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LATEINAMERIKA/063: Venezuela - Gemeinde verbannt Plastiktüten, nur biologisch Abbaubares erlaubt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 18. August 2011

Venezuela: Gemeinde verbannt Plastiktüten - Nur biologisch abbaubares Material erlaubt

Von Humberto Márquez

Die Gemeinde Carirubana verbietet Plastiktüten - Bild: © Yanethe Gamboa/IPS

Die Gemeinde Carirubana verbietet Plastiktüten
Bild: © Yanethe Gamboa/IPS

Caracas, 18. August (IPS) - Die Gemeinde Carirubana im Nordwesten Venezuelas lebt vom Erdöl und will dennoch herkömmliche Plastiktüten verbieten. Eine entsprechende Verordnung wurde bereits vom Gemeinderat gebilligt und soll Anfang nächsten Jahres in Kraft treten.

Carirubana liegt auf der Halbinsel Paraguaná im Bundesstaat Falcón, nahe den karibischen Leeward-Inseln. Im Freihafen der größten Stadt Punto Fijo mit rund 270.000 Einwohnern befindet sich die weltweit zweitgrößte Erdölraffinerie, in der täglich bis zu 940.000 Barrel Rohöl verarbeitet werden.

Die neue Stadtverordnung, die Plastiktüten aus dem gesamten Gebiet der Gemeinde zu verbannen, muss nur noch von Bürgermeister Alcides Goitía unterzeichnet werden. Das Verbot bezieht sich auf Tüten, die weniger als 30 Kilo Inhalt fassen. Größere Kunststoffsäcke, etwa zum Sammeln von Müll, sollen weiterhin erlaubt sein.

Diejenigen, die das Verbot missachten, müssen mit Bußgeldern rechnen. Vor allem das Wegwerfen oder Verbrennen von Tüten an öffentlichen Orten soll konsequent geahndet werden. Der Kauf und Verkauf sowie die Verteilung der Tragetaschen soll nur noch gestattet sein, wenn sie aus biologisch abbaubaren Materialien bestehen.

Mit der neuen Regelung reagiere die Gemeinde auf die Gefahren für die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die durch Plastik hervorgerufen würden, erklärte der Vorsitzende des Gemeinderats, Kile Baldayo, im Gespräch mit IPS. Durch den Erhalt der landschaftlichen Schönheit werde auch der Tourismus gefördert. Außerdem wolle man die Bewohner der Region für den Umweltschutz sensibilisieren.


Venezuela von Plastiktüten übersät

"Die Erde erstickt unter Plastiktüten", sagte Baldayo. In Venezuela sei praktisch jeder Meter Land zwischen der Küste und den Bergen in der südöstlichen Provinz Guayana damit übersät. Auch auf den Straßen und den Müllkippen lägen überall Plastiktüten herum. "Es ist höchste Zeit, dass wir etwas gegen diese Umweltzerstörung unternehmen."

Kunststoffabfälle sind weit mehr als nur ein ästhetisches Problem. Wie Alejandro Álvarez vom Umweltschutznetzwerk ARA IPS erklärte, werden bei der Verbrennung dieses Mülls große Mengen krebserregender Dioxine und Furane freigesetzt, die über die Böden in die menschliche Nahrungskette gelangten.

Die in der von Goitía und Baldayo entworfenen Verordnung beruft sich auf Zahlen der Umweltorganisation 'Greenpeace'. Demnach gelangen jedes Jahr mehr als sechs Millionen Tonnen größtenteils aus Plastik bestehender Abfälle in die Meere.

Die 'Blue Ocean Society' in den USA schätzt, dass pro Quadratkilometer durchschnittlich etwa 18.000 Plastikteile in den Meeren schwimmen. Jährlich müssten rund eine Million Vögel und 100.000 Säugetiere sterben, weil sie die Abfälle verschluckten oder sich in ihnen verfingen.

Nach Angaben der venezolanischen Naturschutzorganisation 'Vitalis' werden landesweit jedes Jahr rund 500.000 Tonnen Kunststoff verwendet und nur 20 Prozent davon recycelt. Im Schnitt verbraucht jeder der 29 Millionen Venezolaner 150 Tüten im Jahr. Synthetisches Polyethylen, das aus Mineralöl hergestellt wird, verrottet erst nach Hunderten von Jahren.

Oxo-abbaubares Plastik enthält dagegen Zusatzstoffe, die die Verfallszeit auf wenige Monate beschleunigen, wenn Sonnenlicht und Sauerstoff vorhanden sind. Zur Herstellung biologisch abbaubarer Tüten wird statt Erdöl Stärke verwendet.


Ausnahmen bei Lebensmittelverpackungen

Bei kleineren konventionellen Plastikverpackungen muss Carirubana allerdings weiterhin Ausnahmen zulassen. In den Supermärkten werden Milch, Fleisch und Fertiggerichte auch weiterhin in Kunststoffbehältern angeboten.

Die Initiative der Gemeinde werde in einer Region, die von vielen Touristen aus dem In- und Ausland besucht wird, ein größeres Bewusstsein für den Umweltschutz schaffen, ist María Eugenia Gil überzeugt, die für die Aguaclara-Stiftung arbeitet. Es sei denkbar, dass das Pilotprojekt in weiteren der insgesamt 335 Gemeinden des Landes umgesetzt werde.

Vor Carirubana haben bereits andere Städte in Lateinamerika zu ähnlichen Maßnahmen gegriffen. Seit 2010 müssen Kunden in Mexiko-Stadt in Geschäften für die einst gratis verteilten Plastiktüten zahlen, die jetzt zudem biologisch abbaubar sein müssen. In der argentinischen Provinz Buenos Aires dürfen Supermärkte gar keine Tragetaschen aus schwer abbaubarem Kunststoff mehr ausgeben. Über vergleichbare Regelungen wird zurzeit auch in Chile und Kolumbien beraten. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://red-ara-venezuela.blogspot.com/
http://www.blueoceansociety.org/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=98860
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56857

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. August 2011