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GLOBAL/051: Rio+20 - Wachstums- und Wertediskussion als roter Faden der Green Economy (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012
Landwirtschaft - Da ist der Wurm drin?!

Themen & AGS
Wachstums- und Wertediskussion als roter Faden der Green Economy
Rio+20-Konferenz des Forums Umwelt und Entwicklung

von Claudia Kabel



»Ökologisch verträglich, sozial gerecht und ökonomisch zukunftsfähig - Strukturwandel für eine Green Economy« war der Titel der internationalen Konferenz, zu der das Forum Umwelt und Entwicklung am 7. und 8. Februar nach Berlin eingeladen hat. Etwa 200 TeilnehmerInnen aus Umwelt- und Entwicklungsverbänden, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft diskutierten im Vorfeld von Rio 2012 mit internationalen Gästen aus Indien, Südkorea und China über Interessens- und Zielkonflikte, Chancen und Risiken einer Green Economy.

Die Konferenz umfasste Paneldiskussionen zu Vorreitern der wirtschaftlichen Transformation in Asien und Europa und Auswirkungen eines solchen Strukturwandels, zu Wirtschaft und Wachstum innerhalb der ökologischen Grenzen sowie zu den internationalen und nationalen Erwartungen an Rio 2012. Darüber hinaus fanden am ersten Tag Workshops zu Interessens- und Zielkonflikten einer Green Economy im Energiesektor, beim Ressourcenverbrauch sowie beim Schutz und Nutzen der Biosphäre statt. Am zweiten Tag standen Praxisbeispiele der wirtschaftlichen Transformation in Südkorea, Brasilien und Südafrika im Mittelpunkt der Workshops.


Common, but differentiated - Geteilte Meinungen zur Green Economy

Sehr unterschiedliche Sichtweisen einer »Green Economy« gab es sowohl national als auch international. Dabei waren sowohl begründete Befürchtungen vor einem »greenwashed business as usual« ohne tragfähige Lösungskonzepte als auch pragmatische Ansätze, die unterschiedlichen Probleme endlich an der Wurzel zu bekämpfen, also an der Art wie wir wirtschaften, vertreten. Der konstruktive Beitrag zu dem Diskurs wie wir in Zukunft leben wollen, wird in Rio 2012 nicht zu einem Ende geführt werden, kann aber Auftakt eines weltweiten Paradigmenwechsels bilden.

Auch wenn immer effizientere Technologien und Innovationen im Rahmen der Green Economy zumeist als eine Voraussetzung für eine Transformation gesehen werden, geht es um mehr. Jenseits von Zahlen muss es um ein neues Wertekonzept gehen, einschließlich grundsätzlicher Menschenrechte, wie zum Beispiel auf Wasser oder Nahrung. Ziel ist eine grüne und partizipative Wirtschaft, mit einer Umwelt- aber auch mit einer umfassenden Sozialagenda.

Veränderte Weichenstellungen muss es vor allem für Investitionsanreize und Subventionen geben. Aber es wurde auch deutlich hervorgehoben, dass auch grüne Investitionen sind nicht per se gut sind, sondern ökologische und soziale Folgenabschätzungen brauchen. Große Einigkeit herrschte darüber, dass wir neue Indikatoren für die Bemessung von Wachstum und Wohlstand benötigen. Dazu gehöre auch, dass neben Umwelt- und Sozialkosten beispielsweise auch die Wertschöpfung durch Frauen sichtbar gemacht werde.


Grünes, anderes oder gar kein Wachstum?

Nicht nur im zeitlichen Ablauf war die Abschlussdiskussion des ersten Tages zum Wachstum innerhalb der globalen ökologischen Grenzen zentrale Veranstaltung des Kongresses. Bereits in der Keynote wurde deutlich, nicht nur die westlichen Industriestaaten, auch Asiens aufstrebende Schwellenländer müssen ihr Wachstumsmodell überprüfen und auf eine weniger ressourcenintensive Basis stellen.

Ein Wachstumsstopp steht für Indien und viele andere Schwellen- und Entwicklungsländer derzeit aber nicht zur Debatte. Auch bei der Diskussion um eine Green Economy steht die Beseitigung der Armut im Mittelpunkt. Das Primat des Wachstums bleibt größtenteils unangefochten, schon allein aufgrund der schnell wachsenden Bevölkerung.


Weitere Diskussionsstränge und rote Fäden

Bedeutung und Rolle des Staates und der Zivilgesellschaft - Eine aktivere Rolle des Staates wurde von Akteuren aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden als wesentliche Voraussetzung zur erfolgreichen Gestaltung eines Strukturwandels identifiziert. Dazu gehört eine unabhängige und deutlich gestärkte Rolle der Zivilgesellschaft als gleichberechtigte Lobbygruppe neben der Wirtschaft.

Glaubwürdigkeit und Lösungsfindung - Das Hinterfragen bisheriger Glaubenssätze gilt für Akteure aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden. Die internationale Glaubwürdigkeit von Staaten hängt von der Umsetzung im eigenen Land ab, dies gilt für Deutschland insbesondere bei der Agrarpolitik, vor allem bei Agrarsubventionen und Massentierhaltung.

Veränderte Konstellationen der internationalen Politik - Im Gegensatz zu 1992 ist die Staatengemeinschaft weniger klar in Nord und Süd aufgeteilt - Die Welt hat sich verändert. Dies könnte zu neuen Allianzen und breiter getragenen Konzepten führen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass auch die alten Industriestaaten, etwa in Form von ambitionierten Roadmaps, verbindliche Entwicklungsschritte zusagen und einhalten.

Kristallisationspunkt Energiesektor - Neben der Verringerung der CO2-Emissionen, neuen Arbeitsplätzen und einer unabhängigeren Energieversorgung bedeutet die Energierevolution einen grundsätzlichen Umbruch der bisherigen Wirtschaftsweise. Einige Konsequenzen, etwa erhöhter Druck auf Flächennutzungen zur Energieerzeugung aus Biomasse und neue Ressourcenkonflikte sind bereits heute real.

Und das Fazit für Rio 2012? Entweder es gelingt uns, innerhalb kurzer Zeit eine wirklich nachhaltige Wirtschaftsweise durchzusetzen oder die Lage der Welt wird sich weiter verschärfen. Über Kollisionen bis hin zum Kollaps.

Die Autorin koordiniert das Projekt »Auf dem Weg nach Rio+20: eine zivilgesellschaftliche Begleitung mit besonderem Schwerpunkt auf Green Development, Low Carbon Development und biologische Vielfalt« beim Forum Umwelt und Entwicklung.

Eine Zusammenfassung der Kernaussagen der Konferenz sowie die Vortragsunterlagen der Keynote Speaker und ReferentInnen finden Sie unter:
www.forumue.de/projekte/rio-20

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
v.l.n.r.: Prof. Gensuo JIA, Key Lab of Regional Climate-Environment for East Asia, Chinese Academy of Sciences (CAS); Dr. Manfred Vohrer, Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) im EVKMU; Prof. Dr. h.c. Christa Randzio-Plath, VENRO; Monika Hoegen, Moderatorin und freie Journalistin; Prof. Dr. Dieter Flämig, Staatssekretär a.D., Forum für Strukturpolitik und Nachhaltigkeit, CDU Berlin; Prof. Dr. Martin Jänicke, Forschungszentrum für Umweltpolitik der FU Berlin.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012, Seite 35-36
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Mai 2012