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HOLZ/257: Die Energieholz-Lüge (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013
Holzplantage oder Ökosystem? - Wälder unter Nachfragedruck

Die Energieholz-Lüge
Zweifelhafter Klimanutzen, fragliche Herkunft

Von Dr. Georg Möller und László Maráz



Der massive Einsatz von Holz für die Erzeugung erneuerbarer Energien hat inzwischen Ausmaße angenommen, die nicht nur zur Übernutzung mancher Waldbestände in Deutschland führen. Der schier unersättliche Hunger nach dem günstigen Brennstoff sorgt inzwischen für Entwaldung, Raubbau und illegalen Holzeinschlag. Nicht etwa in fernen Tropenwäldern - sondern vor allem in Europa. Genauer gesagt in Zentral- und Osteuropa.


Dabei fing alles so schön an: Die steigende Brennholznachfrage hat erfreulicherweise zu steigenden Holzpreisen geführt. Waldbesitzer erhielten endlich halbwegs angemessene Preise für ihr Holz und der Ausbau erneuerbarer Energien viel Rückenwind, sodass sich auch ökologisch engagierte Politiker für die Förderung des Brennholzabsatzes einsetzten. Und die Energiewende lässt sich mit dem Holz in grünen Farben darstellen. Vor allem jetzt, nach dem überzogenen Ausbau von Biogasanlagen und den wachsenden Protesten gegen den Vormarsch von Windkraftanlagen in den Wald.


Aber es ist doch nicht alles gut
Doch bald klagten vor allem Industrieholzeinkäufer, die sich über Jahrzehnte mit billigen Rohstoffen versorgen konnten, über Rohstoffmangel und steigende Preise. Inzwischen wird mehr als die Hälfte des gesamten Holzaufkommens verheizt. In der Tat ist Holz ein zu kostbarer Rohstoff, um ihn einfach nur zu verbrennen. Zudem häuften sich die Fälle, in denen wegen der Nachfrage etwa durch neu errichtete Biomassekraftwerke teilweise sogar die Wurzelstöcke aus dem Waldboden gerissen wurden und ganze LKW-Ladungen von Baumkronen und Reisig in den Kesseln landeten.

Wenngleich solche rabiaten Methoden nicht flächendeckend angewandt werden, wird doch aus vielen Wäldern zu viel Holz entnommen. Zum Beispiel dünne Stämmchen und Äste, die wegen ihres hohen Rinden- und damit Nährstoffgehaltes eigentlich im Wald bleiben müssen. Wegen der stetig ansteigenden Einschlagsmengen verliert der Wald zunehmend seine Funktion als Kohlenstoffspeicher bzw. als Kohlenstoffsenke. Daher ist die ständig wiederholte Behauptung, die thermische Verwertung von Waldholz sei klimaneutral, schlicht und ergreifend falsch. Heute lassen sich auch Biotopbäume mit Ästen und Höhlen gewinnbringend verkaufen, die nur mit hohem Sortieraufwand für höherwertige Produkte verwendbar sind. Pech für die vielen Lebewesen und bedrohten Arten, die nur in solchen Biomasse-Biotopen leben können. Ihr Lebensraum wird oft als »Abfallholz« oder »Waldrestholz« deklariert und im Ofen entsorgt. Zunehmend werden bisher im »Windschatten« der regulären Holznutzung naturnah wachsende Sonderbiotope wie zum Beispiel Bruchwälder sowie Kleinprivatwald verstärkt zur Brennholzgewinnung herangezogen.


Immer mehr Holzheizungen in Deutschland
In Deutschland gibt es mehr als 15 Millionen Kaminkböfen. Jedes Jahr kommen 400.000 neue hinzu. Gleichzeitig werden Pelletheizungen und -öfen immer beliebter. Das Deutsche Pelletinstitut meldete im Jahr 2012 rund 278.500 mit Pellets befeuerte Kessel und Kaminöfen. Zwar sind Pelletheizungen vergleichsweise effizient und sauber, doch die Mehrzahl der Holzheizungen gilt als Feinstaub-Quelle ersten Ranges. Ein Lichtblick ist die 2015 anstehende Verschärfung der Grenzwerte für Kleinfeuerungen im Rahmen der Bundes-Immisionsschutzverordnung.(1) Nicht nur die Feinstaubproduktion, sondern auch der Brennholzverbrauch würde verringert.

Tatsache ist, dass die thermische Verwertung von Waldholz aktuell zur schlechten Kohlenstoffbilanz des Wirtschaftssystems beiträgt. Es werden leider auch für höherwertige Zwecke geeignete Stammholzsortimente, sowohl aus Deutschland als auch aus dem benachbarten Ausland, zu Brennholz verarbeitet.

Und wie sich nun zeigt, wird inzwischen entgegen der Behauptungen vieler, nicht zuletzt grüner Politikerinnen und Politiker, das Brennholz stamme »aus der Region«, in großem Umfang Brennholz oft in Form einer waldzerstörenden Plünderung zum Beispiel aus Zentralosteuropa, Osteuropa und Skandinavien importiert.(2) Vor solchem Hintergrund ist eine kritische Bilanz der Versorgung mit regenerativer Energie geboten - in Deutschland hat Holz regional mit 40 Prozent einen überproportional hohen Anteil am scheinbaren Erfolg der Regenerativen.

Demnach ist der Holzeinschlag in Zentral-Osteuropa zwischen 2000 und 2010 um 23 Prozent auf 56 Millionen Kubikmeter Holz pro Jahr gestiegen. Mit fast 78 Prozent ist der Einschlag in Südost-Europa noch stärker gewachsen. Besonders hervorzuheben ist Bulgarien: Der ohnehin schon hohe Einschlag stieg um 107 Prozent - mit anderen Worten, er verdoppelte sich. Derzeit wird rund 70 Prozent des bulgarischen Holzeinschlags sofort zu Brennstoff verarbeitet - es handele sich angeblich um minderwertige Ware!


Zu wenig Kontrolle bei importiertem Holz
Ob aus dem EU-Ausland importiertes Holz aus illegalem Einschlag oder nachhaltiger Bewirtschaftung stammt, wird nicht ernsthaft kontrolliert. Seit Mai 2013 ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) dafür zuständig, gegen illegalen Einschlag und Handel mit Holz vorzugehen.(3) Eine Überprüfung der 1.200 Holz-Importeure findet aber nur schriftlich statt, nicht vor Ort. Auf diese Weise wurden zudem bisher lediglich zwölf Importeure kontrolliert, gemäß der Argumentation der BLE aufgrund des freien EU-Binnenmarktes: Die anderen EU-Mitgliedstaaten müssten selbst dafür sorgen, dass das von ihnen exportierte Holz aus nachhaltiger Wirtschaft stamme.

Ein Ende des Pellet- und Kaminholzbooms ist nicht abzusehen, zumal es sich rechnet. Hand aufs Herz: der Hauptgrund für die Anschaffung von Holzfeuerstätten ist der immer noch günstige Preis und nicht die Sorge um den Wald oder den Klimaschutz. Die Kostenersparnis von einem Drittel gegenüber Heizöl ist die zentrale Werbebotschaft der Nutznießer des Brennholzbooms. Wenn das so weitergeht, wird der Bedarf in Deutschland weiterhin in hohem Maße auch mit Importen gedeckt werden, mit teilweise zweifelhafter Herkunft.


Holz aus den USA für Europas Klimaschutzbilanz
Doch auch in anderen Ländern wird der Rohstoff benötigt. Zum Beispiel die USA: Momentan werden von dort aus große Mengen an Holzpellets nach Europa verschifft. Im Südosten der Vereinigten Staaten wachsen riesige Holzplantagen, deren traditionelle Absatzmärkte als Baumaterial wegen der Immobilienkrise weggebrochen waren. Darum lohnt sich das Geschäft mit den Holzpellets, zum Beispiel für den Energiekonzern RWE. Das Unternehmen, das unter Europas Energieversorgern der größte Emittent von CO2 ist (2011: 141 Millionen t), betreibt in Georgia sogar ein eigenes Pelletwerk.(4) Wegen des Klimaschutzes, wie das Unternehmen betont: »Für die Erreichung der CO2-Minderungsziele in Deutschland und Europa ist die Biomasse unverzichtbar. Der steigende Rohstoffbedarf in diesem stark wachsenden Segment kann jedoch nicht alleine durch den europäischen Holzmarkt gedeckt werden. Aus diesem Grund betreiben wir im Süden des US-Bundesstaates Georgia eine der größten Anlagen zur Pelletierung von Frischholz.« Jährlich werden im Pelletwerk Waycross rund 750.000 Tonnen Holzpellets für den Einsatz in Europa hergestellt und verschifft. Dafür werden jährlich etwa 1,5 Millionen Tonnen Frischholz benötigt. In Europa sollen die Pellets in erster Linie in bestehenden Steinkohlekraftwerken von RWE genutzt werden. Durch den Ersatz von Steinkohle durch Biomasse will RWE erhebliche CO2-Einsparungen erzielen.

Dieser Nutzen für das Klima wird allerdings bezweifelt. Erst kürzlich haben 41 Wissenschaftler in einem Appell an die US-Umweltbehörde EPA davor gewarnt, verstärkt Holz in Kohlekraftwerken zur Stromerzeugung zu verbrennen.(5) Die Argumentation, wer Holz verbrenne, dürfe sich die Kohlenstoffbindung des Waldwachstums anrechnen, sei nicht haltbar. Denn die Bäume würden zum einen auch wachsen, ohne dass man sie nachher verbrenne. Wälder würden normalerweise auch so Biomasse anreichern, wogegen durch den Holzeinschlag dieser Kohlenstoffspeicher geleert werde.

Doch ganz gleich, ob die Wissenschaftler mit ihrer Initiative Erfolg haben oder nicht: Eines muss den Energieholz-Importeuren klar sein: Wenn andere Länder Ernst machen mit ihren Plänen zum verstärkten Einsatz von Holzbiomasse, wird eine günstige Quelle nach der anderen versiegen.


Ernüchterung macht sich breit
Die Euphorie bei der Energieholzverwendung ist in Fachkreisen längst einer gewissen Ernüchterung gewichen. Dennoch werden von einigen Interessengruppen weiterhin frohe Botschaften gesendet, in denen man sich für ein Wachstum der Brennholznutzung ausspricht. Dabei wäre ohnehin ein deutlich sinkender Einschlag im übernutzten deutschen Wald erforderlich, um andere Waldfunktionen und den Schutz der biologischen Vielfalt nicht zu gefährden. Für all jene, die mit Holz heizen, gilt wiederum, dass man sich die Freude am Holzfeuer auch mit geringerem Holzverbrauch erhalten kann, denn die meisten Häuser sind so schlecht gedämmt und viele Öfen so ineffizient, dass man problemlos die Hälfte einsparen könnte.


Dr. Georg Möller ist als Diplombiologe freiberuflicher Experte für Waldökologie und in beratender Funktion für Umweltverbände tätig.
László Maráz ist Koordinator der Plattform Wald beim Forum Umwelt und Entwicklung.


(1) http://www.bmu.de/service/publikationen/downloads/details/artikel/verordnung-ueber-kleine-und-mittlerefeuerungsanlagen-1-bimschv/
(2) http://www.ndr.de/ratgeber/verbraucher/haushalt_wohnen/brennholz121.html
(3) http://www.ble.de/DE/02_Kontrolle/06_HandelMitHolz/HandelMitHolz_node.html
(4) http://www.rwe.com/web/cms/de/598024/rwe-innogy/technologien/biomasse/beschaffung-international/waycrossgeorgia/aktuelles/
(5) http://www.thinkprogress.org/climate/2013/11/30/3005441/epa-biomassforest-carbon/


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2013, S. 2 - 3
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2014