Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

GLOBAL/043: Erster Entwurf der Rio+20-Erklärung vorgelegt (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012

»Die Zukunft, die wir wollen«
Erster Entwurf der Rio+20-Erklärung vorgelegt

von Jürgen Maier



Es ist wahrlich kein leichter Job, aus 6.000 Seiten Textvorschlägen höchst unterschiedlicher Staaten und nichtstaatlichen Interessengruppen aus aller Welt eine möglichst kurze, aussagekräftige und außerdem auch noch möglichst konsensfähige Textvorlage zu zaubern. Vermutlich gehört das eher in die Kategorie »mission impossible«. So ungefähr könnte man die Aufgabe des UN-Sekretariats beschreiben, das im Januar den sogenannten »Zero Draft« mit dem Titel »Die Zukunft, die wir wollen« der Gipfelerklärung für Rio+20 vorgelegt hat.

Neunzehn Seiten, die im Laufe der Beratungen sicherlich nicht kürzer werden, aber nach Meinung vieler Beobachter immerhin noch ein bisschen mehr an Substanz als man bei globalen Minimalkonsensen erwarten konnte. Bei den ersten informellen Diskussionen Ende Januar über den Text im UN-Hauptquartier stellte niemand diesen Text als Verhandlungsgrundlage in Frage.

Im einleitenden Kapitel mit der Überschrift »Renewing Political Commitment« wird zwar darauf verwiesen, dass es durchaus inspirierende Erfolge seit Rio 1992 gegeben habe, aber auch sogenannte »Rücksch|äge«, was an miteinander zusammenhängenden Finanz-, Energie- und Landwirtschafts-Krisen gelegen habe. Nachhaltige Entwicklung sei nach wie vor ein »weit entferntes Zie|«, und es gebe große und systemische Hindernisse auf dem Weg dahin. Dass diese Krisen nicht vom Himmel fielen, sondern am mängelnden politischen Willen der Staaten, die Rio-Agenda umzusetzen, wird schlicht ausgeblendet und stattdessen konstatiert, das nationale Commitment zu Nachhaltiger Entwicklung habe sich vertieft. Auch die im Text enthaltenen Hommagen an alle möglichen nichtstaatlichen Akteure von der Wirtschaft über die Zivilgesellschaft bis zu den indigenen Völkern können nicht ausblenden, dass die Ursachenanalyse für die dürftige Umsetzung von Rio 1992 die Rolle der Regierungen beschönigt - beschönigen muss, denn diese Regierungen sollen das Dokument im kommenden Juni ja auch verabschieden.


Mit Green Economy zur Nachhaltigen Entwicklung

Politisch vielleicht interessanter sind die Passagen zur Green Economy. Der Text erklärt die Green Economy als Mittel zur Erreichung nachhaltiger Entwicklung, nicht als Alternative zu ihr. Der Text erklärt offen, Green Economy nicht genau definieren zu wollen, das sei länderspezifisch und überall anders. Bis 2015 sollen sogenannte »Sustainable Development Goals« verhandelt werden, denn Ziele und Aktionspläne seien zentral für die Erreichung von Fortschritten zu Nachhaltiger Entwicklung. Breiten Raum nimmt der Meeresschutz ein, dem es in der Tat bisher an einem globalen Regulierungsrahmen weitgehend fehlt. Sogar das Bruttonationaleinkommen BNE wird hinterfragt; »We also recognize the limitations of GDP as a measure of well-being. We agree to further develop and strengthen indicators complementing GDP that integrate economic, social and environmental dimensions in a balanced manner. We request the Secretary-General to establish a process in consultation with the UN system and other relevant organizations.«

Am konkretesten wurde der Text bei den institutionellen Fragen, wobei er hier verschiedene denkbare Optionen vorschlägt. Auffallend ist, dass in allen diesen Optionen die Aufwertung des UN-Umweltprogramms UNEP enthalten ist, mithin der Status quo keine Option mehr ist. Konkret gemeint ist damit vor allem die universelle Mitgliedschaft im Verwaltungsrat und eine signifikante Stärkung seiner Finanzmittel; eine vorgeschlagene Option ist die Aufwertung zu einer vollwertigen UN-Sonderorganisation à la FAO (Food and Agriculture Organization - Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation) oder WHO (World Health Organization - Weltgesundheitsorganisation). Natürlich kann der Status quo immer noch als Ergebnis herauskommen, wenn man sich nicht einigen kann, aber dass das Sekretariat es mittlerweile für konsensfähig hält, UNEP derart aufzuwerten ist bemerkenswert. Unübersichtlicher ist die institutionelle Frage für das UN-Hauptquartier selbst: die weithin als gescheitert geltende Commission for Sustainable Development (CSD) soll entweder reformiert oder durch einen neuen Sustainable Development Council (SDC) ersetzt werden. Allerdings bleibt unklar, wie bei diesem SDC mehr herauskommen soll als bei der CSD, wenn die handelnden Akteure dieselben bleiben.

Die ersten beiden Kapitel (Präambel und »Renewing Political Commitment«) wurden Ende Januar in einer informellen Sitzung im UN-Hauptquartier diskutiert und sind nun im Verhandlungsstadium. Für die anderen drei (Green Economy, Institutioneller Rahmen, und der Maßnahmenteil) konnten noch bis zum 29. Februar Eingaben gemacht werden. Das Sekretariat wird daraus eine Zusammenstellung für die ersten informellen Verhandlungen am 19. bis 23. März machen. Dort wird es vermutlich stärker um Inhalte gehen als bei der ersten Runde Ende Januar.

Der Text des Zero Draft könnte bei diesen Verhandlungen noch erheblich in Frage gestellt werden. Im UN-Kontext war der Zero Draft sicherlich nicht das schlechteste denkbare Dokument, auch wenn er natürlich in den Zwängen der Realpolitik verhaftet bleibt, und von einer ehrlichen Problemanalyse genauso weit entfernt ist wie von einem den globalen Krisen angemessenen Handlungsrahmen. Aber wer an solche Gipfel mit unrealistischen Erwartungshaltungen herangeht, kommt meist nicht weit. Am Ende kommt es darauf an, ob wir Rio für neuen Schwung für konkrete Schritte zu mehr Nachhaltigkeit nutzen können oder nicht, und dabei spielt, wie schon 1992, die Frage was da genau im Text der Abschlusserklärung steht, nicht die entscheidende Rolle.

Der Autor ist Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

*

Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2012