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LATEINAMERIKA/094: Kuba - Mit der Zuckerindustrie ins Biostromzeitalter (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. September 2014

Kuba: Mit der Zuckerindustrie ins Biostromzeitalter

von Patricia Grogg


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Zuckermühle in der Provinz Cienfuegos
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 30. September (IPS) - Die kubanische Zuckerindustrie soll zur Hauptquelle von sauberem Strom in dem Karibikstaat werden. Ein Programm zur Entwicklung erneuerbarer Energien zielt darauf ab, das Land von importierten fossilen Brennstoffen unabhängiger zu machen und die Umwelt zu schonen.

Das Vorhaben ist Teil eines Plans zur Modernisierung der kubanischen Zuckermühlen, die von der staatlichen Unternehmensgruppe 'Azcuba' für ausländische Investitionen geöffnet wurden. Azcuba hatte 2011 das frühere Zuckerministerium ersetzt.

In den Fabriken wird seit langem Strom für den eigenen Verbrauch aus Bagasse, den faserigen Überresten nach dem Auspressen der Zuckerrohre, produziert - eine kostengünstige und umweltfreundliche Methode der Energiegewinnung, wie Azcuba-Sprecher Liobel Pérez betont. "Das Kohlendioxid, die bei der Stromproduktion anfällt, entspricht genau der CO2-Menge, die eine Zuckerpflanze im Laufe ihres Wachstums absorbiert."

Die Herstellung von Ethanol als Abfallprodukt bei der Zuckerproduktion wurde in Kuba bisher nicht in Betracht gezogen. Dabei könnte sie Experten zufolge den Benzinverbrauch von Landwirtschaftsmaschinen und Transportmitteln sowie den CO2-Ausstoß deutlich reduzieren.


Regierungskommission befasst sich mit sauberer Energie

"Diese Frage wird von einer Regierungskommission diskutiert, die die Entwicklung erneuerbarer Energien untersucht", sagt Manuel Díaz, Direktor des Kubanischen Forschungsinstituts für Zuckerrohrderivate.

"Auch wenn Ethanol keine definitive, langfristige Alternative zu herkömmlichem Benzin darstellt, kann es doch den Verbrauch fossiler Brennstoffe drosseln", sagt Díaz. "Solange die Biospritherstellung nicht in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion tritt, kann Ethanol eine Alternative ein, die jeder Staat ausgehend von seinen Charakteristika in Erwägung ziehen sollte."

In Kuba werden derzeit lediglich 3,5 Prozent der Elektrizität aus Zuckerrohr erzeugt. Der Plan zur Steigerung der Energieeffizienz sieht nun vor, in den etwa 20 Zuckermühlen des Landes bis zum Jahr 2030 einen Überschuss von 755 Megawatt zu produzieren. Dieser Strom soll in das nationale Versorgungsnetz eingespeist werden. Der aus Zuckerrohr-Biomasse erzeugte Stromanteil würde damit bis 2030 auf 14 Prozent steigen.


Ein Viertel des Stroms soll aus erneuerbaren Quellen kommen

Ziel ist, 24 Prozent Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Windkraft soll daran einen Anteil von sechs Prozent, Solarenergie von drei Prozent und Wasserkraft von einem Prozent haben. Aus erneuerbaren Energieträgern werden derzeit nur 4,6 Prozent des gesamten Stroms produziert, während die größte Menge nach wie vor aus fossilen Brennstoffen gewonnen wird. Um diese Kluft zu überbrücken, sollen die Zuckermühlen nach und nach mit modernen bioelektrischen Produktionsanlagen ausgestattet werden. Dazu sind Investitionen von rund 1,29 Milliarden US-Dollar notwendig, die Azcuba durch Regierungskredite oder ausländische Geldgeber aufbringen will.

"Wenn Kredite fehlen, werden sich Auslandsinvestitionen auftun", sagt Jorge Lodos, Geschäftsführer der Azcuba-Tochterfirma 'Zerus SA'. Die ersten beiden Firmen, die in diesem Sektor eine Partnerschaft mit Kuba eingehen wollten, hätten die Biostrom-Anlagen in ihre Pläne integriert, erklärt er.

Das erste Werk nahe der Zuckermühle in Ciro Retondo in der Provinz Ciego de Ávila soll ab 2016 Elektrizität liefern. Für den Bau ist das Unternehmen 'Biopower' verantwortlich, ein Joint-venture von Zerus und der britischen Firma 'Havana Energy Ltd.' Während der Zuckerrohr-Erntezeit von Dezember bis Mai wird Bagasse aus der benachbarten Fabrik für die Stromproduktion genutzt. In den übrigen Monaten soll auf gelagerte Zuckerrohr-Rückstände und 'Marabú', ein Strauchgewächs, zurückgegriffen werden. Die notwendigen Investitionen werden mit 45 bis 55 Millionen Dollar beziffert.

Das Infrastrukturunternehmen COI, ein Subunternehmen des brasilianischen Baugiganten 'Odebrecht', hat zudem mit dem ebenfalls unter dem Dach von Azcuba arbeitenden Zuckerunternehmen von Cienfuegos vereinbart, 13 Jahre lang gemeinsam die Zuckermühle '5. September' in der Provinz zu betreiben. Die Produktionskapazität des Werkes soll auf mindestens 90.000 Tonnen Zucker pro Ernte gesteigert werden. Laut Lobos sind dazu Investitionen von mehr als 100 Millionen Dollar und der Bau einer Bioenergie-Anlage nötig.

Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Zuckerproduktion in der Provinz Matanzas
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Zusammen mit der Zuckermühle 'Jesús Rabí' in der Provinz Matanzas sollen die beiden anderen Mühlen mittelfristig die ersten 140 Megawatt Strom aus Bagasse erzeugen. Havana Energy und COI haben der kubanischen Zuckerindustrie die Türen zu ausländischem Kapital geöffnet, während auch andere Wirtschaftszweige mit auswärtiger Finanzierung arbeiten. Die Regierung von Präsident Raúl Castro schätzt, dass die Wirtschaft des Landes ausländische Investitionen zwischen zwei und 2,5 Milliarden Dollar jährlich benötigt, um zu wachsen.


20 Zuckermühlen für ausländisches Kapital geöffnet

Von den 65 Zuckermühlen in Kuba waren sechs stillgelegt worden. Azcuba hat 20 Werke für ausländische Investitionen geöffnet. Auch wenn auswärtige Anteilseigner nicht in die Ethanol-Produktion einbezogen werden sollen, sehen Experten dennoch gute Aussichten für den Verkauf dieses Treibstoffs.

Rum und im Pharmasektor verwendeter Alkohol werden in Kuba bisher in elf Destillen hergestellt, die ebenfalls modernisiert werden sollen.

Die kubanische Zuckerindustrie, einst ein wichtiger Pfeiler der Wirtschaft, produzierte früher bei jeder Ernte bis zu acht Millionen Tonnen Zucker. 2009/2010 wurde jedoch mit mageren 1,1 Millionen Tonnen die Talsohle erreicht. Das war der niedrigste Stand seit 105 Jahren. 2013/2014 kletterte die Ernte wieder auf über 1,6 Millionen Tonnen. Derzeit zieht der Sektor etwa fünf Prozent der ausländischen Investitionen an. (Ende/IPS/ck/2014)


Links:

http://www.ipsnews.net/2014/09/cubas-sugar-industry-to-use-bagasse-for-bienergy/
http://www.ipsnoticias.net/2014/09/el-azucar-cubano-adquiere-protagonismo-energetico/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Oktober 2014