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ARTENRAUB/250: Walschützer verurteilen Beginn der norwegischen Waljagd (OceanCare)


OceanCare - Medienmitteilung, 4. April 2017

Walschützer verurteilen Beginn der norwegischen Waljagd

Erhöhte Fangquoten widersprechen dem Stand der Wissenschaft und internationalen Entscheidungen


Wädenswil/München/Washington DC, 3. April 2017. Eine Koalition internationaler Walschutz-Organisationen verurteilt den Walfang in Norwegen aufs Schärfste. Am 1. April 2017 begann die diesjährige Jagdsaison, in der 999 Zwergwale zum Abschuss freigegeben wurden. Damit liegt die von der norwegischen Regierung festgesetzte Quote um 100 Tiere über jener des Vorjahres. Hinzu kommt, dass 90% der von der norwegischen Walfangindustrie getöteten Tiere Weibchen sind, die meisten davon trächtig. Daher ist die eigentliche Tötungsrate fast doppelt so hoch und ein gravierender Einschnitt in die kommenden Generationen der Art.


Foto: © Michael Tenten/IMMCS

Harpunierter Zwergwal wird an Bord gezogen
Foto: © Michael Tenten/IMMCS

Die Erhöhung der Quote kommt zu einer Zeit, in der die inländische Nachfrage nach Walfleisch nachlässt, während der Export norwegischer Walprodukte rasant steigt, was in Widerspruch zu weltweiten Verboten der kommerziellen Waljagd und des internationalen Handels mit Walprodukten steht.

Mit der selbstgewährten Quote, die von der Internationalen Walfangkommission (IWC) nicht gebilligt wurde und die Jagd in Gebieten erlaubt, wo bekanntermassen die meisten Tiere trächtige Weibchen sind, zementiert Norwegen seine Stellung als Nummer 1 unter den Walfangländern.

"Norwegen ist ein moderner Staat, aber seine Walfangpolitik ist grausam, verantwortungslos, unnötig und rückständig", sagt Jennifer Lonsdale, Senior Oceans Campaigner der Environmental Investigation Agency. "Norwegens Ruf wird vom Blut dieser fühlenden und intelligenten Säugetiere befleckt. Statt sie zu töten, sollte Norwegen die grosse Bedeutung der Wale für die Bewahrung intakter Ökosysteme, auch in seinen Gewässern, anerkennen."

Seit 1993 hat Norwegen mehr als 12 000 Wale getötet, obwohl die IWC die kommerzielle Waljagd seit langem verbietet. Als wäre das noch nicht schlimm genug, liess Norwegens Fischereiminister Per Sandberg kürzlich verlauten, dass er eine Verdoppelung der diesjährigen Quote von 999 Tieren begrüssen würde - obwohl der Wissenschaftsausschuss der IWC nicht bestätigt hat, dass eine derart hohe jährliche Tötungsrate nachhaltig sein könnte.

"Es ist der Gipfel biologischer Rücksichtslosigkeit, wenn Norwegen Walfangquoten festsetzt, die von den führenden Walforschern nicht als nachhaltig eingestuft wurden. Falsche Information wird nicht wahr, auch wenn die Walfangbefürworter sie noch so oft wiederholen", so Nicolas Entrup, Konsulent für OceanCare. "Letztlich geht es hier aber nicht um Nachhaltigkeit, sondern um Notwendigkeit. Kommerzieller Walfang ist nicht mehr notwendig und das weltweite Verbot muss umgesetzt werden."

Auch Norwegens rasant wachsender Handel mit Walprodukten gibt Anlass zur Sorge. Alleine im Jahr 2016 wurden 197 Tonnen Walfleisch und -speck nach Japan exportiert, das ist mehr als in den beiden vorangegangenen Jahren zusammen. Dieser Handel steht im Widerspruch zum internationalen Verbot des kommerziellen Handels mit Walprodukten, der im Rahmen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens (CITES) beschlossen wurde.

"Norwegen versteckt sich hinter seinen Einwänden und Vorbehalten gegenüber internationalen Verträgen, um weiterhin mit seinen Walprodukten auf dem Weltmarkt hausieren gehen zu können", sagt Sandra Altherr, Biologin bei Pro Wildlife. "Norwegen muss seine Verpflichtungen durch diese Verträge erfüllen und anerkennen, dass Wale lebendig viel wertvoller sind als tot. Und die EU muss schnell und energisch gegen norwegischen Walfang in europäischen Gewässern auftreten."

Die Organisationen befürchten, dass der zunehmende internationale Handel eine Branche über Wasser hält, die mit der sinkenden Nachfrage nach Walfleisch in Norwegen zu kämpfen hat. Das zeigte sich zum Beispiel im Januar 2017, als rund 60 Tonnen Zwergwalfleisch an norwegische Suppenküchen und Seniorenheime verschenkt wurden, da die Unternehmen unverkaufte Produkte loswerden wollten, die an die Grenze ihrer Lagerdauer kamen. Ausserdem wurden in den letzten Jahren mehr als 100 Tonnen Walprodukte an Rogaland Pelsdyrfôrlaget geliefert, den grössten Hersteller von Futtermitteln für die norwegische Pelzindustrie.

"Zugleich mit der Nachfrage nach Walfleisch in Norwegen verschwindet auch diese grausame Branche", stellt DJ Schubert, Wildtierbiologe beim Animal Welfare Institute, fest. "Es ist Zeit für Norwegen, die Harpunen an den Nagel zu hängen und das unnötige Leiden der Wale und ihres ungeborenen Nachwuchses zu beenden, indem die kommerzielle Waljagd verboten wird - es gibt keine vertretbare Alternative dazu."

Hintergrund

In den achtziger Jahren hat die IWC ein Fangverbot für 13 Grosswalarten verhängt. Während Japan unter dem Deckmantel der Wissenschaft jagt, hat Norwegen gegen das Moratorium zum Schutz der Wale formellen Einspruch erhoben und ist damit nicht an das Fangverbot gebunden. Die Jagd auf Wale in norwegischen Hoheitsgewässern ist einheimischen Fischern deshalb erlaubt, ebenso der bilaterale Walfleisch-Handel mit Japan. Wie in Island setzt auch das norwegische Fischereiministerium die Fangquoten jährlich selbst fest und ignoriert dabei die Vorgaben der IWC.


OceanCare
Seit 1989 setzt sich OceanCare weltweit für die Meeressäuger und Ozeane ein. Mit Forschungs- und Schutzprojekten, Umweltbildungskampagnen sowie dem Einsatz in internationalen Gremien unternimmt die Organisation konkrete Schritte zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Weltmeeren. Im Juli 2011 erhielt die Organisation von den Vereinten Nationen den UN-Sonderberaterstatus zugesprochen.
www.oceancare.org

Pro Wildlife
Pro Wildlife ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Deutschland, die sich global für den Schutz von Wildtieren und ihrer Lebensräume einsetzt. Weltweit unterstützt Pro Wildlife Artenschutzprojekte vor Ort und leistet Aufklärungsarbeit, um Wildtierhandel und Wilderei einzudämmen. Pro Wildlife nimmt an Konferenzen wie der Internationalen Walfangkommission (IWC) und dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) teil, um den Schutzstatus von Wildtieren weltweit zu verbessern.
www.prowildlife.de

Animal Welfare Institute
Das Animal Welfare Institute ist eine gemeinnützige Organisation, die 1951 gegründet wurde und sich der Verminderung von menschgemachtem Tierleid widmet. AWI arbeitet mit Politikern, Wissenschaftlern, Vertretern der Wirtschaft und der breiten Öffentlichkeit, um einen besseren Umgang mit Tieren in allen Bereichen zu erwirken - in Labors, in der Landwirtschaft, im Handel, in Haushalten und in freier Wildbahn.
Weitere Informationen unter www.awionline.org.

Environmental Investigation Agency
Die Environmental Investigation Agency (EIA) ist eine unabhängige Kampagnen-NGO mit Sitzen in London und Washington D.C. Sie will einen Wandel herbeiführen, der die Natur vor Umweltkriminalität und Ausbeutung schützt. Zu ihren Kampagnenzielen zählen der verstärkte weltweite Schutz von Waltieren und die Verminderung der Plastikverschmutzung der Meere. Darüber hinaus arbeitet die EIA an der Aufdeckung und Bekämpfung einer große Bandbreite an Umweltverbrechen, darunter illegaler Handel mit Wildtieren, illegale Entwaldung, Giftmüll u.a.
Weitere Informationen unter www.eia-international.org.



Weiterführende Links und Informationen

- Norwegischer Dokumentarfilm "Slaget om kvalen" ("Die Schlacht um die Wale") zeigt, dass 90 Prozent der getöteten Zwergwale weiblich sind, die meisten davon trächtig:
https://www.nrk.no/mr/dei-fleste-skotne-kvalane-har-foster-i-magen-1.13414065

Bericht "Frozen in Time: Wie das moderne Norwegen am Walfang festhält":
www.oceancare.org/frozen-in-time
Referenzierung: Altherr, S., O'Connell, K., Fisher, S., Lüber, S. (2016). Frozen in Time. Report by Animal Welfare Institute, OceanCare and Pro Wildlife, 23 pp.

Informationen über den norwegischen Walfang, das Walfangverbot und die IWC:
https://www.oceancare.org/de/unsere-arbeit/tierschutz/wale/walfang/

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Quelle:
Medienmitteilung vom 4. April 2017
Herausgeber: Verein OceanCare
Oberdorfstr. 16, Postfach 372, Ch-8820 Wädenswil
Tel.: +41 (0) 44 780 66 88, Fax: +41 (0) 44 780 66 08
E-Mail: info[at]oceancare.org
Internet: www.oceancare.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2017

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