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FORSCHUNG/478: Biogasanlagen - Dem Schaum auf der Spur (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Dezember 2013

Dem Schaum auf der Spur

von Wolfgang Rudolph und Susanne Hufe



Dass im Fermenter einer Biogasanlage im Großen und Ganzen das Gleiche passiert, wie im Pansen der Kuh, gehört hierzulande schon fast zum Allgemeinwissen. Vermutlich weniger bekannt ist dagegen, dass die tierischen und die technischen Futterverwerter verbreitet unter derselben Verdauungsstörung leiden - einer übermäßigen Schaumbildung. Bei der Kuh hilft dann manchmal nur ein gezielter lebensrettender Stich in den Pansen, damit das überschüssige Gas entweichen kann. Das geht bei einem Biogasreaktor aus Stahl oder Beton natürlich nicht. Anlagenbetreibern bleibt da nur die Bekämpfung übermäßiger Schaumbildung im Biogasprozess, um Folgeschäden zu vermeiden. "Diese reichen von einigen hundert Euro für erhöhten Personalaufwand und den Einsatz von Antischaummitteln bis zu schwerwiegenden Betriebsstörungen mit hohen Kosten, etwa durch Krustenbildung an der Reaktorwand oder verstopfte Gasleitungen", sagt Dr. Lucie Moeller.

Die Ingenieurin gehört zu einem kleinen Forscherteam am UFZ, das sich seit geraumer Zeit mit diesen Problemen befasst. "Wir wollen klären, welche Faktoren genau und vor allem in welchem Zusammenspiel dieses Phänomen befördern oder bremsen", so Moeller. Ziel ist es, ein Frühwarnsystem zu entwickeln und Möglichkeiten aufzuzeigen, die Prozessführung entsprechend anzupassen. Im ersten Schritt folgten die Wissenschaftler der Spur des Schaums, indem sie den Betriebsalltag in mehreren schäumenden Praxisanlagen analysierten und Proben nahmen. Die Untersuchungen zeigen, dass die Schaumbildung in Biogasanlagen meist auf physikochemischen Effekten basiert. Das heißt, die Ursachen liegen entweder in einer suboptimalen Prozessführung, zum Beispiel durch plötzliche Temperaturschwankungen, mangelhaftes Rührmanagement, Überfütterung oder Nährstoffmangel. Oder sie liegen bei den Substraten, mit denen die Anlagen beschickt werden: Je mehr leicht abbaubare, gut aufgeschlossene Substanzen enthalten sind und je öfter sie gewechselt werden, desto größer ist das Risiko der Schaumbildung. Ein Betreiber berichtete, dass der Inhalt seines Fermenters kurz nach der ersten Beschickung mit proteinreichen Schlachtabfällen "wie Hefeteig" aufging und die Gasableitung verstopfte. Biogasanlagen, die überwiegend mit nachwachsenden Rohstoffen beschickt werden, haben wegen des eher gleichbleibenden "Fütterungsmenüs" weniger Probleme mit übermäßiger Schaumbildung. Dennoch gibt es auch hier kritische Substrate. Bekannte Problemstoffe sind Zuckerrüben, die nicht nur durch ihren Gehalt an Zucker, sondern auch durch hohe Mengen an Pektin in den Zellwänden die Blasenbildung begünstigen. Mit Schaumbildung reagiert der Biogasprozess auch auf die Fütterung mit nasser, verdorbener oder verschimmelter Maissilage. Dies gilt ebenso für das in Biogasanlagen gern als Energiebooster eingesetzte Getreideschrot, wenn die Zugabe in unverhältnismäßiger Menge erfolgt. Hinzu kommt in diesem Fall, dass Stärke und Proteine den Schaum stabilisieren. Ein Effekt, der in der Lebensmittelindustrie willkommen ist. Doch während der Anblick einer schönen Schaumkrone auf frisch gezapftem Bier erfreut, ist sie im Fermenter höchst unerwünscht.

Die möglichen Gegenstrategien bei überschäumenden Biogasanlagen reichen von einer zwangsweisen "Hungerkur" für die Mikroorganismen über den Einsatz von Antischaummitteln bis hin zum teilweisen Abpumpen des Fermenterinhalts, damit Platz geschaffen wird, um den Schaum unterzurühren oder das Gärsubstrat mit Wasser zu verdünnen. Für die Wissenschaftler um Lucie Moeller steht jedoch die Prävention an erster Stelle und nicht die Therapie: "Die Betreiber müssen ihre Anlagen wie lebende Organismen betrachten und entsprechend umsichtig agieren."

Um sie in der täglichen Praxis dabei zu unterstützen, haben die Leipziger Forscher einen Schaumtester entwickelt. Mit ihm ist es ohne spezielle Vorkenntnisse und aufwendige Analytik möglich, verhältnismäßig schnell Substrate vor Ort auf ihre Schaumneigung zu untersuchen. Mit diesem Wissen können die Anlagenbetreiber dann entscheiden, ob das Substrat unproblematisch ist, zunächst besser nur in homöopathischen Dosen oder gar nicht zugesetzt werden sollte.

Mit dem Leipziger Messgerätespezialisten Eismann & Stöbe haben die UFZ-Forscher einen Hersteller gefunden, der den Schaumtester in seine Produktion aufgenommen hat und seit September dieses Jahres zum Kauf anbietet. Und laut Geschäftsführer Frank Eismann gibt es schon jetzt einige Anfragen.



UFZ-Ansprechpartner:
Dr. Lucie Moeller
Dept. Umwelt- und Biotechnologisches Zentrum
e-mail: lucie.moeller@ufz.de

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Quelle:
UFZ-Newsletter Dezember 2013, Seite 4
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Januar 2014