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ARTENRAUB/116: Vietnam - Gnadenlose Jagd auf südafrikanische Rhinozeroshörner (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Mai 2013

Vietnam: Rhinozeroshörner sind ihr Gewicht in Gold wert - Gnadenlose Jagd auf südafrikanische Nashörner

von Marwaan Macan Markar


Bild: © Jennifer McKellar/IPS

Ein weißes Rhinozeros in einem Schutzgebiet in der südafrikanischen Provinz Limpopo
Bild: © Jennifer McKellar/IPS

Bangkok, 16. Mai (IPS) - Auf den ersten Blick gleicht das Poster einem der vielen Werbeplakate, auf denen für afrikanische Safaris geworben wird: Zu sehen ist ein ausgewachsenes Nashorn vor dem Hintergrund einer weiten Landschaft. Doch irgendetwas an dem massigen Tier lässt den Betrachter stutzen.

Bei genauerer Betrachtung springt der Unterschied ins Auge: Dort wo sich eigentlich die beiden Hörner befinden müssten, die für afrikanische Rhinozerosse so typisch sind, ragen menschliche Hände empor. "Rhinozeroshörner bestehen aus dem gleichen Material wie menschliche Nägel. Wollen Sie sie immer noch?", so der über dem Dickhäuter angebrachte Schriftzug.

Hergestellt wurden die Plakate von den beiden Umweltgruppen TRAFFIC und WWF. Sie sollen bald auf öffentlichen Plätze der größeren vietnamesischen Städte einschließlich Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt ausgehängt werden. Büros, Apartmenthäuser und sogar Flugplätze werden in die neue Kampagne gegen den illegalen Handel mit Rhinozeroshörnern einbezogen.

Experten zufolge gibt es für die Verbreitung der Botschaft keinen besseren Platz als das 87 Millionen Einwohner zählende südostasiatische Land. Umweltschützer machen Vietnam seit langem für den dramatischen Anstieg der Nachfrage nach afrikanischen Rhinozeroshörnern verantwortlich, die die Tiere in ihrer Existenz bedroht.


Fast 300 Nashörner in Südafrika erlegt

Seit Anfang des Jahres mussten fast 290 der 20.000 in Südafrika verbliebenen Rhinozerosse wegen ihrer Hörner ihr Leben lassen. Befürchtet wird, dass die Rekordzahl von 668 Stück im letzten Jahr 2013 noch überflügelt werden wird.

"Wir befinden uns inmitten einer Nashornkrise", meint der britische Tierarzt Mark Jones, der die Nichtregierungsorganisation 'Humane Society International' mit Sitz in London führt. Seit Kurzem habe sich Vietnam zu einem der größten Absatzmärkte für die Hörner der afrikanischen Spezies entwickelt.

Geschürt wird das Käuferinteresse durch das Gerücht, dass die Hörner über besondere medizinische Kräfte verfügen und sogar Krebs heilen können. Auch sollen sie gegen einen Kater infolge eines überhöhten Alkoholkonsums helfen und eine aphrodisierende Wirkung haben.

Nach Angaben von Naomi Doak, dem Koordinator des TRAFFIC-Progranms für den Oberen Mekong geht die Wahl der Motive für die Plakatkampagne auf die Erkenntnis zurück, dass "sich ein großer Teil der vietnamesischen Öffentlichkeit gar nicht bewusst ist, dass Rhinozeroshörner nichts anderes sind als eine Masse aus gepressten Haaren, die wiederum aus Keratin bestehen. Keratin ist der Baustoff, aus dem die menschlichen Finger- und Fußnägel gemacht sind. Doak hofft nun, dass die Erkenntnis dieser Realität die Nachfrage nach den Hörnern reduzieren wird.


Statussymbol

Doch die Kampagne steht auch aus den unterschiedlichsten Gründen vor einer harten Bewährungsprobe. Um zu verstehen, gegen was die Umweltgruppen ankämpfen müssen, braucht man nur einen Spaziergang durch die Hanoier Altstadt machen, einem Netzwerk aus 36 Straßen, wo lokale und handwerkliche Erzeugnisse seit Jahrhunderten verkauft werden.

Hier gibt es Geschäfte, die sich auf traditionelle chinesische Medizin spezialisiert haben und Massen an Menschen anziehen, die für Teile wildlebender Tiere anstehen, von denen sie sich Heilung ihrer Wehwehchen und Krankheiten versprechen.

In seinem letzten Dokumentarfilm 'Schlechte Medizin - Der illegale Handel mit Rhinozeroshörnern' folgt der Umweltschützer und Regisseur Karl Amman den Spuren der illegalen Händler von den südafrikanischen Wildparks bis in die Straßen Vietnams, "wo die Hörner inzwischen zu einem Statussymbol geworden sind".

Die Hörner haben dem Edelmetall Gold, einst das bevorzugteste Geschenk der expandierenden Elite des kommunistisch geführten Landes, inzwischen den Rang abgelaufen. An einem Kilogramm Horn lassen sich bis zu 65.000 US-Dollar verdienen. "Das ist, wenn man die Grammpreise vergleicht, mehr, als man für Gold bekommt", meint Jones. Ein einzelnes Horn erzielt bis zu 150.000 Dollar.

Der Druck auf Vietnam, für einen Rückgang der illegalen Nachfrage im Lande zu sorgen, ist seit den im März auf dem Treffen des Washingtoner Artenschutzabkommens CITES verhängten Resolutionen gestiegen. Auf dem 16. globalen Treffen der 178 Mitgliedstaaten zählenden Übereinkunft ist die Regierung in Hanoi nur knapp an Sanktionen vorbeigeschlittert.


Hanoi weist Vorwürfe zurück

Die vietnamesische Regierung streitet jedoch rigoros ab, zu einem größeren Absatzmarkt im internationalen Handel mit den Rhinozeroshörnern geworden zu sein. Sie zeigt gern mit dem Finger auf China, das ebenfalls für die Zunahme des Handels mit wildlebenden Tieren und insbesondere mit Körperteilen von Tigern verantwortlich gemacht wird.

Do Quang Tung, Vizedirektor von CITES-Vietnam und Leiter der nationalen Delegation auf dem CITES-Treffen, hatte Ende März gegenüber einer vietnamesischen Zeitung erklärt, dass seit 2004 13 Einzelpersonen im Zusammenhang mit dem illegalen Handel von insgesamt 150 Kilogramm Rhinozeroshorn verhaftet worden seien.

"Am illegalen Handel mit Rhinozeroshörnern sind hochorganisierte, mobile und finanziell gut ausgestattete Verbrechergruppen beteiligt", geht aus einem Bericht hervor, den TRAFFIC und der Weltnaturschutzbund in diesem Jahr veröffentlicht haben. Die kriminellen Netzwerke engagierten zur Beschaffung der Hörner aus Südafrika auch eine Vielzahl von Möchtegern-Jägern aus Ländern wie Thailand, Vietnam, der Tschechischen Republik und Polen.

Diplomaten der südafrikanischen Botschaft hatten 2006 und 2008 Rhinozeroshörner illegal nach Vietnam eingeführt. Als ein vietnamesischer Regierungsvertreter auf dem jüngsten CITES-Treffen in Bangkok auf die beiden Skandale angesprochen wurde, sorgte seine Antwort, die beiden betrügerischen Diplomaten seien "bestraft" worden, für Gelächter. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.traffic.org/home/2013/4/18/ad-campaign-aims-to-reduce-vietnamese-demand-for-rhino-horn.html
http://www.cites.org/eng/cop/
http://www.iucn.org/?11745/Rhinos-in-crisis
http://www.ipsnews.net/2013/05/in-vietnam-rhino-horns-worth-their-weight-in-gold/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 16. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2013