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ARTENRAUB/163: Die Unbelehrbaren - Japan will nicht vom Walfang lassen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014
Wer die Netze hat, hat die Macht? Infrastrukturen und Nachhaltigkeit

Die Unbelehrbaren
Japan ignoriert internationales Völkerrecht und will nicht vom Walfang lassen

Von Thilo Maack



Ich kann mich noch gut an mein ungläubiges Staunen auf den Computerbildschirm erinnern, als ich am 31. März dieses Jahres den Urteilsspruch des Internationalen Gerichtshofs ICJ, Den Haag las: zwölf der beteiligten sechzehn Richter urteilten, das von japanischen Walfängern im antarktischen Schutzgebiet durchgeführte Forschungsprogramm müsse eingestellt werden. Sie sahen es als erwiesen an, dass es sich hierbei offensichtlich nicht um Forschung, sondern um kommerziellen Walfang im Gewande der Wissenschaft handelt.


Niemand, am allerwenigsten die japanischen Vertreter, hatte mit so einem deutlichen Urteil gerechnet. Bis zuletzt gaben sich Nippons Walfänger zuversichtlich, das Verfahren zu gewinnen. Dabei sprachen die Richter des ICJ lediglich aus, was die ganze Welt lange weiß, das japanische "Institut für Walforschung" (Insitute for Cetacean Research, ICR) ist Fassade. Die in seinem Namen durchgeführte Walforschung 6000 Seemeilen von Japan entfernt, im antarktischen Walschutzgebiet dient lediglich der Belieferung des japanischen Walfleischmarktes. Im Namen der Wissenschaft wurden in den letzten 30 Jahren - seit Bestehen des internationalen Walfangverbotes - über 8000 Großwale getötet.

Artikel 8 der Internationalen Konvention zur Regulierung des Walfangs

Als Vollmitglied der Internationalen Walfangkommission IWC ist die japanische Regierung an das Walfangmoratorium der achtziger Jahre gebunden. Allerdings nutzen die japanischen Walfänger ein Schlupfloch im Konventionstext, denn der Artikel acht der Konvention erlaubt das Töten von Walen zu wissenschaftlichen Zwecken und die lokale Vermarktung des dabei anfallenden Fleisches. Im Laufe der Jahre wurden die Forschungsprogramme JARPA (Antarktis) und JARPN (Nordwest-Pazifik) entwickelt und befinden sich bereits in ihrer zweiten Auflage. In bereits zahlreichen Resolutionen sprach sich die Mehrheit der IWC-Mitglieder gegen den Wissenschaftswalfang aus. Allerdings gab es bis jetzt keine formaljuristische Handhabe, die japanische Fangflotte aufzuhalten.

Zurück auf Start

Die Reaktion der japanischen Regierung auf das Urteil gab Anlass zur Hoffnung, man wolle sich an das Urteil halten und erwäge sogar die Kompletteinstellung der Walforschungsprogramme. Doch leider entpuppte sich die Den Haager Entscheidung als Pyrrhussieg, denn zwar war die Entscheidung der Richter eindeutig, allerdings bezieht sie sich lediglich auf das antarktische Forschungsprogramm in seiner aktuellen Version. Die nordpazifische Jagd wurde nicht reglementiert und es spricht auch nichts gegen die Weiterführung des antarktischen Abschlachtens, wenn das dortige Forschungsprogramm in leicht veränderter Form neuaufgelegt wird. Im Hintergrund haben die ewig Gestrigen offensichtlich entsprechende Fäden gezogen, denn bereits wenige Wochen nach dem Urteil gaben japanische Regierungsvertreter bekannt, sowohl an der nordpazifischen Jagd festhalten, als auch die antarktische Walforschung in einem neuen Programm weiterführen zu wollen.

Das Minusgeschäft

Ein nüchterner betriebswirtschaftlicher Blick auf den aktuellen Zustand des japanischen Walfleischmarktes liefert Bemerkenswertes zu Tage. Immer weniger Japaner wollen das Fleisch der Tiere essen, ihr Speck - zum Teil hochbelastet mit Umweltchemikalien - lässt sich so gut wie gar nicht verkaufen. Meine Kollegen in Tokio haben eine atemberaubende Menge von über 6000 Tonnen Walfleisch berechnet, die tiefgefroren auf ihre Abnehmer wartet. Das Walfleischgeschäft ist eine Minuswirtschaft ersten Ranges und der Verkauf des Walfleisches deckt seit Jahren nicht mehr die Kosten der Expeditionen. Auch die Fangflotte ist dringend überholungsbedürftig. Das Fabrikschiff "Nisshin Maru" mit seiner Konservendosen-Verarbeitungsstraße unter Deck gehört eigentlich außer Fahrt gestellt und es wird laut Zeitungsberichten immer schwieriger, für die Harpunenboote "Yushin Maru" Besatzungen zu heuern. 2011 deckten Greenpeace-Recherchen auf, dass in der Zeit nach der Fukushima-Katastrophe Gelder des Tsunami-Hilfsfonds umgewidmet wurden, um die japanische Walfangflotte zu renovieren und auf die monatelange Fahrt ins Südpolarmeer vorzubereiten. Doch auch dies ficht die Befürworter des Walfangs im japanischen Inselreich nicht an.

Warum also Walfang?

Die Gretchenfrage nach dem Warum lässt sich nur politisch und kulturell beantworten. Offensichtlich meint sich die japanische Seite in den letzten Jahren bereits so weit ins Zeug gelegt zu haben, dass sie ohne einen bedeutenden Gesichtsverlust nicht mehr so einfach aussteigen kann. Japanischer Machismo eben, Punkt, Aus. Doch es gibt auch politische Beweggründe, denn mit dem Walfang hat die japanische Regierung eine Möglichkeit gefunden, dem ewig bevormundenden Westen, nämlich den USA, der EU und Australien kräftig vors Schienenbein zu treten, ohne dabei großartig außenpolitisches Porzellan zu zerschlagen. Außerdem fürchtet man offensichtlich auch den Präzedenzfall, der - sollte man in der Walfangfrage einknicken - Auswirkungen auf die wirtschaftlich weitaus wichtigeren internationalen Fischerei-Abkommen hätte.

Walfang in Island

Der letztgenannte Beweggrund ist mit ziemlicher Sicherheit auch der Impulsgeber für den isländischen Walfang, der in direktem Zusammenhang mit Japan steht. Dort werden zwei Walarten bejagt. Während das Fleisch der dort harpunierten Minkwale ausnahmslos auf dem lokalen Markt verkauft wird und dort übrigens zu mehr als 70 % von u.a. deutschen Touristen verzehrt wird, werden Finnwale der bedrohten nordatlantischen Population ausschließlich für den japanischen Markt abgeschlachtet. Bis zu zehn Tonnen Fleisch liefert ein einzelnes Tier. Als die Obama-Regierung Anfang April Island mit wirtschaftlichen Sanktionen drohte, sollte der Walfang nicht eingestellt werden, entschloss sich Kristjan Loftsson, Walfangflottenbetreiber und einer der reichsten Männer der Eisinsel zum großen Wurf. Ein Kühlschiff mit 2000 Tonnen Finnwalfleisch wurde auf die Reise nach Japan geschickt und ist dort Mitte Mai eingetroffen. Das Fleisch von ca 180 Finnwalen wird die Kapazitäten der tokioter Kühlhäuser weiter aufstocken. In den vergangenen zwei Jahren waren immer wieder Transporte über europäische Häfen, darunter auch Hamburg abgewickelt worden.

Im Sommer 2013 sorgten Greenpeace-Aktivisten für den Rücktransport nach Island, weil die notwendigen Papiere fehlten. Seitdem setzen wir uns für ein Gesetz ein, was den Transport von Walfleisch über deutsche Häfen verbietet.

Das nächste Treffen der IWC findet im September in Slowenien statt. Dort wird die japanische Regierung ihr neues antarktisches Walfangprogramm präsentieren und in der Saison 2015/2016 ihre Flotte wieder auf die Reise schicken. Es gibt noch viel zu tun, "Save the Whales!"


Autor Thilo Maack ist Kampaigner für Meere und Biodiversität bei Greenpeace Deutschland.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2014, Seite 17-18
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2014