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PROTEST/110: Es grünt so grün... wenn die Profite blühen? - Windkraftprojekte in Mexiko (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 135, 1/16

Es grünt so grün ... wenn die Profite blühen?

Widerstand gegen Windkraftprojekte im Süden Mexikos

von Simone Peter


Grüne Energie - daran kann ja wohl nichts Schlechtes sein? Wer aber die Bilder aus dem Isthmus von Tehuantepec in Oaxaca das erste Mal sieht, fängt daran zu zweifeln an: ein Windrad neben dem anderen, dazwischen verteilt die kleinen Häuser der ansässigen Bevölkerung. Vor allem große ausländische Unternehmen aus aller Welt sind hier Investor_innen. Und die Menschen vor Ort? Die hat keiner gefragt.


Im Oktober 2013 waren Sara Mendéz Morales (Codigo DH) und Philipp Gerber (medico international) auf Besuch in Wien und berichteten über die aktuelle Situation am Isthmus von Tehuantepec, der neben Patagonien weltweit das größte Potenzial für die Gewinnung von Windenergie bietet. Bisher existieren 21 Windparks mit etwa 1.300 Windrädern auf einer Fläche von knapp 400 km² - das entspricht der Größe Wiens. Die meisten davon liegen im Munizipium Juchitán. Dort ist ein großer Teil der Bevölkerung indigen, und deren wichtigste Sprache ist Zapotekisch.

Die Windkraftprojekte betreffen die Gemeinden in verschiedener Art und Weise. Neben der Lärmbelästigung, bei der die zugelassenen Grenzwerte häufig um ein Doppeltes überschritten werden, ist es vor allem die Vorgehensweise der Unternehmen und lokalen Politiker_innen, die problematisch ist. Bisherige Projekte, meist finanziert durch internationale Banken und Unternehmen aus Europa, wurden ohne jegliche Abstimmung mit den betroffenen Gemeinden durchgeführt. Dies steht im Gegensatz zu den geltenden (Land-)Rechten der indigenen Bevölkerung (ILO 169). Das ist auch einer der Gründe, weshalb die Windparks in der Region immer wieder auf großen Widerstand stoßen.


Zugang zu Land

Die Verhandlungen um Pachtverträge werden mit den lokalen Besitzer_innen direkt geführt, meist auf Spanisch. Dies stellt für die indigene Bevölkerung, deren Erstsprache Zapotekisch ist, bereits eine erste Hürde dar. Ein Ergebnis davon ist, dass die Pachtpreise im internationalen Vergleich zu anderen Windparks geradezu lächerlich gering sind, aber sie variieren auch untereinander.

Menschenrechtsorganisationen wie Codigo DH haben in den letzten Jahren wachsende soziale Ungleichheit und Konflikte in den indigenen Gemeinden festgestellt: zwischen denjenigen, die von den Windparks profitieren können und wollen, und denjenigen, die keine Möglichkeit dazu hatten bzw. nicht dazu bereit waren. Die Projekte, die von außen in die indigenen Gemeinden hineingetragen bzw. ihnen aufgezwungen werden, drohen interne Konflikte zu verstärken, was wiederum die Position der lokalen Bevölkerung gegenüber den Interessen transnationaler Unternehmen schwächt.

Ein weiterer kritischer Punkt ist der, dass tendenziell immer mehr Windparks eingezäunt und überwacht werden. Aber teilweise befindet sich innerhalb der Windparks Land, das nicht an die Firmen verpachtet wurde und noch bewirtschaftet wird. Oft wird den Besitzer_innen des Landes der Zugang sogar mit Waffengewalt verwehrt. Als Grund geben die Windparkbetreiber_innen an, dass sie sich vor Diebstahl schützen müssen.

Vor allem für Frauen, die als Heilerinnen tätig sind und Wildkräuter sammeln, macht diese Politik den Zugang zu notwendigen Pflanzen unmöglich. Da das Gesundheitssystem in der Region nur sehr mangelhaft ist, greifen vor allem die ärmeren Schichten auf natürliche Heilmittel zurück. Mit mehr und mehr eingezäunten Windparks wird der Zugang zu Heilpflanzen erschwert. Die Windräder mit ihren Betonfundamenten und das teils austretende Maschinenöl verändern die Flora, und lokale Anwohner_innen befürchten längerfristig eine Verschmutzung des Grundwassers.


Frauen im Widerstand

Aktivist_innen, die aktiv die Verstöße gegen ihre (Land-)Rechte aufzeigen, sind immer wieder Bedrohungen und Angriffen ausgesetzt. 2013 wurde ein bekannter Gegner eines Windkraftprojekts mit sechs Schüssen in den Rücken ermordet. Sara Mendéz Morales erzählte von den Frauen, die sich gegen die Windparks einsetzen - meist Kleinbäuerinnen, Händlerinnen und Kunsthandwerkerinnen. Viele von ihnen haben bereits Drohungen erhalten, in einem Fall wurde auch der eigene Obstgarten, der in der Umgebung eines Windparks lag, abgebrannt. Telefonische Drohungen und Ähnliches sind an der Tagesordnung. Die Frauen lassen sich aber nicht so leicht einschüchtern. In der Generalversammlung der Juchitek_innen finden sie klare Worte dafür, warum und wogegen sie ihr Territorium verteidigen, und ernten dafür unter den Gleichgesinnten Respekt und Anerkennung.

Vor allem die Frauen sind im Kampf um ihr Territorium und ihr Land sehr aktiv, berichtete Sara Mendéz Morales, denn für sie bedeutet die Verteidigung ihres Landes die Verteidigung ihrer Zukunft. Das Land ist Teil ihrer indigenen Identität. Besonders für Frauen ist Landbesitz sehr wichtig, da er ihnen Unabhängigkeit ermöglicht, speziell in wirtschaftlicher Hinsicht. Der Verlust des Landes bedeutet, dass sie ihre Selbstständigkeit verlieren und anderweitig Arbeit als Angestellte suchen müssen, entweder in den Windparks oder außerhalb der Region.


Widerstand gegen Eólica del Sur: Erste Erfolge

2015 wurde ein weiteres Windkraftprojekt in der Region in Angriff genommen, jedoch wurde dabei zum allerersten Mal die gesetzlich vorgeschriebene Konsultation der indigenen Bevölkerung durchgeführt. Codigo DH kritisierte, dass die Konsultationstermine oft sehr spät und unzureichend bekannt gegeben wurden.

Das zuständige Staatssekretariat für Energie hatte nur vier Tage nach Abschluss der Konsultation mit 31. Juli 2015 bekannt gegeben, dass die Juchitek_innen dem Bau des größten Windparks Lateinamerikas in ihrer Region zustimmten. Menschenrechtsorganisationen, die den Prozess begleitet hatten, legten sofort Widerspruch ein, da nur weniger als ein Prozent der ansässigen Bevölkerung für das Projekt gestimmt hatte und Drohungen und Gewalt für Gegner_innen des Projekts an der Tagesordnung waren. Die Konsultation wurde außerdem erst zu einem Zeitpunkt durchgeführt, als das Projekt bereits angelaufen war.

Seit 2013 gibt es in Juchitán aktiven Widerstand gegen das Projekt, das unter anderem von der Interamerikanischen Entwicklungsbank finanziert werden sollte. Im Dezember 2015 wurde der vorläufige Baustopp auf unbestimmte Zeit verlängert, bis die vorgefallenen Menschenrechtsverstöße geklärt werden können.

Dieser Etappenerfolg ist ein kleiner Schritt in Richtung Selbstbestimmung für die indigenen Gemeinden in Juchitán, jedoch sollte nicht vergessen werden, wem sie gegenüberstehen. Das "Who is Who" der transnationalen Konzerne ist an diesen Projekten beteiligt, ob in Bau und Durchführung (Siemens, ENEL, FENOSA ...) oder als Investor_innen und Nutzer_innen der Energie, die ihre oft beschmutzte Weste mit "grüner" Energie reinwaschen wollen (Volkswagen, Nissan, Coca-Cola ...).


Webtipp: Defensoras de la tierra:
https://www.youtube.com/watch?v=6eR7GmNithg

Hörtipp: "Grüne Projekte - für wen?" aus der Sendereihe "Globale Dialoge" ist jederzeit unter http://noso.at/?p=4471 abrufbar.

Zur Autorin: Simone Peter ist im Vorstand von FIAN Österreich aktiv und Mitglied der Redaktionsgruppe Women on Air. Feministische und agrarpolitische Themen sind ein wichtiger Bereich ihres Lebens. Sie lebt und arbeitet derzeit in Wien.

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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 135, 1/2016, S. 29-30
Medieninhaberin und Herausgeberin:
Frauensolidarität im C3 - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen
Sensengasse 3, A-1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
E-Mail: redaktion@frauensolidaritaet.org,
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2016

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