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ARTENRAUB/008: Biopiraterie der großen Konzerne - Süden hofft auf internationale Konvention (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. September 2010

UMWELT: Biopiraterie der großen Konzerne - Süden hofft auf internationale Konvention

Von Hilaire Avril


Paris, 14. September 2010 (IPS) - Die Vereinten Nationen haben 2010 zum Jahr der biologischen Vielfalt erklärt. Doch 18 Jahre nach Verabschiedung der Artenvielfaltkonvention (CBD) verdienen sich Biopiraten mit der Kommerzialisierung genetischer Ressourcen eine goldene Nase, während die eigentlichen Urheber leer ausgehen. Ein globales Abkommen, das den Zugang zu den genetischen Ressourcen und die Gewinnbeteiligung der Herkunftsländer regelt, soll nun auf der 10. Konferenz der CBD-Vertragsstaaten im japanischen Nagoya auf den Weg gebracht werden.

Die biologische Vielfalt ist in den Entwicklungsländern besonders groß. Viele ihrer genetischen Ressourcen beinhalten Wirkstoffe oder Erbinformationen, die etwa für die Pharmaindustrie, Biotechnologie oder Landwirtschaft besonders interessant sind. "Die Konzerne reißen sich jedoch mit Patenten auf Gene, Pflanzen und traditionelles Wissen das Eigentum afrikanischer Staaten unter den Nagel", kritisiert das Afrikanische Zentrum für Biosicherheit (ACB), mit Sitz in Südafrika. Die Herkunftsländer gingen in der Regel leer aus.

Beispiele für den Klau genetischer Ressourcen gibt es zuhauf. So ließ sich der Leverkusener Pharmariese Bayer 1995 in Europa und den USA einen neuen Herstellungsprozess von Acarbose patentieren. Dabei handelt es sich um einen Wirkstoff des Diabetespräparats Glucobaym, das mit Hilfe eines Bakteriums aus dem kenianischen Ruiru-See gewonnen wurde. Obwohl Glucobaym dem Unternehmen jedes Jahr dreistellige Millionenbeträge erwirtschaftet, fällt für Kenia nichts ab.

Der US-amerikanische Konkurrent Merck wiederum hat ein Fungizid patentiert, das 1996 aus dem Dung von namibischen Giraffen isoliert wurde. Kanadas Unternehmen Biotech meldete ein Patent auf die Samen von Ingwer an, das traditionelle kongolesische Heiler seit Jahrhunderten gegen Unfruchtbarkeit anwenden. Die Liste lässt sich immer weiter fortsetzen.


Kontrollsystem fehlt

"Das Problem besteht darin, dass es kein Kontrollsystem für Biopiraterie gibt", meint dazu Krystyna Swiderska vom Internationalen Institut für Umwelt und Entwicklung (IIED) in London, einer Non-Profit-Organisation für nachhaltige Entwicklung. Auch wenn Nichtregierungsorganisationen nicht müde würden, mit Kampagnen gegen solche Beispiele von Biopiraterie zu protestieren, "ist es nur schwerlich nachvollziehbar, wie oft sie wirklich stattfindet und inwieweit sie in der Arzneimittelindustrie, der Landwirtschaft und Industrieprozessen zum Tragen kommt".

Das Problem ist nicht allein auf Afrika beschränkt, doch gibt es gerade dort eine Vielzahl ethnischer Gemeinschaften, die viel über Heilpflanzen oder Getreidearten wissen. Das machen sich die Unternehmen des Nordens zunutze. Sie sichern sich ein Exklusivrecht auf die von traditionellen Heilern identifizierten Pflanzen, indem sie ein Patent auf die enthaltenen Wirkstoffe anmelden. Sich gegen diesen Diebstahl zu wehren, ist für Afrikas indigene Völker nahezu unmöglich.

Insgesamt haben 192 Staaten und die Europäische Union die Artenvielfaltkonvention CBD unterzeichnet. Von den meisten wurde sie zudem ratifiziert. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Nutzen, der sich aus genetischen Ressourcen ziehen lässt, gerecht und fair verteilt wird, wie dies auch im globalen Abkommen über Zugang und Vorteilsausgleich (Access and Benefit-Sharing - ABS) festgeschrieben werden soll. Problem ist nur, dass sich das CBD auf genetische Ressourcen bezieht, die nach ihrem Inkrafttreten gesammelt wurden.

"Alles, was sich Unternehmen vorher gegrabscht haben - und die meisten Sammlungen erfolgten in den letzten 200 Jahren - bleibt unberührt", kritisiert Swiderska. Viele der genetischen Ressourcen lagerten auf Genbanken oder in Botanischen Gärten des Nordens. "Solange kein Patentantrag gestellt wird, weiß keiner, was da vor sich geht".


Neuere Fälle von Biopiraterie

In einem Bericht, den die IIED im letzten Jahr unter dem Titel 'Pirating African Heritage' veröffentlicht hatte, werden sieben neue Fälle von Biopiraterie in afrikanischen Ländern einschließlich Äthiopien und Madagaskar dokumentiert.

Dabei geht es sogar um Viren, die im Blut der kamerunischen Baka-Ureinwohner identifiziert wurden und die nun von Konzernen als exklusives intellektuelles Eigentum deklariert wurden. Der Schaden solcher Biopiraterie-Fälle lässt sich nur schwerlich bemessen. Was den finanziellen Verlust für den eigentlichen Urheber angeht, dürfte er recht hoch sein. Schließlich legen Verbraucher für Naturprodukte eine Menge Geld auf den Tisch.

In den seltensten Fällen kommt es zu einem Abkommen zwischen den traditionellen Gemeinschaften und den Unternehmen. In aller Regel gehen die Ureinwohner leer aus. Das lässt sich gut an dem Beispiel des Hoodia-Kaktus belegen, den die San-Buschleute der südafrikanischen Kalahari-Wüste traditionell zur Unterdrückung von Hungergefühlen verwenden.

Die Rechte auf die Vermarktung der Pflanze wurden an den US-Arzneihersteller Pfizer verkauft, der daraus ein Diätmittel entwickelte. Nach jahrlangen Kampagnen kam es schließlich zu einem Abkommen, das die San gerade einmal zu 0,003 Prozent an den Gewinnen aus dem Verkauf des Präparats beteiligt.

Der bislang größte Erfolg im Kampf gegen Biopiraten zeigte sich im Widerruf eines Patents durch das Europäische Patentamt in München, das der Karlsruher Pharmakonzern Schwabe auf die Herstellung eines Mittels gegen Bronchitis aus dem Wirkstoff einer südafrikanischen Geranienart angemeldet hatte.


Unternehmen zu Fairplay "zwingen"

"In einem zweiten Schritt muss es nun darum gehen, dass diejenigen, die die Heilkräfte der Pflanze entdeckt und genutzt haben, als Anteilseigner anerkannt werden", fordert die ACB-Leiterin Mariam Mayet. "Wir brauchen Regierungen, die Unternehmen zwingen, solche Verträge einzugehen, die die traditionellen Gemeinschaften an den Gewinnen beteiligen und ihnen Einkommen verschaffen."

Auf der bevorstehenden Vertragsstaatenkonferenz in Japan müsse unbedingt Sorge dafür getragen werden, dass auch das ABS-System (das überfällige internationale und völkerrechtlich verbindliche Abkommen über Zugang und Vorteilsausgleich) auf traditionelles Wissen ausgeweitet wird, so die Expertin Swiderska. Das sei eine Forderung, der sich Industrieländer "massiv widersetzen" und somit den Ländern des Südens einen weiteren mühsamen Kampf abverlangten. (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.iied.org/
http://www.biosafetyafrica.net/index.html/
http://www.cbd.int/abs/regime.shtml
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52743

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2010