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FORSCHUNG/409: Im Reich der chemischen Zwerge - Risikoabschätzung von Nanopartikeln (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter April 2011

UFZ-Nachwuchswissenschaftlerin
Forscherin im Reich der chemischen Zwerge

Von Bettina Hennebach


Ob Medizin, Sportgeräte, Textilien, Kosmetika oder Lebensmittel - weltweit werden inzwischen über tausend Alltagsprodukte verkauft, die Nanopartikel enthalten. Die zunehmende Nutzung der Nanotechnologie hat

zur Folge, dass immer mehr der chemischen Teilchen in die Umwelt gelangen. Aus diesem Grund hat die Bundesregierung in ihrem kürzlich beschlossenen Aktionsplan "Nanotechnologie 2015" einen Schwerpunkt auf

die Risikoabschätzung und ökotoxikologische Bewertung von Nanopartikeln gelegt. Ihre biologisch relevanten Eigenschaften und die

damit verbundenen Gefahren für Mensch und Umwelt beschäftigen die UFZ-Nachwuchswissenschaftlerin Wibke Busch schon länger. "Bei einer Risikobewertung muss man sich immer fragen: Sind die Stoffe, in diesem

Fall die Nanopartikel, gefährlich und bin ich diesen Stoffen ausgesetzt? Die Aufgabe besteht also nicht nur darin, herauszufinden, ob bestimmte Partikel schädliche Wirkungen haben können, sondern man muss auch schauen, was tatsächlich bei Mensch und Umwelt ankommt. Nur so lässt sich in der Öffentlichkeit transparent machen, welche Konsequenzen mit der Nutzung von Produkten einhergehen, in denen Nanomaterialien enthalten sind.", erklärt sie.

Im Rahmen ihrer Doktorarbeit hat Wibke Busch untersucht, ob und inwieweit technische Nanopartikel, die zur Herstellung verschiedener Werkzeuge in der Hartmetall industrie verwendet werden, mit menschlichen Zellen interagieren und damit die Gesundheit der Arbeiter

beeinträchtigen könnten. Da die mikroskopisch kleinen Teilchen meist in Pulverform weiterverarbeitet werden, ist es möglich, dass sie bei nicht ausreichendem Atemschutz in die Lunge gelangen - und von dort aus in den gesamten Körper. Am Beispiel von Wolframcarbid (WC) und Wolframcarbid-Cobalt (WC-Co) konnte Wibke Busch in ihrer Dissertationsschrift beweisen, dass die unberechenbaren Zwerge tatsächlich in der Lage sind, in menschliche Lungen-, Haut- und Darmzellen einzudringen. "Weil sie so klein sind - ein Nanometer ist ein Milliardstel Meter - scheinen sich Nanopartikel in jede Zelle einschleusen zu können. Gleichzeitig können sie als Transportmittel für Chemikalien und andere Stoffe dienen, die sie an sich binden. Für Dieselruß ist eine solche Mixturwirkung bereits bekannt: Wie Aktivkohle binden die Rußpartikel Chemikalien, die sie dann in den Körper transportieren, wo diese giftig wirken können." Anhand ihrer Laboruntersuchungen wurde für Wibke Busch schließlich der ambivalente Charakter der Nanopartikel sichtbar: Während sich die WC-Partikel in den Zellen unauffällig verhielten, stellte sie bei den WC-Co-Nanopartikeln fest, dass sich Cobaltionen herauslösten und Schäden an den Zellen verursachten, welche in Kontrollversuchen mit reinem Cobalt nicht zu beobachten waren. Das Cobalt spielte also eine Schlüsselrolle für die Wirkung dieser Nanopartikel.

Da der Einsatz von Nanomaterialien aber nicht nur die menschliche Gesundheit betrifft, erforscht Wibke Busch momentan die möglichen Auswirkungen auf die Umwelt. Dabei arbeitet die Ökotoxikologin eng mit

dem UFZ-Department für Technische Umweltchemie zusammen. Dort werden Nanopartikel für die Abwasser- und Grundwasserreinigung entwickelt, die als Katalysatoren wirken sollen. Ihre Oberfläche ist so be schafen, dass sie giftige Chemikalien abf bauen können, während die Partikel selber nicht giftig sind. Vor dem Hintergrund ihrer Erkenntnisse zur Wirkung von Nanopartikeln auf die Gen-Regulation menschlicher Zellen untersucht die junge Wissenschaftlerin nun, welche

Gene in den Zellen von Umweltorganismen auf die Partikel reagieren und

welche Signalwege dabei eine Rolle spielen. "Die Gene des Menschen sind viel besser erforscht als die Gene der Fische oder Algen. Dieses systembiologische Verständnis auch in der Umweltforschung zu erlangen,

ist eine Herausforderung, die mich begeistert", so Wibke Busch.

Als Ausgleich zur Arbeit im Labor ist die 32-Jährige gern draußen unterwegs, ob im Sommer mit ihrer Familie beim Klettern in den Felsen der Sächsischen Schweiz oder im Winter auf den Skipisten der Alpen. Selbst dort lässt sie das Thema Nano nicht los: Immer häufiger begegnet ihr spezielles Nano-Skiwachs, das noch schnellere Ski verspricht. Ob die abgeriebenen Partikel dann in den Bergen zurückbleiben und ob das vielleicht sogar besser ist, als die Chemikalien, die man vorher verwendet hat, sind Fragen, die der Wissenschaftlerin dann durch den Kopf gehen.

Nachwuchswissenschaftlerin:
Wibke Busch
Dept. Bioanalytische Ökotoxikologie

e-mail: wibke.busch[at]ufz.de


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Dass sie sich einmal auf Nanopartikel spezialisieren würde, damit hat Wibke Busch während ihres Studiums der Biotechnologie in Jena nicht gerechnet. Doch dann bot sich ihr am UFZ die Gelegenheit, eine Doktorarbeit zu diesem Thema anzufertigen. Mit sehr gutem Ergebnis schloss sie diese nun im Dezember 2010 ab.


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Quelle:
UFZ-Newsletter April 2011, s. 7
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2011