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PROTEST/131: Mexiko - Volkswagen gegen Regengott Tlaloc (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Mexiko
Volkswagen gegen Regengott Tlaloc

Von Wolf-Dieter Vogel



Foto: Anwar Vazquez/Flickr (CC BY-NC-ND 2.0) [https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/]

Maisernte im mexikanischen Bundesstaat Puebla
Foto: Anwar Vazquez/Flickr (CC BY-NC-ND 2.0)
https://creativecommons.org/licenses/by-nd/2.0/

(Mexiko-Stadt, 17. August 2018, taz/poonal) - Volkswagen fordert den aztekischen Regengott Tlaloc heraus. Davon jedenfalls sind viele Bäuer*innen überzeugt, die in den Dörfern rund um das Werk des Fahrzeugherstellers im südmexikanischen Bundesstaat Puebla leben. Seit die deutschen Autobauer "Antihagelbomben" in den Himmel schießen, habe es nicht mehr geregnet, sagen sie. Durch die Trockenheit seien auf 2.000 Hektar Land die Maispflanzen vertrocknet. Auch von den Pilzen, die sonst immer in den Tälern der nahe gelegenen Berge sprießen, sei nichts zu sehen. "Der Anbau der gesamten Gegend ist verloren", erklärt Sprecher Francisco Tlaxca Pérez. "Das Unternehmen schützt sein Produkt, seine Wagen, und schädigt die Campesinos in der Region."

Tatsächlich feuert VW seit Jahresbeginn Schallwellen in die Luft, die verhindern sollen, dass die Karosserien der frisch gebauten Golfs, Jettas und Beetles nicht durch Hagelschauer Schaden nehmen. Schließlich stehen unzählige der Neuwagen auf unbedachten Parkplätzen und sind schutzlos dem Zorn Tlalocs ausgeliefert. Im letzten Jahr sind deshalb nach Firmenangaben Schäden in Höhe von 17,6 Millionen Euro entstanden.


Sind Schallwellen für Dürre verantwortlich?

Schon im Juni haben die Bäuer*innen wegen der "Bomben", wie sie die Schallgeschosse nennen, die Zugänge des Werkes blockiert. Die Autobauer reagierten schnell: Die Maßnahme werde vorläufig gestoppt, ließ die Firmenleitung wissen. Davon könne keine Rede sein, schimpften jedoch die Landwirt*innen und blockierten in der zweiten Augustwoche die nahe gelegene Autobahn nach Mexiko-Stadt. Gemeinsame Treffen, auf denen man zu einer Einigung kommen wollte, seien von VW abgesagt worden, kritisierte der Umweltdezernent des Dorfes Cuautlancingo, Rafael Ramírez Hernández. Die Regierung forderte die Firma offiziell auf, ihre "Antihagel-Kanonen" ruhen zu lassen. Man wolle einen sozialen Konflikt vermeiden, hieß es.

Aber auch dem Autobauer, der insgesamt 16.400 Arbeiter*innen in Mexiko beschäftigt, war offenbar zunächst nicht an einer Zuspitzung gelegen. Nach Angaben der Bäuer*innen hat VW 7.200 Euro Entschädigung für jeden Hektar Land angeboten, auf dem wegen der Trockenheit die Ernte zerstört werde. Das aber lehnten die Landwirt*innen ab. Man wolle kein Geld, sondern die Sicherheit, dass das Land wieder bepflanzt werden könne. Inzwischen schießt die deutsche Firma wieder mit ihren Schallkanonen in den Himmel über Puebla. Die Bäuer*innen haben indes weiteren Widerstand angekündigt und fordern eine Entschädigung von 3,2 Millionen Euro.

Allerdings leidet ganz Mexiko unter einer Hitzewelle, von der nördlichen US-Grenze bis ins südmexikanische Chiapas regnete es lange Zeit nicht oder viel zu wenig. In vielen Regionen wächst praktisch kein Maiskolben. Zudem ist wissenschaftlich umstritten, ob die Schallwellen einen negativen Effekt haben. Die nationale Wasserkommission Conagua konnte keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür finden, dass die Antihagelbomben den Tatendrang Tlalocs bremsen könnten. Aber auch VW bleibt eine Antwort schuldig: Warum feuern die Autobauer die umstrittenen Schallwellen in den Himmel, wenn doch gar kein Niederschlag fällt? Die Pressestelle hat leider nicht geantwortet.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. August 2018

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