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ARTENSCHUTZ/093: Indien - Ratifizierung von Nagoya-Protokoll angekündigt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. Oktober 2012

Indien: Artenschutz auf Graswurzelebene - Ratifizierung von Nagoya-Protokoll angekündigt

von Keya Acharya


Infostand auf der COP 11 der CBD in Hyderabad - Bild: © Keya Acharya/IPS

Infostand auf der COP 11 der CBD in Hyderabad
Bild: © Keya Acharya/IPS

Hyderabad, Indien, 18. Oktober (IPS) - Indiens Behörde für nationale Biodiversität (NBA) fördert aktiv Maßnahmen zur Sicherung der Lebensgrundlage lokaler Gemeinschaften als besten Weg, um den Artenreichtum im Sinne des Nagoya-Protokolls zu erhalten.

Am 16. Oktober hatte der indische Ministerpräsident Manmohan Singh auf der Konferenz der Vertragsstaaten der Übereinkunft über die biologische Vielfalt (CBD) die Ratifizierung des Nagoya-Protokolls und 50 Millionen US-Dollar für nationale Artenschutzmaßnahmen angekündigt.

Bis jetzt haben erst 17 Staaten das Nagoya-Protokoll der CBD von 2010 zum gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen ratifiziert. 50 Ratifizierungen sind jedoch nötig, um es zu einem rechtsverbindlichen Instrument zu machen.

Das Protokoll beinhaltet die sogenannten Aichi-Ziele, die unter anderem vorsehen, die Ursachen des Artenschwunds zu bekämpfen, die Artenvielfalt nachhaltig zu nutzen und den Zustand der biologischen Vielfalt durch die Sicherung von Ökosystemen, Arten und genetischer Vielfalt zu verbessern. Darüber hinaus soll der Nutzen aus der biologischen Vielfalt und den Leistungen der Ökosysteme gesteigert und die Umsetzung der Artenvielfalt durch Planung, Wissensmanagement und Kapazitätsaufbau effizienter gestaltet werden.

Doch als problematisch stellt sich die Beschaffung der dreistelligen Milliarden-Dollar-Beträge heraus, die erforderlich sind, um die insgesamt 20 Aichi-Ziele bis 2020 umzusetzen. Das Thema beschäftigt auch die Teilnehmer der COP 11, die vom 8. bis 19. Oktober in der südindischen Stadt Hyderabad stattfindet.


Wissen längst vorhanden

"Wir diskutieren über die Ressourcenmobilisierung, ohne die lokalen Gemeinschaften einzubeziehen", kritisierte der NBA-Vorsitzende Balakrishna Pisupati. "Dabei übersehen wir, dass sie die Antwort schon längst kennen." Die NBA lässt die landesweiten Aktivitäten zum Schutz der biologischen Vielfalt derzeit vom Studienzentrum für Wald und natürliches Ressourcenmanagement (CEFNARM) der Waldbehörde des südindischen Bundesstaates Andhra Pradesh dokumentieren.

CEFNARM hat in Andhra Pradesh, dem Gastgeber der COP 11, bereits 80 Orte gefunden, wo der Artenschutz den Menschen zu einem Auskommen verholfen hat, die auf die Flora und Fauna sowie das traditionelle Wissen lokaler Gemeinschaften angewiesen sind. 25 Fallbeispiele - von der nachhaltigen Verwendung von Bambus über die Honig- und Kautschukproduktion bis hin zum Schutz von Medizinalpflanzen und Mangroven sowie dem Ökotourismus - wurden ausgewählt und sollen nun ähnlichen Projekten als Modelle dienen.

CEFNARM-Generaldirektor P. Raghuveer würdigte auf der COP11 die Leistungen der Nichtregierungsorganisationen in Andhra Pradesh. Beim Schutz der Mangrovenwälder erhalten die Einwohner der Gemeinde Kobbari Chettupeta im Bezirk East Godavari Unterstützung von der M.S.-Swaminathan-Forschungsstiftung (MSSRF), die sich um die Wiederherstellung der Artenvielfalt in den Küstenregionen bemüht.

Das MSSRF-Engagement in der Region geht auf das Jahr 1996 zurück, als ein Zyklon etliche Dörfer in der Region zerstörte. Damals erkannte ein 60-jähriger Dorfbewohner, Mythu Sathya Rao, dass die Gemeinden ohne Mangrovenwälder am schlimmsten verwüstet worden waren. Mythu Rao gelang es, seine Ortschaft für den Mangrovenschutz zu interessieren. Die MSSRF unterstützte die lokalen Aktivitäten daraufhin mit der Bereitstellung rauchfreier Herde, die nicht mehr mit dem Holz von Mangroven befeuert werden.


Artenschutz zahlt sich aus

Im Innern von East Godavari haben die Dorfbewohner mit Hilfe der für die Kalinada-Wälder zuständigen Fortbehörde Waldkomittees gegründet, die sich dem Wiederaufbau von Bambushainen widmen. Bambus wird dort jetzt so geerntet, dass es nachwachsen kann. Es hat sich für lokale Gemeinschaften inzwischen zu einer wichtigen Einnahmequelle entwickelt.

2010 erzielte der Bambusverkauf fast 200.000 indische Rupien (umgerechnet 4.000 Dollar), die sich die Forstbehörde und das Waldkomitee teilten. Das Geld reichte für die Bedürfnisse der 14 ethnischen Haushalte aus. Sanyasi, eine Witwe, verwendete ihren Anteil aus dem Geschäft für den Bau eines Hauses, den Schulbesuch ihrer drei Kinder und der Hochzeit einer Tochter und eines Sohnes.

"Das sind Beispiele dafür, was unter der Ökonomie von Ökosystemen und Artenvielfalt (TEEB) verstanden werden sollte", sagte Pisupati. Indien führt derzeit im Rahmen von TEEB ein Programm zur Erfassung des Wertes seiner natürlichen Ressourcen durch, mit dem Ziel, diese effizient und nachhaltig zu nutzen. Auch andere südasiatische Länder wie Nepal und Bangladesch zeigen ebenfalls Interesse an TEEB.

TEEB ist eine von den G8-Staaten entwickelte internationale Initiative, die die Aufmerksamkeit auf den globalen wirtschaftlichen Nutzen der Artenvielfalt lenken will, um auf die zunehmenden Kosten hinzuweisen, die durch den Verlust der Artenvielfalt und die Degradierung der Ökosysteme entstehen.

Indiens Regierungschef Singh pries auf der COP 11 die Biodiversitätsbemühungen des Landes wie die digitale Bibliothek für traditionelles Wissen an, die über mehr als 34 Millionen Seiten lokale Wissenssysteme erfasst. Die Bibliothek ist Singh zufolge als Antwort auf die Biopiraterie indischer Pflanzensysteme wie etwa der Patentierung der Extrakte des Neem-Baums und von Kurkuma für medizinische Zwecke gedacht. Beide Pflanzen werden in Indiens traditioneller Medizin seit Jahrhunderten verwendet.

Auf lokaler Ebene stößt TEEB auf Misstrauen. Nichtregierungsorganisationen und Experten befürchten, dass vor allem private Konzerne aus der Artenvielfalt der Region Kapital schlagen werden und die lokalen Gemeinschaften dadurch ins Hintertreffen geraten könnten. Indien beheimatet acht Prozent aller Arten weltweit. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.cbd.int/2011-2020/goals/
http://www.cbd.int/
http://www.teebweb.org/
http://www.ipsnews.net/2012/10/india-to-conserve-biodiversity-at-grassroots/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 18. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Oktober 2012