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KLIMA/095: Thailand - Stadt unter, Bangkok dem Klimawandel ungeschützt ausgeliefert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. November 2011

Thailand: Stadt unter - Bangkok dem Klimawandel ungeschützt ausgeliefert

von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 4. November (IPS) - Die Anfälligkeit der thailändischen Megametropole Bangkok für Klimakatastrophen ist zwar seit Jahren bekannt. Doch Maßnahmen, um die latent vorhandene Überschwemmungsgefahr zu bannen, sind ausgeblieben. Nun heißt es im sinkenden 'Venedig des Ostens' wieder einmal 'Stadt unter'. Ein baldiges Abfließen des Hochwassers ist nicht in Sicht.

Seit mehr als einer Woche stehen weite Teile der im sumpfigen Mündungsgebiet des Chao Phraya erbauten Hauptstadt nach heftigen Niederschlägen unter Wasser. Die Straßen haben sich in Flüsse verwandelt, auf denen mit Familien besetzte Boote und Bambusflöße treiben. Einige Viertel von Krung Thep ('Stadt der Engel'), wie Bangkok ebenfalls genannt wird, liegen unterhalb des Meeresspiegels. Dort ragen lediglich die oberen Etagen von Häusern, Fabriken und Einkaufszentren aus den Wassermassen hervor.

Anupong Taduon kratzt sich am Kopf. Die Ratlosigkeit steht ihm im Gesicht geschrieben. "Der Wasserpegel ist konstant geblieben", berichtet der 52-Jährige vor seiner mit Sandsäcken abgeschirmten Karaoke-Bar. "Wir müssen damit rechnen, dass sich daran in den nächsten drei bis vier Wochen nichts ändern wird." Die Warnungen der Zentralregierung und der Lokalbehörden, das Schlimmste sei noch nicht vorüber, machen ihn wütend.


Wachstum ohne Weitsicht

Denn Flutmanagementexperten warnen seit Jahren, dass die Metropole, verliebt in ihre eigene wirtschaftliche Stärke, den Städtebau immer weiter vorangetrieben habe, ohne Vorkehrungen gegen die Gefahr des Klimawandels zu treffen. "Bangkok ist, verglichen mit Manila, Jakarta oder Kuala Lumpur, besonders gefährdet", meint Aslam Perwaiz, Leiter der Krisenmanagementabteilung des Bangkoker Zentrums für Katastrophenvorsorge. Es sei höchste Zeit, das Wassermanagement der Stadt zu verbessern.

"Die vielen Überschwemmungen der Vergangenheit haben gezeigt, dass Bangkoks Wasserkanäle nicht in der Lage sind, das Hochwasser abzuführen", erläutert Perwaiz gegenüber IPS. Er erinnert daran, dass es in der Vergangenheit schon vorgekommen ist, dass die Wassermassen neun Wochen lang in der Stadt standen, bis sie endlich abgeflossen sind.

"Bangkok nimmt in den Ratings für Klimaanfälligkeit der thailändischen Provinzen den ersten Platz ein", sagt Hermina Francisco, Leiterin des Wirtschafts- und Umweltprogramms für Südostasien, eine in Singapur ansässige Forschungsgruppe. Den hohen Grad der Anfälligkeit führt sie auf die häufigen Überschwemmungen und den Anstieg des Meeresspiegels zurück.

Verschärft wird die Situation noch dadurch, dass die 'Stadt der Engel' an unterschiedlichen Stellen immer weiter absinkt - eine Entwicklung, die ebenfalls seit vielen Jahren zu beobachten ist.

Dass Bangkok nicht in der Lage ist, größere Überschwemmungen zu bewältigen - darauf hatten Experten der 'Netherlands Water Partnership' (NWP) bereits im Februar hingewiesen. Sie kamen damals zu dem Schluss, dass die Netzwerke zum Schutz vor Überschwemmungen unzureichend sind.

Bereits acht Monate später waren die National- und die Lokalregierung überfordert, wie sie auf die sechs Milliarden Kubikmeter Wasser, die auf Bangkok niedergingen, reagieren sollten.

Thailand hat in den letzten drei Monaten die heftigsten Regenfälle und Überschwemmungen seit Jahrzehnten erlebt. Auch wurde das südostasiatische Land von drei Tropenstürmen und einem Taifun heimgesucht. Mehr als 400 Menschen kamen seither ums Leben, rund 2,5 Millionen Menschen wurden obdachlos.


Kanäle aufgeschüttet

Das viel gepriesene Netzwerk von Kanälen ('Klongs'), dem Bangkok den Namen 'Venedig des Osten' verdankt, hat sich als inadäquat herausgestellt, die Wassermassen aus der Stadt abzuleiten. Die meisten der 1.650 Klongs laufen schnell über. Das hat nicht zuletzt damit dazu, dass viele einschließlich der 100 befahrbaren Kanäle, die zur Überwindung der großen Überschwemmung von 1940 beigetragen hatten, im Zuge der Verstädterung aufgeschüttet wurden. Auf den neu gewonnenen Flächen entstanden Straßen und Hochhäuser - Symbole des in den 1970er Jahren einsetzenden Wirtschaftsbooms.

Empfehlungen, die Kanäle nicht aufzuschütten, wurden ignoriert, berichtet George Olson, der ehemalige Firmenmanager eines US-Ingenieursbüros, das an Überschwemmungspräventionsprojekten mitgewirkt hatte. Dafür zahlen Bangkok und seine acht Millionen Einwohner nun einen hohen Preis. (Ende/IPS/kb//2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2011