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LANDWIRTSCHAFT/056: Costa Rica - Bauern zu "Klimaakrobaten", schwieriger Kampf gegen Bodenerosion (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. März 2014

Costa Rica: Bauern zu "Klimaakrobaten" - Der schwierige Kampf gegen die Bodenerosion

von Diego Argueda Ortiz


Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

José Alberto Chacón jätet Unkraut auf seiner Scholle an den Hängen des costaricanischen Vulkans Irazú
Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

Alvarado, Costa Rica, 6. März (IPS) - José Alberto Chacón folgt dem kleinen Pfad, der seine Farm am Abhang des Irazú serpentinenartig durchläuft. Hier, auf den Ausläufern des Vulkans östlich der costaricanischen Hauptstadt San José, zieht er auf einer einen halben Hektar großen Parzelle Bohnen, Karotten und Mais.

Wie der Bauer berichtet, probiert er alle möglichen Techniken aus, um zu verhindern, dass Niederschläge die nährstoffreiche Bodenoberschicht mit sich reißen. Ob schlangenförmig verlaufende Wege, Terrassenanbau oder Hecken und Rückhaltewälle - Chacón kommt sich nach eigenen Angaben vor wie ein "Akrobat", der nichts unversucht lässt, um seine Familienfinca am Leben zu halten.

"Ich werde nicht tatenlos zusehen, bis die produktiven Böden im Fluss versinken", berichtet der 51-Jährige. "Ich werde zwar immer älter, doch die Zeit, die mir verbleibt, weiß ich zu nutzen."

Chacón ist verheiratet und hat drei Kinder, von denen eines die Ernteüberschüsse der Eltern verkauft. Seine Frau Irma Rosa Loaiza hilft ihm bei der Feldarbeit. "Wir sind der Prototyp eines landwirtschaftlichen Familienbetriebs", sagt ihr Mann und schmunzelt. Er lebt mit seiner Familie in Pacayas, einem Dorf am östlichen Ende der fruchtbaren Zentralebene, die sich zwischen den Vulkanen Irazú und Turrialba erstreckt.


Finanzielle Einbußen

Hier, wo jährlich etwa 2.300 Millimeter Regen niedergehen, zeigt sich der Klimawandel in Form zunehmender Niederschläge und Bodenerosion. Dem Umweltministerium zufolge hat die Landverödung das landwirtschaftliche Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen 1970 und 1989 um 7,7 Prozent sinken lassen. Die Situation könnte sich in diesem Jahr in dem 4,4 Millionen Einwohner zählenden Land, in dem die Agrarwirtschaft im Jahr 2000 noch 10,7 und 2012 nur noch 8,67 Prozent zum nationalen BIP beigetragen hat, weiter verschlechtern.

Chacón arbeitet sich terrassenweise voran. Die Steigung beträgt 50 Prozent. Zwischen den einzelnen Reihen seiner Maispflanzen hat er einen Abstand von bis zu 20 Zentimeter gelassen. Das reicht aus, um zu verhindern, dass das Regenwasser ungenutzt in den Fluss Pacayas am Ende der Schlucht abfließt.

Der Bauer lebt wie alle anderen in der Region von der Subsistenzlandwirtschaft. Die Parzellen, die die Familien den Gebirgshängen abgetrotzt haben, sind durchschnittlich 2,5 Hektar groß. Pflanzen sie zu wenig an, haben sie nicht genug zu essen. Das Gleiche gilt, wenn sie zu viel anbauen und kostbares Land weggespült wird.

"Es muss eine Balance zwischen Nachhaltigkeit und Ernährungssicherheit geben", erläutert Beatriz Solano. Die Agrarwissenschaftlerin im Ministerium für Landwirtschaft und Viehzucht ist seit 17 Jahren für Pacayas und Umgebung zuständig. "Ich kann den Menschen vor Ort aber schlecht sagen: 'Das Land ist für die Landwirtschaft nicht geeignet, ihr solltet besser Bäume pflanzen.'", sagt sie. "Denn das Land ist alles, was sie haben."

Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

Terrassenanbau, wie er von vielen Bauern der Ortschaft Pacayas praktiziert wird
Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

Eine 2013 in der Zeitschrift 'Environmental Science &Policy' veröffentlichte Studie beschreibt, wie "eine Kombination aus extremen Niederschlägen, steiler Topographie und zweifelhaften Landnutzungspraktiken zu extremer Erosion und einer Beeinträchtigung der natürlichen Bodenregulierungsdienste in der Region geführt hat".

Selbst Familien, die Land auf nur leicht ansteigenden Hängen bewirtschaften, sind gut beraten, die neuen Techniken anzuwenden. Ein Vorzeigemodell ist die zertifizierte Ökofarm 'Guisol'. Ihre Besitzerinnen, die 68-jährige María Solano und die 43-jährige Marta Guillén, bewirtschaften kleine Parzellen und haben Hecken gegen die Bodenerosion gepflanzt.

Nicht alle Bauern in der Region sind sich der Bedeutung solcher Präventivmaßnahmen bewusst. Eine Untersuchung aus dem Jahre 2010, die Wissenschaftler des interamerikanischen Agrarforschungszentrum CATIE erstellt hatten, fand heraus, dass sieben von zehn Bauern in Pacayas keine Bodenschutztechniken anwenden. Negativ wirkt sich ferner aus, dass ihre Farmen viel zu klein sind, um von einem Programm zu profitieren, das Wiederaufforstungsmaßnahmen finanziell belohnt. Diese Form der Erosionskontrolle ist in Costa Rica beliebt.


Klimaanomalien

Experten zufolge kommt den Bodenschutzmaßnahmen gerade vor dem Hintergrund der sich verändernden Niederschlagsmuster eine hohe Bedeutung zu. "Von Oktober bis Januar oder Februar konnten wir mit regelmäßigen Niederschlägen und dichtem Nebel rechnen. Doch jetzt ist das Klima unberechenbar geworden. Und zu allem Übel werden Saatgut und Düngemittel immer teurer", berichtet der 68-jährige Bauer Guillermo Quirós.

2011 hatte der Wissenschaftler Carlos Hidalgo vom Nationalen Institut für Agrarinnovation und Technologietransfer eine Studie vorgestellt, in der er die Notwendigkeit eines nachhaltigen Bodenmanagements in der Region unterstreicht. "Das ist ein Prozess, in den alle Akteure einbezogen werden müssen - Gemeinden ebenso wie Bauern und Forschungszentren", erklärt er in seinem Büro in San José.

Die multidisziplinären Bemühungen kommen voran. Alle zwei Monate trifft sich das Bodenmanagement-Komitee für das Birrís-Flussbecken im Gemeindebezirk Alvarado, zu dem auch Pacayas gehört, und plant seine Vorgehensweise für die nächste Saison. In diesem Monat fand im Rathaus von Alvarado die erste diesjährige Zusammenkunft statt. Den Vorsitz führte die lokale Umweltbeauftragte Gabriela Gómez. Sieben der acht Teilnehmer waren Frauen. In Pacayas ist es üblich, dass die Männer den Großteil der landwirtschaftlichen Arbeit erledigen, während die Frauen für die Planungs- und Umweltschutzaufgaben zuständig sind.

"Wir werden das Technologische Institut von Costa Rica bitten, uns zu zeigen, wie wir die Wasserrinnen verbessern, das Abfließen des Wassers in die Tiefebenen verhindern und die Erosion vermindern können", erklärte Gómez, deren zahlreiche Umweltinitiativen landesweit Beachtung finden.

Der Birrís, der im Gebirge entspringt, treibt die Wasserkraftwerke des Costaricanischen Elektrizitätswerks ICE an, das wiederum jährlich vier Millionen Dollar für die Entfernung von Sedimenten ausgeben muss, die im Zuge der Bodenerosion in ihre Reservoirs geschwemmt werden.

Chacón und andere Kleinbauern legen derweil immer neue Terrassen an, um zu verhindern, dass es ihnen so ergeht, wie einem Farmer auf der anderen Seite des Flusses. Dort ist die Erde rötlich, ausgewaschen, und es sind nur noch einige wenige grüne Flecken hangabwärts zu sehen. "Dieser Boden", sagt Solano, "ist bereits verödet". (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/02/agricultores-de-costa-rica-se-vuelven-trapecistas-climaticos/
http://www.ipsnews.net/2014/03/costa-rican-farmers-become-climate-change-acrobats/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 6. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2014