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KLIMA/180: Ehrgeizigere Klimaziele zur Rettung der Korallenriffe erforderlich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. September 2012

Klima: Ehrgeizigere Klimaziele zur Rettung der Korallenriffe erforderlich

von Stephen Leahy



Uxbridge, Kanada, 18. September (IPS) - Die Erderwärmung bis 2030 auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, wird die Korallen nicht retten. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue wissenschaftliche Untersuchung, der zufolge 70 Prozent aller Korallen die Folgen des Klimawandels in den kommenden 18 Jahren schmerzhaft zu spüren bekommen.

Den aktuellen Schätzungen nach wird sich das Klima in den nächsten 18 Jahren um drei, wenn nicht gar vier Grad Celsius aufheizen. Ein solches Szenario sei "katastrophal", heißt es in der umfassenden Studie des 'Climate Action Tracker', einer internationalen Frühwarn- Forschergruppe.

Die jetzige Erwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit beträgt 0,8 Grad Celsius. Diese Entwicklung hat bereits zu einem Abschmelzen der Arktis-Gletscher und heftigen Wetteranomalien geführt. Die Erderwärmung unter zwei Grad Celsius zu halten ist nach Ansicht von Bill Hare, Wissenschaftler der 'Climate Analytics' eine Frage des politischen Willens. Technologisch sei dies machbar.

Will die Menschheit wenigstens die Hälfte der Korallen retten, müsste sie der neuen Untersuchung zufolge den CO2-Ausstoß auf 1,5 Grad Celsius begrenzen. "Wollen die Länder den Korallen eine Chance geben, müssen sie möglichst ehrgeizige Klimaziele abstecken", sagt Co-Autor Malte Meinshausen von der 'School of Earth Sciences' an der Universität von Melbourne.


Lebenserhaltendes Ökosystem unter Stress

Korallenriffe gehören zu den lebenserhaltenden Ökosystemen der Menschheit. Für mehr als 2,6 Milliarden Erdenbürger ist Fisch die wichtigste Proteinquelle. Den Fischen sind die Riffe Kinderstube und Lebensraum zugleich. Für 33 Prozent aller Meeresarten sind sie laut Weltnaturschutzbund sogar überlebenswichtig. Die Riffe bilden zudem natürliche Schutzwälle gegen Stürme. Es gibt Berechnungen, wonach das südamerikanische Land Belize ohne Korallen für Sturmschäden in Höhe von 240 Millionen US-Dollar hätte aufkommen müssen.

Ko-Autor Simon Donner, Meeresbiologe und Klimatologe an der Universität von British Columbia, warnt auch vor den Folgen einer zunehmenden Übersäuerung der Meere. Dadurch werde die Wärmetoleranz der Korallen erheblich beeinträchtigt, sagte er in einem Interview.

Gerade Korallen in tropischen Regionen sind empfindlich, was die Temperaturen angeht. Schon bei einem Wassertemperaturanstieg von zwei bis drei Grad bleichen sie aus. Doch selbst dieses Desaster könnten sie überleben. Hält der Hitzestress jedoch Wochen an, steht zu befürchten, dass sich eine Katastrophe wie 1998 wiederholt. Damals starben 16 Prozent der tropischen Korallen.

Treibhausgase erwärmen die Meere nicht nur, sondern machen sie saurer. Wenn CO2-Emissionen als Folge der Verbrennung fossiler Brennstoffe in die Atmosphäre gelangen, verbindet sich ein Teil dieses Extra-CO2 mit den Kohlenstoff-Ionen des Meerwassers. Es bildet sich Kohlensäure. Dieser Wandel in der chemischen Zusammensetzung der Meere ist dabei, die Korallen aufzulösen.

Donner zufolge werden einige Korallen zwar überleben und sich möglicherweise den neuen Gegebenheiten anpassen. Der Entwicklungssprung jedoch, mit denen sie sich konfrontiert sähen, sei gewaltig. Am Ende stehe der Verlust der natürlichen Leistungen, die Korallen den Menschen seit Jahrtausenden kostenlos zur Verfügung stellten.


Kleine Inselstaaten fordern 1,5-Grad-Obergrenze

Die Erkenntnis, dass selbst bei einem Temperaturanstieg von 1,5 Grad Celsius das Überleben der Hälfte der Korallen nicht gewährleistet werden kann, ist Wasser auf die Mühlen der kleinen Inselstaaten und Länder, denen zufolge der Temperaturanstieg auf unter 1,5 Grad gehalten werden sollte. Sie sind diejenigen, die als erste die Folgen des Anstiegs zu tragen hätten.

Solange die CO2-Emissionen nicht sinken, sei es sinnlos über die Einhaltung ehrgeizigerer Ziele zu debattieren, meint Meinshausen. Erst wenn die Werte spürbar zurückgingen, ließen sich Angaben machen, wie groß die CO2-Einsparungen auf lange Sicht sein sollten. "Ich befürchte jedoch, dass wir unsere einzige Chance, die Emissionen zu begrenzen, verpassen werden."

Auf dem kürzlich stattgefundenen Klimatreffen in Bangkok hatten US-Äußerungen eine Flexibilisierung des CO2-Ziels gefordert. Dabei belegen etliche Studien, dass sich das Zwei-Grad-Ziel mit einfachen Mitteln und geringen Kosten und zum Wohl aller erreichen ließe. "Es ist wichtig, Menschen zu motivieren, ihren fairen Anteil zu leisten", betont Meinshausen. "Ein starkes internationales Abkommen ist wichtig, um auch weiterhin auf eine ausreichende Verringerung der Klimagase hoffen zu können." (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.nature.com/nclimate/journal/vaop/ncurrent/full/nclimate1674.html
http://www.climateactiontracker.org/
http://www.ipsnews.net/2012/09/deeper-co2-cuts-needed-to-save-corals/

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2012