Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

KLIMA/043: Cancun - Klimadiplomatie im Bummelzug gegen die Erderhitzung (NaturFreunde)


NaturFreunde Deutschlands - 13. Dezember 2010

Klimadiplomatie im Bummelzug gegen die Erderhitzung


Berlin, 13. Dezember 2010 - "Ja, es gab Fortschritte in Cancún, aber wieder keinen Durchbruch", fasst Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands und ehemaliger Staatssekretär im Bundesumweltministerium die Ergebnisse der Weltklimakonferenz in Mexiko zusammen. "Kaum einer glaubt noch daran, dass die globale Erderwärmung tatsächlich unter zwei Grad Celsius gehalten werden kann. Das ist schon ein unzureichender Wert, weil er bereits erhebliche Teile der Welt dem Klimawandel opfert. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass schon einmal von einer Erwärmungsobergrenze von 1,5 Grad Celsius die Rede war. Längst holen uns die Fakten ein, weil mehr geredet als gehandelt wird."

Die Dekade 2001 bis 2010 war das wärmste Jahrzehnt seit Beginn der direkten Wettermessungen von 1850. Sie war um 0,46 Grad Celsius wärmer als die Zeit zwischen 1961 und 1990. Tagtäglich erleben Millionen Menschen, dass sich ihre Lebensbedingungen radikal verändern, besonders in den Entwicklungsländern Bangladesch, Pakistan, Birma oder Honduras. Aber das Problem ist global: Auch die reichen Staaten Taiwan, Saudi-Arabien und Australien gehören zu den zehn Staaten, die derzeit am stärksten von immer häufigeren Wetterextremen betroffen sind. In den nächsten Jahrzehnten werden jedoch alle Länder die Folgen der Erwärmung zu spüren bekommen, die man besser Erderhitzung nennen sollte, weil so die dahinter stehende Dramatik besser zur Geltung kommt.


Ein neuer Geist der Zusammenarbeit: Jeder will mitmachen

Nach der Konferenzkatastrophe von Kopenhagen ging es in Cancún um Minimalziele, von Anfang an waren die Ansprüche zwei Nummern bescheidener. Dafür waren die Beratungen deutlich zielgerichteter und ein neuer Geist der Zusammenarbeit war zu spüren.

Sogar Fortschritte im Verhandlungsmarathon gab es: beim Waldschutz, bei der Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen und einem "grünen Fonds" oder beim Zugang zu Öko-Techniken. Auch bewegt sich in vielen Staaten real etwas: Brasilien etwa will das Amazonasgebiet ernsthaft schützen, China setzt auf Energieeffizienz und erneuerbare Energien, Südafrika verfolgt ehrgeizige Umbauziele für eine umweltverträgliche Stromversorgung. Selbst Staaten, die anfangs noch völlig konträr zum Klimaschutz standen, wollen nun mitmachen, wenn auch nur mit grundsätzlichen Zusagen. Das ist alles durchaus bemerkenswert, aber eben kein Durchbruch.


Zusagen bleiben unverbindlich und werden nicht eingehalten

Die Zusagen bleiben weiterhin unverbindlich, geschweige denn, dass es eine Sanktionierung bei Nichteinhaltung geben soll. Denn die Einigung von Cancún wurde nur deshalb möglich, weil das Dokument nicht mit konkreten Reduktionszahlen für Länder wie China oder die USA unterlegt wurde.

Bei den Klimaverhandlungen geht weiter nicht nur nichts gegen die "gelähmten" USA, sondern mittlerweile auch nichts gegen die selbstbewussten Schwellenländer Brasilien, China, Indien und Südafrika, deren empörtes Zurückweisen internationaler Verpflichtungen angesichts ihres rasanten wirtschaftlichen Aufholprozesses aber zunehmend zur Phrase wird. Und die EU verspielt kontinuierlich ihre Chance als Motor für den sozial-ökologischen Umbau - und damit auch Marktchancen. Weiterhin werden Zusagen gemacht, ohne sie einzuhalten. Deutschland ist hier auch kein Vorbild.

Zwar gibt es in vielen gesellschaftlichen Bereichen ein neues Denken und neue Akteure, zum Beispiel die aufblühende Industrie der erneuerbaren Energien. Aber noch immer dominieren die durch die Krise diskreditierten Wirtschaftsakteure, die das alte System angetrieben haben und kaum zu Veränderungen bereit sind. Gelernt wurde wenig daraus, denn ein globaler Investitionsplan würde starke wirtschaftliche Impulse setzen, Arbeitsplätze schaffen und das Klima schützen. Ein ökologischer New Deal wäre ein wichtiger Beitrag für wirtschaftliche Stabilität und den Klimaschutz.


Großer Durchbruch wieder einmal verschoben

Cancún machte die Flamme nicht aus, die Hoffnung lebt. Konkrete Entscheidungen und der große Durchbruch wurden jedoch wieder einmal verschoben. So soll nun die Weltklimakonferenz 2011 im südafrikanischen Durban erreichen, dass die Weltgemeinschaft 20 Jahre nach dem Erdgipfel von Rio endlich einen Anschlussvertrag hat.

Eine Klimadiplomatie im Bummelzug ist aber ein schlechtes Zeichen für die bereits von den Wetterextremen betroffenen Menschen. Für sie ist die Erderhitzung längst real, die immerhin einen Bremsweg von mindestens 40 Jahren hat.


*


Quelle:
Presseinformation vom 13.12.2010
Herausgeber: NaturFreunde Deutschlands
Verband für Umweltschutz, sanften Tourismus, Sport und Kultur
Bundesgeschäftsstelle
Warschauer Str. 58a, 10243 Berlin
Tel.: 030/29 77 32 65, Fax: 030/29 77 32 80
E-Mail: presse@naturfreunde.de
Internet: www.naturfreunde.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Dezember 2010