gesetzesrahmen für die Verwendungsphase hätten initiieren können. Wir fordern die EU Kommission auf, sich schnellst möglich dieser Probleme anzunehmen", so die PAN-Biozidexpertin.(4)

Über die tatsächliche Größe des europäischen Biozidmarkts herrscht Ungewissheit und es gibt keine Vorschriften in der Verordnung, dies auf EU-Ebene zu ändern. Im Vergleich dazu sieht das Pestizidrecht die Entwicklung von Plänen für die nachhaltige Verwendung von Pestiziden im Pflanzenschutz vor und regelt die zeitnahe, einheitliche Erhebung von Markt- und Verwendungsstatistiken.

Gesundheitsexperten der Verbände sind besorgt, dass die Regelungen für einen Schutz der menschlichen Gesundheit nicht weit genug gehen. "Die neue Biozid-Verordnung bietet zu wenig Fortschritt für den Gesundheitsschutz. Besonders den wissenschaftlichen Hinweisen auf den Zusammenhang zwischen Antibiotika-Resistenzen und de ungezügelten und steigenden Einsatz von Bioziden wird keine Rechnung getragen, kritisiert Anne Stauffer, stellvertretende Geschäftsführerin der Health and Environment Alliance (HEAL). "Wir glauben, dass Verbraucher viel besser über die alltägliche Präsenz von Bioziden in vielen Gebrauchsprodukten, wie in Hygieneprodukten oder antibakteriellen Reinigungsmitteln informiert sein sollten und welche Alternativen es gibt", so die Expertin weiter.

Biozid-Produkte können hormonell wirksame Substanzen enthalten, die zukünftig nicht mehr zugelassen werden dürfen. Ihre gesundheitsschädigenden Eigenschaften werden stetig durch neue wissenschaftliche Studien untermauert. Eine schnelle Lösung sei nach Anne Stauffer jedoch nicht in Sicht, da zunächst die Europäische Kommission aufgefordert sei, entsprechende Kriterien für die Identifizierung dieser Umwelthormone festzulegen.

"Die Verordnung formuliert viele notwendige Maßnahmen für den Gesundheitsschutz, aber durch die vielen Ausnahmeregeln und das Fehlen von Maßnahmen zur Reduzierung des Biozideinsatzes, besteht das Risiko, dass die guten Ansätze aufgehoben werden", so Anne Stauffer.

Positiv hervorzuheben sind die Verbesserungen bei der Verbraucherinformation. So werden neue Kennzeichnungsvorschriften für Biozid-Produkte mit Nanomaterialien und für Gegenstände, die mit Bioziden ausgerüstet sind, festgeschrieben. Zusätzlich soll den besonderen Eigenschaften von Nanobioziden durch eine für sie zugeschnittene Risikoanalyse angemessen Rechnung getragen werden. Aus Sicht der Verbände ist dies ein wichtiger und vorbildlicher Schritt, um auf die möglichen neuen Risiken der Nanotechnologie zu reagieren.


Weitere Informationen:

Joint NGO recommendations for EP ENVI Committee's 2nd reading on the biocide regulation (COM (2009) 267), 06 September 2011:
http://www.pan-germany.org/download/biocides/NGO_recom_biocide-regulation_110906.pdf

PAN Germany (2011): Sustainable use of biocides in Europe - urgent need for action:
http://www.pan-germany.org/download/biocides/briefing_sustainable_use_of_biocides.pdf


http://www.pan-germany.org/download/presse/PI_NGO_Biozid-Reg_120119_de_Final.pdf


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Quelle:
Pressemitteilung, 19.01.2012
Pestizid Aktions-Netzwerk e.V. (PAN Germany)
(Pesticide Action Network - Germany)
Nernstweg 32, 22765 Hamburg
Tel. +49 (40) 399 19 10-0
E-Mail: presse@pan-germany.org
Internet: http://www.pan-germany.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2012