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MEER/020: Endlos viel Plastik im Meer - Honolulu-Konferenz warnt vor den Folgen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. März 2011

Umwelt: Endlos viel Plastik im Meer - Honolulu-Konferenz warnt vor den Folgen

Von Stephen Leahy


Honolulu, USA, 25. März (IPS) - Der Gebrauch eines Plastikbechers, etwa für den Luxus eines Coffee to Go, dauert Minuten, kann über Jahrzehnte den Tod von Fischen und Seevögeln verursachen. Meeres- und Umweltexperten haben auf einer Konferenz in Hawaii auf die Gefahren hingewiesen, die von Kunststoffen für die Meeresbewohner ausgehen, und Gegenmaßnahmen gefordert.

Auf den pazifischen Inselatollen füttern Albatrosse ihren Nachwuchs mit Plastikstückchen, die sie für Nahrung halten. Diese verhängnisvolle Verwechslung führt dazu, dass die Jungtiere verhungern. Und was ebenso verhängnisvoll ist: Durch den Verwesungsprozess gelangen die tödlichen Rückstände erneut in die Umwelt und stehen bereit, um andere Lebewesen umzubringen.

Jan Andries van Franeker, Biologe am Forschungsinstitut für Meeresressourcen und Ökosysteme der niederländischen Universität Wageningen schätzt die Kunststoffabfälle in den Mägen der Millionen Meeressturmvögel auf insgesamt 45 Tonnen.

Mindestens 95 Prozent der Nordsee-Eissturmvögel haben mehrere Dutzend Plastikstückchen in ihren Bäuchen, ist der Experte überzeugt. Das Gleiche gelte für verwandte Möwenarten wie die Buntfuß-Sturmschwalbe, die unwissentlich 35 Tonnen Plastik von ihrem Winterquartier am Nordatlantik zu ihrem Nistplatz in die Arktis transportiert.

"Manchmal habe ich einen Alptraum, dass alle diese Vögel die Plastikabfälle auf einen Konferenzraum wie diesen abwerfen", so Franeker auf der Fünften Internationalen Konferenz für Meeresmüll vom 20. bis 25. März in Honolulu auf Hawaii.

Das UN-Umweltprogramm (UNEP) hatte 2006 geschätzt, dass auf einem Quadratmeter Meer 13.000 Plastikstücke schwimmen. Ein Spaziergang an jedem Strand der Welt verdeutlicht das Problem, es sei denn, er wurde kurz zuvor gereinigt.

Die US-Meeresschutzorganisation 'Ocean Conservancy' führt seit 25 Jahren Küstenreinigungsprogramme durch. Inzwischen haben fast neun Millionen Freiwillige in 152 Ländern 55 Millionen Kilogramm Müll entsorgt und katalogisiert, wie einer in Honolulu veröffentlichen Studie zu entnehmen ist.


Aus dem Auge, aus dem Sinn

In den meisten Fällen handelt es sich um Zigarettenkippen, Nahrungsmittelpackungen und Flaschenverschlüsse. Kunststofftaschen, -flaschen und -trinkhalme gehören ebenfalls zu den Top Ten der Verschmutzer von Meeresökosystemen. "Die Menschen machen sich nicht klar, dass die akkumulierten Auswirkungen des Mülls die Ozeane belasten", meinte dazu der UNEP-Exekutivdirektor Achim Steiner in einem Videokommentar. Meeresmüll sei ein Aus-dem-Auge-aus-dem-Sinn-Problem.

Der UNEP-Chef wies auf neue wissenschaftliche Untersuchungen hin, denen zufolge kleine Plastikpartikel, sogenannte Mikrokunststoffe, Substanzen freisetzen, die das Hormonsystem von Meerestieren und möglicherweise auch der Menschen stören können. "Wir müssen uns von Plastik unabhängiger machen", forderte er.

Jedes Jahr fallen weltweit 260 Millionen Tonnen Plastik an. Das Problem ist, dass der Kunststoff nicht wirklich verrottet, sondern sich nur in immer kleinere Stücke bricht und hunderte von Jahren als Mikroplastik in der Umwelt bleibt.

1950 wurden weltweit nur fünf Millionen Tonnen Plastik hergestellt. Heute verwenden Verbraucher in den Industriestaaten 100 Kilogramm Plastik pro Jahr. In den Entwicklungsländern sind es unter 20 Kilo. Der Anteil steigt jedoch kontinuierlich.


Plastik einen Mehrwert geben

Nach Ansicht von Steiner sind Maßnahmen wie das südkoreanische EPR-System, das Produzenten und Importeure zwingt, einen Teil ihrer Produkte zu recyceln, nicht nur Teil der Lösung, sondern schaffen Jobs und Einnahmen. In den fünf Jahren seit der Einführung des Systems wurden sechs Millionen Tonnen Plastik receycelt - mit einem finanziellen Nutzen im Wert von 1,6 Milliarden Dollar.

Dem Meeresbiologen van Franeker zufolge ließe sich der Plastikmüll in den Meeren weltweit durch ein globales Abgabesystem verringern, das den Kunststoffen einen hohen finanziellen Wert einräumt. Die Flaschenrücknahmeregelungen in Deutschland, Niederlanden und den nordischen Ländern etwa hätten dafür gesorgt, dass 95 Prozent der Plastikflaschen recycelt werden.

"Abbaubare Kunststoffe sollten seiner Meinung nach verboten werden, weil der Plastikanteil viel höher ist als bei Produkten aus Öl. Im Grunde ist van Franeker kein Feind von Kunststoffen - ganz im Gegenteil. "Es ist ein wunderbares Material", schwärmte er in Honolulu. "Wahres Plastik hat einen Wert und kann immer wieder verwendet werden." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://marinedebris.noaa.gov/projects/intlmdconf.html
http://www.oceanconservancy.org/
http://www.unep.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=54992

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. März 2011