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KLIMA/160: Jamaika - Nationalplan gegen Klimawandel, Sturmschäden kosten Inselstaat Milliarden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. April 2012

Jamaika: Nationalplan gegen Klimawandel - Sturmschäden kosten Inselstaat Milliarden

von Zadie Neufville


Gemüsebauern im Nationalpark 'Blue and John Crow Mountains' - Bild: © Zadie Neufville/IPS

Gemüsebauern im Nationalpark 'Blue and John Crow Mountains'
Bild: © Zadie Neufville/IPS

Kingston, 27. April (IPS) - Mit einem nationalen Entwicklungsplan will sich Jamaika besser gegen den Klimawandel wappnen. Der karibische Inselstaat gehört nach Ansicht von Experten zu den Ländern der Welt, die am stärksten unter den Folgen der Erderwärmung zu leiden haben werden. 'Vision 2030' zielt auf Strategien, die Klimaanpassungsmaßnahmen und Katastropheneinsätze erleichtern sowie eine nachhaltige Entwicklung fördern.

Extreme Wetterphänomene haben Wirtschaft, Umwelt und Bevölkerung von Jamaika bereits erheblich geschädigt. Fünf größere Stürme verursachten zwischen 2004 und 2008 Verluste und Schäden im Wert von etwa 1,2 Milliarden US-Dollar. Besonders klimaanfällige Sektoren sind in der Regel Landwirtschaft, die etwa 180.000 Menschen beschäftigt, Tourismus mit 106.000 Arbeitskräften und Fischerei, die rund 100.000 Jamaikanern ein Auskommen sichert.

Wirtschaftswissenschaftlern zufolge hat die Planung von Klimaanpassungsprogrammen nicht nur einen grundlegenden Mangel an finanziellen Ressourcen, sondern auch die Schwächen des Finanzsektors offengelegt. Nach Ansicht der Experten ist eine nachhaltige Finanzierung von Anpassungs- und Risikominimierungsmaßnahmen dringend geboten, für die bisher internationale Organisationen in Form von Zuschüssen, Darlehen und Spenden aufkommen.

Nicht nur der staatliche, sondern auch der private Sektor muss sich angemessen auf die neuen Risiken vorbereiten. "Gefragt sind etwa adäquate Rückversicherungsoptionen für einheimische Versicherer und eine Neubewertung der Parameter der 'Caribbean Risk Insurance Facility' (CCRIF), die Regierungen der Region vor den finanziellen Folgen von Schäden durch Naturereignisse schützt", sagte der Umweltökonom Maurice Mason. 2004 war die Versicherungsgesellschaft 'Dyoll' zusammengebrochen, nachdem der Hurrikan Ivan große Schäden in Jamaika und anderen Ländern der Region angerichtet hatte.

Wissenschaftler am Institut für Geoinformatik der 'University of the West Indies' sagen vorher, dass der Meeresspiegel in der ersten Hälfte des Jahrhunderts um mindestens zwei bis drei Millimeter jährlich ansteigen wird. Diese Entwicklung könnte eine Fläche von etwa 102 Quadratkilometern in einigen der am dichtesten bevölkerten Küstengebiete schädigen. Ein Anstieg um ein bis zwei Meter würde den Forschern zufolge niedrig gelegene Küstenzonen zerstören. Dort befinden sich unter anderem Kraftwerke, eine Erdölraffinerie, Flughäfen und Häfen.


Hafen von Kingston und Flughäfen durch Fluten gefährdet

Laut Mason, der am Zentrum für die Verringerung von Katastrophenrisiken der Universität arbeitet, ist es wichtig, in den Bau von Zufahrtsstraßen und andere Infrastrukturmaßnahmen zu investieren, um etwa Einsatzbrigaden die Möglichkeit zu geben, rasch auf Katastrophen zu reagieren.

Die historische Küstenstadt Port Royal ist bei Überschwemmungen vom Festland abgeschnitten - Bild: © Zadie Neufville/IPS

Die historische Küstenstadt Port Royal ist bei Überschwemmungen vom Festland abgeschnitten
Bild: © Zadie Neufville/IPS

Jamaika vor dem Folgen des Anstiegs des Meeresspiegels zu schützen, wird etwa 532 Millionen US-Dollar kosten. Grundlage ist eine Berechnung von 1992, die von Kosten in Höhe von 197 Dollar pro Einwohner ausgeht. Allein ein Anheben der Palisadoes Road auf drei Meter über den Meeresspiegel würde schätzungsweise 65,7 Millionen Dollar erfordern. Die Straße verbindet den Flughafen und die Stadt Port Royal mit dem übrigen Teil der Insel. Erst kürzlich war die Straße nach Sturmfluten unpassierbar gewesen.

Reparaturarbeiten nach Flutschäden auf der Palisadoes Straße zwischen Port Royal und dem internationalen Flughafen - Bild: © Shavonne Hartley/IPS

Reparaturarbeiten nach Flutschäden auf der Palisadoes Straße zwischen Port Royal und dem internationalen Flughafen
Bild: © Shavonne Hartley/IPS

Experten empfehlen auch Maßnahmen zur Sicherung der Hauptstraße von Kingston in den Süden Jamaikas. Die wichtigste Ausfallstraße für Portmore und andere Gemeinden ist bei schlechtem Wetter nicht mehr befahrbar. Ebenso wenig sind die Ausweichstrecken gegen Überschwemmungen und Erdrutsche geschützt.


Weltbekannter Strand von Negril schrumpft

Der UN-Anpassungsfonds hat bereits die Finanzierung von Schutzkonstruktionen gegen die Erosion des weltbekannten Negril-Strand genehmigt. Dieses Projekt kostet 25 Millionen Dollar. Fachleuten zufolge verschwinden jedes Jahr ein bis zwei Meter des Strands, der der Insel 2010 etwa ein Viertel ihrer gesamten Tourismuseinnahmen von rund zwei Milliarden Dollar bescherte.

Wie Mary Gooden von Jamaikanischen Planungsinstitut (PIOJ) betonte, müssen Anpassungsstrategien auch Beschäftigungsangebote beinhalten, die Menschen davon abbringen, kostbare Ökosysteme wie Wald- und Feuchtgebiete zu schädigen.

Die Forstbehörde hat bereits mehr als 300.000 Hektar Wald wiederaufgeforstet, um der Erosion und der Verschlammung von Wasserwegen vorzubeugen. Die nationale Umweltbehörde NEPA stellt durch das Anpflanzen von Mangroven an mehreren Orten die natürlichen Schutzbarrieren der Küstenabschnitte wieder her.

Im Kampf gegen den Klimawandel zielt 'Vision 2030' auch auf die Erschließung alternativer Energiequellen. Ein wichtige Rolle spielt dabei der Wigton-Windpark im Zentrum der Insel. Er soll die Abhängigkeit des Landes von Erdölimporten verringern. Zwischen Januar und Juni 2011 gab der Staat für Importöl stolze 1,48 Milliarden Dollar aus. Bis 2030 soll die Stromproduktion auf der Basis von Erdöl von 95 auf 30 Prozent zurückgefahren werden. 2020 sollen bereits 15 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen kommen. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.npconline.co.za/medialib/downloads/home/NPC%20National%20Development%20Plan%20Vision%202030%20-lo-res.pdf
http://www.ccrif.org/
http://unfccc.int/2860.php
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107362

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 27. April 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2012