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ÖKOSYSTEME/089: Neobiota - Inseln und Küstenregionen am meisten gefährdet (idw)


Universität Konstanz - 12.06.2017

Inseln und Küstenregionen am meisten gefährdet

Mit Konstanzer Beteiligung wurden erstmals weltweite Hotspots für nicht heimische Tier- und Pflanzenarten identifiziert


Die Verteilung von Neobiota, nicht-heimischer Arten, auf verschiedene Regionen der Erde ist höchst unterschiedlich. Wo sich die globalen Hotspots für eingebürgerte, nicht heimische Arten befinden, war allerdings bislang unklar. Ein internationales Forschungsteam unter Mitwirkung des Ökologen Prof. Dr. Mark van Kleunen von der Universität Konstanz legt nun erstmals eine Analyse dieser Hotspots vor: Demnach finden sich die meisten Neobiota auf Inseln und in Küstenregionen.


Foto: © Tim Blackburn

Halsbandsittich (Psittacula krameri manillensis), ursprünglich aus Asien, nun auch in London zu finden.
Foto: © Tim Blackburn

Die Studie wurde in der renommierten Zeitschrift Nature Ecology and Evolution vom 12. Juni 2017 veröffentlicht.

Verursacht durch den Menschen dringen zunehmend Arten in neue Gebiete vor, in denen sie ursprünglich nicht heimisch waren. Die Anzahl eingebürgerter Neobiota ist in verschiedenen Regionen der Erde unterschiedlich groß. Unklar war jedoch, wo die meisten etablierten Neobiota anzutreffen sind und welche Faktoren deren Verteilung prägen.


Foto: © Tim Blackburn

Grauhörnchen (Sciurus carolinensis), aus Nordamerika, mittlerweile weit im Vereinigten Königreich verbreitet.
Foto: © Tim Blackburn

Ein internationales Team aus 25 Forscherinnen und Forschern unter der Leitung von Dr. Wayne Dawson von der Universität Durham (Großbritannien), der seine Forschung auf diesem Gebiet in der Konstanzer Arbeitsgruppe von Mark van Kleunen begann, erstellte eine Datenbank mit den Vorkommen von acht Tier- und Pflanzengruppen (Säugetiere, Vögel, Amphibien, Reptilien, Fische, Spinnen, Ameisen, Gefäßpflanzen) in einer Region außerhalb ihres Heimatgebiets. Insgesamt wurde die Verbreitung auf 186 Inseln und 423 Regionen auf Kontinenten erfasst. So konnten die Wissenschafterinnen und Wissenschaftler zum ersten Mal überhaupt die globale Verteilung von Neobiota in einer großen Anzahl wichtiger Organismengruppen erfassen.


Foto: © Benoit Guénard

Brachyponera chinensis, eine Ameisenart aus Ostasien, jetzt auch im Südosten der USA zu finden.
Foto: © Benoit Guénard

Wichtigstes Ergebnis: Inseln und Küstenregionen auf Kontinenten weisen die höchsten Zahlen eingebürgerter Neobiota auf. An erster Stelle befindet sich Hawaii, gefolgt von der Nord-Insel von Neuseeland und den kleinen Sunda-Inseln Indonesiens. "Hawaii und Neuseeland liegen im Spitzenfeld bei allen untersuchten Artengruppen", erklärt der ebenfalls beteiligte Ökologe Dr. Franz Essl von der Universität Wien (Österreich): "Beide Regionen sind abgelegene und ursprünglich sehr isolierte Inseln, in denen manche Organismengruppen von Natur aus fehlten - wie etwa Säugetiere. Heute liegen beide Regionen in ökonomisch hochentwickelten Ländern mit intensiven Handelsbeziehungen und dementsprechend massiven Folgen für die Einschleppung und Einbürgerung von Neobiota".


Foto: © Wayne Dawson

Besenginster (Cytisus scoparius), eine Pflanze, die ursprünglich aus Europa stammt, in Neuseeland eingedrungen.
Foto: © Wayne Dawson

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten auch, welche Faktoren dafür entscheidend sind, ob eine Region viele oder wenige eingebürgerte Neobiota aufweist. "Wir fanden einen deutlichen Anstieg der Anzahl eingebürgerter Neobiota in dicht besiedelten Regionen sowie in Gebieten mit hoher ökonomischer Entwicklung", erklärt Dr. Dietmar Moser, ebenfalls von der Universität Wien und Zweitautor der Studie. "Der Grund dafür ist, dass diese Faktoren die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass der Mensch viele neue Arten in ein Gebiet 'einschleppt'. Die dadurch mitverursachte Zerstörung von Lebensräumen begünstigt die Ausbreitung von Neobiota. Inseln und Küstenregionen scheinen daher besonders anfällig zu sein, da sie im globalen Fernhandel eine dominierende Rolle einnehmen." Prof. Mark van Kleunen, der Konstanzer Drittautor der Studie, ergänzt: "Neben der Einschleppung neuer fremder Arten besteht ein weiteres bedeutendes Risiko. Viele der fremden Pflanzen und Tiere, die in unseren Häusern und Gärten gehalten werden und sich bisher noch nicht wild lebend etabliert haben, könnten dies in Zukunft tun. Dies gilt insbesondere in Anbetracht des zunehmenden Klimawandels."

Die große Anzahl von Neobiota in vielen Regionen der Erde hat massive Konsequenzen, da einheimische Arten verdrängt und natürliche Lebensräume verändert werden. Dies ist auf Inseln besonders problematisch, da viele der dort heimischen Arten nur auf der Insel selbst vorkommen und daher besonders rasch durch Neobiota verdrängt werden.

Weltweit gibt es viele Gesetze und Abkommen mit dem Ziel, die Ausbreitung von Neobiota zu reduzieren. "Unsere Studie zeigt, dass die Anstrengungen bislang nicht effektiv genug waren, um mit der Globalisierung Schritt zu halten. Es ist daher dringend erforderlich, effektivere gesetzliche Maßnahmen zu implementieren, besonders für Inseln", meint Essl. So hat etwa Neuseeland in den letzten Jahrzehnten umfassende Regelungen erlassen, um die Einschleppung weiterer Neobiota zu verhindern. Auch wurden auf kleinen Inseln in den vergangenen Jahren mehrfach eingeschleppte Räuber wie Ratten und Mäuse erfolgreich ausgerottet. Diese Beispiele zeigen, dass erfolgreiches Handeln möglich ist.


Originalveröffentlichung:
W. Dawson, D. Moser, M. van Kleunen, H. Kreft, J. Pergl, P. Pysek, M. Winter, B. Lenzner, T. Blackburn, E. Dyer, P. Cassey, S. Scrivens, E. Economo, B. Guénard, C. Capinha, H. Seebens, P. Garcia-Diaz, W. Nentwig, E. Garcia-Berthou, C. Casal, N. Mandrák, P. Fuller, C. Meyer, und F. Essl (2017): "Global hotspots and correlates of alien species richness across taxonomic groups", Nature Ecology and Evolution DOI: 10.1038/s41559-017-0186
http://nature.com/articles/doi:10.1038/s41559-017-0186

Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news676167

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1282

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Universität Konstanz, Julia Wandt, 12.06.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2017

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