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LANDWIRTSCHAFT/013: Marokko - "Grüner Plan" in der Kritik, Klimafolgen bleiben außen vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. März 2012

Marokko: 'Grüner Plan' in der Kritik - Klimafolgen bleiben außen vor

von Abderrahim El Ouali


Casablanca, 19. März (IPS) - Angesichts der ungewöhnlichen Kältewelle in Marokko regt sich Kritik am nationalen Agrarentwicklungsplan. Experten zufolgen lassen sich die angestrebten Ziele ohne umfassende Klimaanpassungsmaßnahmen nicht erreichen.

Die Regierung hatte den 'Grünen Marokko-Plan' im vergangenen Jahr eingeführt, um größere Hürden bei der Entwicklung der Landwirtschaft abzubauen. Die Nahrungssicherheit für die 32 Millionen Einwohner des nordafrikanischen Staates ist ebenso Teil des Planes wie die Einhaltung der Zugangsregeln für den europäischen Markt. Die Europäer sind die wichtigsten Abnehmer marokkanischer Agrarerzeugnisse.

Kritiker wenden jedoch ein, dass der Plan die Klimaveränderungen nicht angemessen berücksichtigt. Analysiert wurden lediglich die Auswirkungen "periodisch" auftretender Dürren, die den Fortschritt des Ackerbaus hemmen. Kälteeinbrüche bleiben hingegen unerwähnt, obwohl auch sie katastrophale Folgen haben.

Im Februar vernichteten die niedrigen Temperaturen die Ernte auf mehr als 8.200 der insgesamt 8.700 Hektar Kartoffelfelder des Landes. Außerdem wurde Zuckerrohr auf 14.000 der dafür vorgesehenen 21.000 Hektar Fläche zerstört. Dies ist ein harter Schlag für die Wirtschaft, da Kartoffeln und Zucker die Hauptausfuhrprodukte Marokkos sind.


Auf eisige Kälte nicht vorbereitet

"Wir habe noch nie solche niedrigen Temperaturen erlebt", berichtet Ahmed El Aiboudi, ein Bauer aus der Region Ouled Frej 120 Kilometer südlich von Casablanca. "All unsere Arbeit war umsonst. Auf diese Eiseskälte waren wir nicht vorbereitet."

Mohammed-Said Karrouk, Klimatologe an der Hassan II Mohamedia-Universität, kritisiert, dass der staatliche Plan den Klimawandel nicht angemessen berücksichtigt. "Nicht nur der Umgang mit den Wasserreserven muss geregelt werden, notwendig sind auch Anpassungsmaßnahmen, die der Gesamtheit der Veränderungen Rechnung tragen", sagt er. Abrupte Temperaturschwankungen seien einst Ausnahmen gewesen, heute jedoch die Regel.

Die anhaltende Kälte hat das fünf Hektar große Kartoffelfeld von Chemssi Bendriss völlig zerstört. Früher habe es in Marokko fünf klar voneinander getrennte Jahreszeiten gegeben, meint der Bauer aus der Region Benslimane. Das sei nun offensichtlich vorbei. Für den Bauernstaat Marokko sind das schlechte Nachrichten. Die Landwirtschaft trägt mit 19 Prozent zum marokkanischen Bruttoinlandsprodukt und zu 100.000 Stellen in der Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln bei. 14 Millionen Marokkaner sind Farmer.

Veraltete Anbautechniken hemmen allerdings die Entwicklung des Agrarsektors. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums wird beispielsweise in Frankreich vier Mal mehr Dünger pro Hektar verwendet als in Marokko. Außerdem macht die Weiterverarbeitung von Nahrungsmitteln lediglich 24 Prozent der industriellen Produktion in Marokko aus.

Die Bauern selbst stehen einem verstärkten Einsatz chemischer Dünger jedoch kritisch gegenüber. "Ich glaube nicht, dass wir so etwas brauchen. Es wäre vernünftiger, an den organischen Anbau zu denken. Das bringt Bauern höheren Profit", erläutert Abdelkebir Essaib, der in der Region Ziyayda 80 Kilometer nordöstlich von Casablanca Ackerbau betreibt.

Im Rahmen des 'Grünen Marokko-Plans' ist in der südlichen Region Sraghna rund 300 Kilometer von Casablanca entfernt allerdings auch ein Projekt für den ökologischen Anbau von Oliven angelaufen. Omar Zaki, ein Bauer aus der Region, erwartet, dass sich dieses Projekt positiv auf die Lebensbedingungen der Bevölkerung auswirken wird. "Es bringt Wohlstand und Arbeitsplätze", ist er überzeugt.


Organischer Anbau trifft auf Hindernisse

Der biologische Anbau stößt allerdings auf Hindernisse. Als größtes Problem sieht das Agrarministerium die Tatsache, dass mehr als 70 Prozent der Anbauflächen in Parzellen von weniger als fünf Hektar aufgeteilt sind. Experten beanstanden zudem, dass auf drei Viertel der gesamten marokkanischen Agrarfläche Getreide produziert wird, das nur zu fünf Prozent vermarktet wird und gerade einmal zehn Prozent aller Jobs in der Landwirtschaft bereithält. Die Lage hat sich durch knappe und unregelmäßige Regenfälle, den Verlust der Ober- und Grundwasserreserven und ein ineffektives Bewässerungssystem weiter verschlechtert.

"Es geht aber nicht mehr in erster Linie darum, wie man dem Mangel an Regen begegnet. Viel wichtiger ist, zugleich mit Trockenheit und heftigen Niederschlägen umgehen zu können", meint Karrouk.

Der Farmer Mostafa Belaadassi vermisst einen partizipativen Ansatz. "Meine Meinung zum Grünen Plan war nie gefragt", bemängelt er. Obwohl bereits vor Jahren Außenstellen der Behörden in ländlichen Gebieten eingerichtet wurden, um technische Hilfe zu leisten, vermissen die Bauern den direkten Dialog. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.ada.gov.ma/en/Plan_Maroc_Vert/plan-maroc-vert.php
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=107090

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. März 2012