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ENERGIE/074: St. Vincent - Kurs auf erneuerbare Energien, hohe Erwartungen an Erdwärmeprojekt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Januar 2015

St. Vincent:
Kurs auf erneuerbare Energien - Hohe Erwartungen an Erdwärmeprojekt

Von Kenton X. Chance


Bild: © Kenton X. Chance/IPS

St. Vincent und die Grenadinen setzt auf Solarkraft
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Kingstown, 13. Januar (IPS) - Jahrzehnte lang wurde auf den produktiven Hängen des Vulkans La Soufriere im Norden der Insel Marihuana angebaut. Die Droge befeuert die Schattenwirtschaft und den Handel der östlichen Karibik. Doch nun soll der 1.234 Meter hohe Riese, der zuletzt 1979 ausgebrochen ist, für ein hehres Ziel herhalten: die Erzeugung von geothermischer Energie.

Regierungschef Ralph Gonsalves hält Erdwärme für einen vielversprechenden Energieträger, um die Wirtschaft des Inselstaates St. Vincent und die Grenadinen in Schwung zu bringen. In dem Land, in dem der Tourismus bislang die Haupteinnahmequelle ist, kostet die Kilowattstunde um die 40 bis 50 US-Cent. Zum Vergleich: In Deutschland lagen die Industriestrompreise im Jahr 2014 nach Angaben des Statistikportals 'Statista' bei etwa 8,5 Euro-Cent.

Haushalte und produzierendes Gewerbe in St. Vincent und die Grenadinen hoffen, dass sich aus geothermischen Quellen die zehn bis 14 Megawatt Strom generieren lassen, die das Land so dringend braucht, um seine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und seine Agrarerzeugnisse und andere Rohstoffe weiterzuverarbeiten.

Die Exploration des Erdwärmepotenzials erfolgt im Rahmen eines Partnerschaftsprojektes der 'Unity Labour Party', der isländischen Firma 'Reykjavik Geothermal Ltd.' und des internationalen Energiekonzerns 'Emera Inc.', der im kanadischen Nova Scotia angesiedelt ist und in der Karibik Elektrizitätswerke besitzt.


Erdwärme ab 2018

Im Dezember, ein Jahr nach dem Beginn der Explorationsarbeiten, erklärte Ministerpräsident Gonsalves, der sich in diesem Jahr zum vierten Mal in Folge für eine Amtszeit bewirbt, dem Parlament, dass die Erdwärmeanlage bis Ende 2017 fertiggestellt sein dürfte. Bis Juni 2015 soll der Expertenbericht vorliegen und der Standort für die Anlage und den Schacht feststehen, wie er betonte. "Wir sind auf dem besten Weg. Wenn nichts dazwischenkommt, könnten wir ab Ende 2017 zehn Megawatt Strom erzeugen."

Bild: © Kenton X. Chance/IPS

Das geothermische Potenzial des Vulkans La Soufriere auf St. Vincent soll genutzt werden
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Mit den "extrem zinsniedrigen Geldern", die dem Land nach Aussagen von Gonsalves in Kürze bereitstehen, könnten die Kredite in Höhe von insgesamt 15 Millionen Dollar gemeint sein, die die Regierung beim 'Abu Dhabi-Entwicklungsfonds' und bei der 'Internationalen Agentur für erneuerbare Energien' (IRENA) beantragt hat. Ob die Rechnung aufgeht, wird sich auf der fünften Sitzung der IRENA-Versammlung vom 17. bis 18. Januar in Abu-Dhabi entscheiden, an der Gonsalves teilnehmen wird.

Dazu meinte der Regierungschef im IPS-Gespräch, dass es in diesem Jahr um einen Gesamtbetrag in Höhe von 60 Millionen Dollar gehe, der auf acht Parteien verteilt werde, die den Zuschlag erhielten. Insgesamt lägen um die 80 Anträge vor.

Trotz des jüngsten Ölpreisverfalls ist Gonsalves nach wie vor überzeugt, dass die erneuerbaren Energien die richtige Wahl für St. Vincent und die Grenadinen sind. "Lediglich in Zeiten, als der Diesel für 15 Dollar das Barrel zu haben war, gab es den Druck nicht, sich alternativen Energieformen zuzuwenden", fügte er hinzu.

Ein Viertel der 20 Megawatt Strom, die der karibische Inselstaat zur Deckung der Verbrauchsspitzen benötigt, werden derzeit von drei Wasserkraftwerken generiert. Mit Diesel im Wert von 70 Millionen Dollar (2013) werden die restlichen 15 Megawatt erzeugt.

"Wir wollen die Wasserkraftwerke effizienter machen. Und wir wollen und werden Energie aus Solarkraft und Erdwärme erzeugen", versprach Gonsalves. Mit Erdwärme allein ließen sich bereits 98 Prozent des Grundlaststrombedarfs des Landes decken. Sonnenkraft könnte mindestens 20 Prozent des Grundlaststroms generieren. "Das zeigt, dass wir trotz der reichlich vorhandenen Sonne für den Grundlaststrom immer noch auf Wasserkraft, Geothermie und Diesel zurückgreifen müssen", betonte der Regierungschef.

Zu denjenigen, die die Fertigstellung der Erdwärmeanlage kaum erwarten können, gehört der Möbelproduzent Montgomery Dyer, der 28 Mitarbeiter beschäftigt. Er lebt in Spring Village, einem Ort in North Leeward, dem Bezirk im Nordwesten von St. Vincent, wo sich ein Teil des Vulkans befindet. La Soufriere erstreckt sich über das nördliche Drittel der 344 Quadratkilometer großen Insel.

Wie der 52-Jährige berichtete, machen die derzeitigen Strompreise zehn Prozent seiner Produktionskosten aus. Monat für Monat fielen an die 1.100 Dollar an Energiekosten an. "Wenn wir die Stromkosten drosseln können, sinken die Produktionskosten. Wir werden dann viel wettbewerbsfähiger sein", meinte er gegenüber IPS.


Auch Solarstrom erwünscht

St. Vincent und die Grenadinen haben bereits einige Schritte unternommen, um den fast ganzjährig vorhandenen tropischen Sonnenschein für Energiezwecke zu nutzen. Das Land verfügt über Photovoltaikanlagen, die etwa 750 Kilowattstunden bereitstellen können. Eine Zehn-Kilowattstunden-Solaranlage befindet sich im Finanzkomplex, in dem auch das Büro des Ministerpräsidenten untergebracht ist. Die Kosten für die Kühlung des Gebäudes konnten um 20 Prozent gesenkt werden.

Die meisten Solarinstallationen gehören dem staatlichen Stromerzeuger 'St. Vincent Electricity Services Ltd.' (VINLEC), der das Monopol auf die Gewinnung von Industriestrom und auf die Stromverteilung hält. VINLEC verfügt in seinen Cane-Hall-Stromwerken östlich von Kingstown über Solarzellen, die 557 Kilowattstunden erzeugen. Eine weitere Anlage befindet sich in der Lowmans Bay westlich der Hauptstadt, wo auch eine Dieselstromanlage steht.

Der Staatsbetrieb hat eine Million Dollar für Solarzellen ausgegeben. Doch für die Verbraucher bedeutet dies nur einen Rückgang der Verbraucherpreise um Cent-Beträge.

Alle landesweit installierten Solaranlagen werden den Schätzungen zufolge die Treibhausgase von St. Vincent und die Grenadinen um 800 Tonnen pro Jahr verringern. "Das mag sich zwar bescheiden ausnehmen, doch wollen wir damit der Welt zeigen, dass wir als kleiner Inselentwicklungsstaat unseren Beitrag gegen den Klimawandel leisten", so Gonsalves.

Die CO2-Emissionen sind die Hauptverursacher der Erderwärmung, die St. Vincent und die Grenadinen in den letzten Jahren heftige Wetteranomalien beschert hat. So kam es Heiligabend 2013 zu schweren Überschwemmungen mit zwölf Todesopfern. Den offiziellen Angaben zufolge schlugen die wirtschaftlichen Schäden mit 122 Millionen oder 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu Buche.

Dem Möbelhersteller Dyer brachten die Überschwemmungen Verluste in Höhe von 445.000 Dollar. Er musste mehrere Kredite aufnehmen, um seine zerstörte Fabrik wieder aufzubauen. "Die Wassermassen rissen das Gebäude teilweise ein setzten den Maschinenpark unter Wasser und Schlamm. Das war ihr Ende." (Ende/IPS/kb/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/st-vincent-embarks-on-renewable-energy-path/

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IPS-Tagesdienst vom 13. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2015


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