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PROTEST/147: Statt Festungs-Naturschutz, Indigene stärken - Petition an UN übergeben (Rettet den Regenwald e.V.)


Rettet den Regenwald e.V. - 9. Dezember 2022

Statt Festungs-Naturschutz, Indigene stärken
Petition "Artenvielfalt schützen - aber richtig!" während der UN-Konferenz zur Biodiversität COP 15 in Montréal übergeben

Gemeinsame Pressemitteilung von Rettet den Regenwald e.V. (Deutschland), WALHI Süd-Sulawesi, WALHI Papua, Aceh Wetland Foundation, Pusaka, Save Our Borneo, Kaoem Telapak (alle sechs Indonesien), Devcon, WATER, RRDC (alle drei Nigeria), RIAO-RDC, CAMV (beide Demokratische Republik Kongo), Synaparcam (Kamerun), TASHA (Uganda), TEST (Tansania), SADIA (Malaysia)


Hamburg/Montréal, 8.12.2022 - Während der Weltnaturkonferenz der Vereinten Nationen hat die deutsche Organisation Rettet den Regenwald e.V. eine Petition mit 65.014 Unterschriften an die Exekutivsekretärin der Biodiversitäts-Konvention, Elizabeth Maruma Mrema, übergeben. Die Petition kritisiert den Plan der UN, bis zum Jahr 2030 insgesamt 30 Prozent der Erde in Schutzgebiete zu verwandeln.

"30 Prozent der Erde unter Schutz zu stellen, klingt verlockend einfach - und ist brandgefährlich. Dahinter steckt die Theorie, dass Natur nur geschützt werden kann, wenn man Menschen fernhält. In der Praxis: wenn man die örtliche Bevölkerung vertreibt", erklärt Marianne Klute, Vorsitzende von Rettet den Regenwald e.V. "300 Millionen Männer, Frauen und Kinder wären von "30 by 30" bedroht, viele von ihnen Angehörige indigener Völker. Unter der Vertreibung im Namen des Naturschutzes würden ausgerechnet die besten Regenwaldschützer:innen leiden. Denn die Natur ist dort, wo Indigene Verantwortung tragen, in einem besseren Zustand als anderswo. Ob Schutzgebiete der Natur etwas bringen, ist fraglich. Obwohl ihre Zahl geradezu explodiert ist, bricht die Artenvielfalt ein. Statt auf zweifelhafte, überkommene Konzepte wie streng bewachte Nationalparks zu vertrauen, muss diese Konferenz die Rechte Indigener stärken."

Schutzgebiete wie Nationalparks folgen häufig dem überkommenen Konzept des "Festungs-Naturschutzes", wonach Mensch und Natur strikt getrennt werden sollten. Das könnte zum größten Landraub der Geschichte werden, der zudem wenig zum Artenschutz beiträgt.

Statt einer Fixierung auf Schutzgebiete fordern die Organisationen von den 196 Staaten der Biodiversitäts-Konvention die Sicherung der Rechte indigener Völker. Denn die Natur ist dort, wo Indigene Verantwortung tragen, in einem besseren Zustand als anderswo.

Die Exekutivsekretärin der Biodiversitäts-Konvention, Elizabeth Maruma Mrema, schloss sich während der Petitionsübergabe einigen Argumenten an. Auch sie sieht in Indigenen die wahren Hüter der Natur. Sie müssten stärker beteiligt werden, auch an Konferenzen wie der COP15. "Ich hätte gern mehr von ihnen hier gesehen", sagte sie.

Das 30-Prozent-Ziel dürfe nicht isoliert verfolgt werden und ergebe nur mit vielen anderen Maßnahmen Sinn. Elizabeth Maruma Mrema sagte zu, bei ihren Gesprächen auf die Risiken einer einseitigen Betonung von Schutzgebieten hinzuweisen. "Ich werde die Botschaft weitertragen", sagt sie. ("I will plant the seed".)

Die Petition wurde von 15 Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisationen aus Afrika und Asien mitgetragen und richtet sich an die UN, Bundeskanzler Olaf Scholz und die UN-Mitgliedsstaaten.

(Den Wortlaut der Petition finden Sie am Ende dieser Pressemitteilung.)

"Der Plan, bis 2030 30 Prozent der Erde als Schutzgebiete auszuweisen, ohne die gewohnheitsmäßigen Landrechte der Ureinwohner zu berücksichtigen, könnte das Verhältnis zwischen Naturschutz und Natur zerstören. Wenn Sie die Ureinwohner vertreiben, (...) zerstören Sie die Ökologie", sagt Pacifique Mukumba von der Indigenenorganisation CAMV (DRK).

"Der Plan "30 by 30" bedeutet, wenn er genehmigt wird, eine Katastrophe für den weltweit verbliebenen Regenwald", warnt Dr. Martins Egot, Exekutivdirektor der Organisation Development Concern in Nigeria.

"Wenn man sich intensiv mit der Natur und der biologischen Vielfalt beschäftigt, sieht man: Indigene Gemeinschaften pflegen traditionelles Wissen und Praktiken, die für die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von großer Bedeutung sind. Das ist etwas, was das Konzept, 30 Prozent des Planeten unter Schutz zu stellen, anscheinend nur aus politischer Rücksichtnahme ablehnt", sagt Maxwell Atuhura, Tasha Research Institute Africa (TASHA) Uganda.

"Dieser zukünftige Landraub muss gestoppt werden. In unserem Land wird ein solches Projekt die indigenen Völker und die lokalen Gemeinschaften in die absolute Unsicherheit treiben", so Ladislas Désiré Ndembet von der Organisation Synaparcam aus Kamerun: "Dieses makabre Projekt muss unbedingt bekämpft werden."

"Wenn dies umgesetzt wird, werden die Eingeborenen das Recht auf den Wald verlieren, in dem sie seit Generationen als Eingeborene leben! Auch 'traditionelle' Wirtschaftsformen wie Wanderfeldbau oder Hirtennomadentum werden hier nicht mehr akzeptiert", kritisiert Matek Geram, von der Indigenenorganisation SADIA aus Malaysia.

"Indigene Völker leben seit Jahrhunderten im Einklang mit der Natur. Sie sind die Hüter vieler der verbliebenen Wälder und der biologischen Vielfalt der Welt. Daher müssen indigene Völker in den Mittelpunkt eines jeden Schutzplans gestellt werden, auch in Schutzgebieten", sagt Mardi Minangsari, Exekutivdirektorin der Organisation Kaoem Telapak aus Indonesien.

Rettet den Regenwald e.V. ist während der gesamten COP 15, die bis zum 19. Dezember dauert, in Montréal und verfolgt die Verhandlungen zum neuen Weltnaturabkommen.

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Wortlaut der Petition

Sehr geehrte Frau Exekutivsekretärin Elizabeth Maruma Mrema,
sehr geehrter Herr Bundeskanzler Olaf Scholz,
sehr geehrte Vertreter und Vertreterinnen der Mitgliedsstaaten der CBD,

der Einbruch der Biodiversität ist neben der Klimakrise eine der existentiellen Krisen unserer Zeit. Sie fordern von unserer Gesellschaft tiefgreifende Reformen und beherztes Handeln.

Schutzgebiete und "andere wirksame flächenbezogene Erhaltungsmaßnahmen" (Other effective area-based conservation measures (OECM) spielen bei der Bewahrung der Biodiversität und von Ökosystemen eine bedeutende Rolle, sind jedoch mit erheblichen Risiken behaftet. Das Ziel des post-2020 global biodiversity framework, bis zum Jahr 2030 weltweit 30 Prozent der Erde unter Schutz zu stellen, birgt mehrere Gefahren.

  • Viele Schutzgebiete und OECMs sind mit Gewalt, Verarmung und Vertreibung verbunden, insbesondere von Bevölkerungsgruppen, die dort seit Generationen im Einklang mit der Natur leben. Der Schutz der Natur wird dann mit der Verletzung von Menschenrechten erkauft. "30 by 30" könnte der größte Landraub der Geschichte werden.
  • Viele Schutzgebiete und OECMs tragen wenig zur Bewahrung der Natur bei. Die Einrichtung von Schutzgebieten hat dann lediglich die Funktion eines Alibis und lenkt von wirksamen Maßnahmen ab.
  • Zielwerte wie 30 oder gar 50 Prozent beruhen offensichtlich auf politischen Erwägungen statt auf wissenschaftlichen Fakten.
  • Die Einrichtung und das Management von Schutzgebieten und OECMs verspricht großen, oft westlichen Organisationen und Firmen Profit beziehungsweise hilft letzteren via Flächen beanspruchende "nature-based solutions", ihr klimaschädliches Geschäftsmodell fortzusetzen.
  • Das Management von Schutzgebieten und OECMs berücksichtigt häufig regionale und lokale Besonderheiten nicht.

Zugleich nimmt die von der Wissenschaft untermauerte Erkenntnis zu, dass die Natur insbesondere dort am besten erhalten ist, wo indigene Völker und lokale Gemeinschaften leben und ihre Rechte gewahrt werden.

Wir bitten Sie daher:

  • Stärken Sie die Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften. Dabei geht es um die Garantie von Wald- und Landrechten, das Recht auf freie, vorherige und informierte Zustimmung, den Schutz vor Gewalt und Vertreibung und die gerechte Teilhabe an wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung.
  • Stärken Sie die Rolle indigener Völker und lokaler Gemeinschaften bei nationalen und internationalen Verhandlungen und bei der Umsetzung beziehungsweise Überwachung gefasster Beschlüsse. Traditionelles indigenes Wissen muss darin einfließen.
  • Setzen Sie sich dafür ein, dass indigene Völker und lokale Gemeinschaften finanziell besser ausgestattet werden, auch damit sie ihre Rolle als Hüter der Natur uneingeschränkt wahrnehmen können.
  • Setzen Sie sich dafür ein, dass die Ursachen der Biodiversitätskrise bekämpft werden, insbesondere Resourcenausbeutung und Überkonsum.


Link zur Petition:
https://www.regenwald.org/petitionen/1263/artenvielfalt-schuetzen-aber-richtig-un-muss-die-rechte-indigener-voelker-staerken

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Quelle:
Rettet den Regenwald e.V.
Pressemitteilung vom 9. Dezember 2022
Jupiterweg 15, 22391 Hamburg
Telefon: +49 40 228 510 80
E-Mail: kontakt@regenwald.org
Internet: www.regenwald.org

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 13. Dezember 2022

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