Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

ARTENRAUB/154: Wertvoller als Gold (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit

Wertvoller als Gold
Verstrickung des organisierten Verbrechens in Wilderei und weiterer Umweltkriminalität

von Marie-Luise Abshagen und Katharina Trump



Der Begriff Umweltkriminalität bezeichnet jeglichen Verstoß gegen nationales oder internationales Umweltrecht oder gegen Umweltkonventionen. Internationale Umweltkriminalität gefährdet nicht nur die erfolgreiche Umsetzung von Abkommen und bringt graviere nde Umweltprobleme mit sich, sondern geht häufig Hand in Hand mit Korruption, verringerten Steuereinnahmen und anderen Formen krimineller Aktivitäten wie Drogen- und Menschenhandel. Insbesondere die Wilderei hat in den letzten Jahren dramatisch und scheinbar unaufhaltsam zugenommen, so dass sofortiges internationales und lokales Handeln dringend erforderlich ist.


Als besonders gravierend werden derzeit fünf Arten der Umweltkriminalität angesehen: Illegaler Handel mit Tieren und Pflanzen, illegaler Holzeinschlag und damit einhergehender Handel, illegale, nicht gemeldete und unkontrollierte Fischerei, verbotener Handel mit meldepflichtigen Chemikalien und die ungesetzliche Beseitigung von gefährlichem Abfall. Besondere Aufmerksamkeit erhalten weltweit die Wilderei und der illegale Handel mit Flora und Fauna. Denn in Ländern wie Kenia und Südafrika hat die Wilderei von Elefanten und Nashörnern in den letzten Jahren neue und erschreckende Dimensionen angenommen. Während Elfenbein insbesondere für Prestige-Skulpturen verwendet wird, ist das Horn von Nashörnern vor allem auf dem asiatischen Schwarzmarkt als umstrittene Form der Medizin begehrt und wird zu horrenden Preisen verkauft. In der in China und Südostasien verbreiteten Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hält sich hartnäckig der Glaube, dass das Horn krebsheilend sei, obwohl sich dafür keinerlei Belege finden lassen. Tatsächlich sind die Inhaltsstoffe im Rhinohorn vergleichbar mit denen in menschlichen Fingernägeln. Dennoch ist laut der Environmental Investigation Agency (EIA) alleine in Südafrika, wo der überwiegende Teil der noch vorhandenen Nashornbestände Afrikas lebt, die Zahl der gewilderten Nashörner seit 2007 um mehr als 7.000 Prozent gestiegen.(1)

Verstrickung krimineller Netzwerke
Laut INTERPOL ist Umweltkriminalität aufgrund der Verstrickung von kriminellen Netzwerken und Syndikaten, hoher Profite und relativ geringer Strafen eine der am schnellsten wachsenden Kriminalitätsformen. Die Dimensionen des illegalen Handels mit Tieren und Pflanzen sind gar mit illegalem Waffen-, Drogen- und Menschenhandel zu vergleichen.(2) Involviert sind darin mittlerweile organisierte, bewaffnete Gruppen, was Umweltkriminalität nicht nur zu einem ökologischen Problem macht, sondern sich auch auf internationale Sicherheit und Frieden auswirkt. Korruption und die Verlockung des schnellen Geldes, gepaart mit der Armut der kleinen Wilderer, die den internationalen Händlern zuarbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, ist auf allen Ebenen der Handelskette ein zentrales Problem. Das beeinflusst die dringend notwendige, schärfere Umsetzung bestehender Gesetze, strengere Kontrollen bei Ausund Einfuhr, bessere Strafverfolgung, Aufklärung in der Bevölkerung und die internationale Unterstützung der Regierungen in Abnehmerländern.

Im Falle von Wilderei organisieren sich die kriminellen Verbindungen dabei auf die kuriosesten Weisen, um vorhandene Regeln zu umgehen. In Südafrika erhält man eine Jagdlizenz lediglich für das Erlangen einer Trophäe. Dabei darf das geschossene Tier ausgestopft mit nach Hause genommen werden, aber nicht in den Handel gelangen. Nachdem die Vergabe der Lizenzen vor einigen Jahren deutlich verschärft wurde, so dass behördenbekannte Händler diese nicht mehr erhalten konnten, lösten vietnamesische Händler kurzerhand das Problem, indem sie vietnamesische Prostituierte als vermeintliche Trophäensammlerinnen nach Südafrika schickten, bis dies den südafrikanischen Behörden auffiel. In anderen Fällen wurden Nashornobjekte aus Museen in Europa gestohlen.

Kampf gegen Wilderei vor Ort
Selbstverständlich hat das Thema Wilderei auch für die Regierungen in den Herkunftsländern eine hohe Brisanz, weshalb hier dem Schutz der Tiere eine große Bedeutung zukommt. Lokales Naturerbe, ökonomische Konsequenzen zum Beispiel für den Tourismus und internationaler Druck spielen dabei eine wichtige Rolle. In Südafrika gibt es zum Schutz von Nashörnern bereits viele Ansätze privater Initiativen, NGOs und der Regierung, beispielsweise in Form von Verstärkung der Wildhüter und Kontrollen, Luftüberwachung, strengerer Verteilung der Jagdlizenzen oder GPS-Besendung der Tiere. Mittlerweile existieren Gerüchte, dass in privaten Reservaten die Hörner von Nashörnern als Schutzmaßnahme sogar vergiftet worden seien, unschädlich für das Tier, gesundheitsschädlich für den Konsumenten.

Zwar hat sich die Bekämpfung von Umweltkriminalität in den letzten Jahren auf nationaler Ebene in vielen Ländern verbessert, dennoch fehlt es noch an Wissen und Kapazitäten bei Justizbeamten, technischer Ausrüstung zur Verfolgung krimineller Aktivitäten, der Verantwortung von Akteuren hinsichtlich der Beschaffungsketten und dem Bewusstsein bei Konsumenten. Auch Lücken in der Durchsetzung der Gesetze tragen zu Umweltkriminalität bei.

Internationale Abkommen reichen nicht
Mittlerweile beschäftigen sich zahlreiche internationale Abkommen und Konferenzen mit dem Thema Umweltkriminalität. Auf der ersten, von INTERPOL und UNEP organisierten, internationalen Konferenz zur Anwendung und Durchsetzung von Umweltvorschriften im November 2013, wurde diskutiert, wie man eine internationale Plattform sowie eine internationale Arbeits- und Eingreiftruppe zur Harmonisierung von Standards sowie Herangehensweisen etablieren könne, um Information und Zusammenarbeit zwischen Staaten zu verbessern. Im Februar 2014 fand des Weiteren eine Konferenz in London unter der Schirmherrschaft des britischen Königshauses statt, an der hochrangige Vertreter aus 46 Ländern teilnahmen. Als Ergebnis erklärten sich fünf afrikanische Staaten unter anderem dazu bereit, für zehn Jahre keine legalen Elfenbeinbestände mehr zu verkaufen, da diese von illegalen kaum zu unterscheiden sind.(3)

Seit 1975 schützt außerdem die »Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Flora and Fauna (CITES)« bedrohte Arten, indem sie den Handel verbietet oder die Jagd reglementiert. Daneben existieren TRAFFIC, eine Organisation zur Überwachung von Handel mit Flora und Fauna, und einige afrikanische Netzwerke.

Leider konnten internationale Konventionen nicht mit aktuellen Entwicklungen mithalten. Freihandelsabkommen haben beispielsweise zur Folge, dass wertvolle Arten in ein Land geschmuggelt und dort dann als legal deklariert werden können. Auch das Problem des extremen Anstieg der Wilderei durch die geringe Strafverfolgung illegaler Händler haben internationale Abkommen nicht lösen können. Es stellt sich somit die Frage, wie existierende, internationale Regelungen konsequenter umgesetzt werden können und wie Konsumenten besser aufgeklärt oder gegebenenfalls höher bestraft werden können.

Wilderei kann nur auf der lokalen Ebene gelöst werden
Wichtig ist, dass nicht nur auf internationaler Ebene gearbeitet wird, sondern auch auf lokaler. Reduziert man die Verlockung der Wilderei in Afrika auf lokaler Ebene durch alternative Einkommensquellen, Stärkung der Bindung zum eigenen Naturerbe und einer stärkeren Wahrnehmung des ökonomischen (touristischen) Werts von Arten, und die Teilhabe daran, erschwert man den WildereiSyndikaten den Zugang. Auf asiatischer Seite muss der Abnehmer und Konsument vor Ort aufgeklärt und sensibilisiert werden. Denn die Nachfrage ist die treibende Kraft der Wilderei. Ohne sie gibt es kein Angebot, für das solche enormen Preise verlangt werden können. Mittlerweile haben sich immerhin chinesische Stars wie der Schauspieler Jackie Chan und der Basketballer Yao Ming öffentlich gegen die Nutzung von Rhinohorn und Elfenbein ausgesprochen.

Unkonventionelle Lösungsstrategien als Heilsbringer?
Gegen die Ausbeutung der Natur haben sich mittlerweile verschiedenste Netzwerke gebildet. Eines ist die »End Ecocide-Initiative«, deren erklärtes Ziel ist, Ökozid, sprich weitreichenden Schaden an der Natur oder die Zerstörung beziehungsweise den Verlust ganzer Ökosysteme, neben Völkermord und anderen Verbrechen als fünftes Verbrechen gegen die Menschlichkeit und den Frieden im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs zu etablieren.(4) Eine europäische Bürgerinitiative richtet sich mit dieser Forderung in Form einer Petition direkt an die Europäische Kommission. Sollte die Petition erfolgreich sein und Ökozid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit anerkannt werden, würde die sogenannte Erfolgshaftung gelten, was bedeutet, dass Unternehmen selbst dann haftbar gemacht werden, wenn Ökozid nicht vorsätzlich, sondern lediglich als Resultat ihres Geschäftsmodells passiere.

Eine mögliche Lösung für Wilderei könnte die umstrittene Legalisierung von Rhinohorn bringen. Sorgfältig abgetrennt, kann ein Nashorn auch ohne Horn leben, dieses wächst mit der Zeit sogar nach und könnte somit regelmäßig »geerntet« werden. Neben ethisch-moralischen Fragen einer solchen Nutzung von Tieren und den Auswirkungen auf dessen Gesundheit und Sozialverhalten, bleibt es allerdings auch Spekulation, ob eine solche Legalisierung und die damit einhergehende Senkung der Preise die kriminellen Netzwerke wirklich zerstören kann oder lediglich zu einer Ausweitung der Konsumentenzahl führen könnte, da es eben nicht nur um Prestige, sondern um konkrete Heilungshoffnungen geht.


Marie-Luise Abshagen ist Redakteurin des Rundbriefs.
Katharina Trump ist Projekt-Managerin beim Global Nature Fund.



Anmerkungen

(1) http://www.eia-international.org/wp-content/uploads/EIA-In-Cold-Blood-FINAL.pdf

(2) IISD (08.11.2013): »Summary of the First International Environmental Compliance and Enforcement Conference: 06.11.2013«, IISD Reporting Services 216:1.
http://www.iisd.ca/download/pdf/sd/crsvol216num1e.pdf

(3) https://www.gov.uk/government/publications/declaration-london-conference-on-the-illegal-wildlife-trade

(4) EndEcocide-Initiative. http://www.endecocide.eu/?lang=de


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2014, Seite 26-27
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 177 593, Fax: 030/678 177 580
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2014