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KATASTROPHEN/033: Bauxitschlamm aus Aluminiumproduktion - Droht erneuter Dammbruch in Ungarn? (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - 12. Oktober 2010 / Chemie & Nanotechnologie

Droht erneuter Dammbruch in Ungarn?


Bei der Industriekatastrophe nahe Ajka geht das ungarische Umweltministerium jetzt davon aus, dass ein zweiter Dammbruch unausweichlich ist.

In Ungarn war am 4. Oktober ein mit Bauxitschlamm gefülltes Aufhaltebecken einer Aluminiumhütte gebrochen. Daraufhin hat ungefähr eine Million Kubikmeter des ätzendenden und schwermetallhaltigen Schlamm drei Gemeinden überflutet hatte und bislang acht Todesopfer gefordert. Nachdem in einem weiteren Damm Risse in der Struktur gefunden wurden, evakuierte der Katastrophenschutz das Dorf Kolontár und hat mit dem Bau eines 400 Meter langen Schutzwalles begonnen, um eine zweite Flutwelle zu bremsen.

Die Betreiberfirma der Aluminiumhütte MAL (Magyar Alumínium) hatte sich jeglicher Verantwortung entzogen und den Unfall als "Naturkatastrophe" bezeichnet. Sie wurde nach Angaben der Tageszeitung taz in der Nacht zum 12. Oktober vom ungarischen Parlament verstaatlicht und deren Leitung an den Katastrophenschutz übertragen.

Auf Anfrage Ungarns entsendete die EU fünf Fachleute, die den Katastrophenschutz bei der Untersuchung der Folgen des Schlamms auf landwirtschaftliche Flächen, Wasser, insbesondere Grundwasser und Flora und Fauna unterstützen soll. Eine von Greenpeace in Auftrag gegebene Untersuchung des österreichischen Umweltbundesamtes ergab deutlich erhöhte Werte von Chrom, Arsen und Quecksilber in dem Schlamm. Greenpeace zufolge ist Arsen besonders leicht löslich und kann damit relativ schnell ins Grundwasser übergehen. Arsen verursacht langfristig Nervenschäden und Krebs.

Des Weiteren befinden sich laut Andreas Beckmann, Direktor des WWF-Donau-Karpaten-Programms, in Ungarn mindestens 60 ähnliche Aufhaltebecken mit Rückständen aus Minen oder Metallverhütung, die teilweise wie am Unfallort nur mit einfachen Erdwällen befestigt sind. Die 2006 verabschiedete EU-Minenabfallverordnung legte zwar striktere Sicherheitsstandards und Kontrollen für solche Deponien fest, tritt aber erst 2012 in Kraft. Der WWF forderte deshalb eine Verschärfung der EU-Richtlinien [1] zu Giftschlammdeponien und die Einrichtung eines Aktionsprogrammes, um diese zügig umzusetzen. Nach einer Studie der Europäischen Kommission 2004 gibt es allein in Ungarn 260 als kritisch und acht als extrem kritisch zu bewertende Giftschlammdeponien. Ein Aktionsplan sollte sich nach den WWF- Forderungen nicht nur auf Standorte in der EU konzentrieren, sondern auch EU-Nachbarländer, wie die Ukraine, Moldawien oder Serbien einschließen. [lk]


Analyse österreichisches Umweltbundesamt
http://greenpeace.hu/up_files/1286524937Osztraklabor_Eredmenyek2010_vorosiszap.pdf

Arsen:
http://taz.de/digitaz/2010/10/09/a0190.nf/text

Zweiter Damm:
http://taz.de/digitaz/2010/10/11/a0080.nf/text

Interview mit WWF:
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/umwelt/1293146/

[1] WWF forderte deshalb eine Verschärfung der EU-Richtlinien
http://www.wwf.de/presse/details/news/konsequenzen_aus_giftschlamm_katastrophe_wwf_fordert_eu_aktionsplan/


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Quelle:
EU-News, 12.10.2010
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2010