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WALD/012: Staatskapelle Berlin spielt für Indiens Wälder - Dirigent Mehta unterstützt Initiative (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2011

Klima: Staatskapelle Berlin spielt für Indiens Wälder - Dirigent Mehta unterstützt Initiative

Von Corina Kolbe


Berlin, 20. Januar (IPS) - Zubin Mehta gehört zu den Weltstars am Dirigentenpult, seit Jahrzehnten pendelt er zwischen den großen Musikzentren in Europa, den USA und Israel. Seine Heimat Indien hat er dabei aber nie vergessen. Als Mehta kürzlich in der Berliner Staatsoper für Naturschutz in der bedrohten nordöstlichen Himalaja-Region warb, leuchteten seine Augen.

"Alle sollten die unvergleichliche Schönheit dieser Landschaften kennenlernen", wünschte sich der 74-jährige Maestro, der die indische Staatsbürgerschaft nie ablegen wollte. Mehta, der aus Bombay stammt, dirigierte in Berlin ein Benefizkonzert der Staatskapelle, dessen Einnahmen einem Nachhaltigkeitsprojekt der Umweltorganisation WWF in den Bundesstaaten Sikkim und Arunachal Pradesh zufließen.

Zu verdanken war das Konzert dem Engagement mehrerer Mitglieder der Staatskapelle, die mit eigenen privaten Mitteln die Klimaschutzinitiative Orchester des Wandels und die Stiftung NaturTon gegründet haben. Damit wollen sie den Orchesteralltag umweltverträglich gestalten und Kollegen in aller Welt zur Nachahmung anregen. Die Stiftungsgründer plädieren etwa für CO2-Abgaben bei Flugreisen, Recycling-Papier in der Verwaltung, eine ökologisch unbedenkliche Reinigung ihrer Fräcke und kostenlose Nahverkehrstickets für Konzertbesucher.

Er sei sehr gerührt darüber, dass sich Musiker in Deutschland nun auch um die Wälder in Indien sorgten, bekannte Mehta. "Als sie mich fragten, ob ich das Konzert leiten würde, habe ich voller Freude zugesagt." Wie der Künstler im Interview erklärte, setzt er sich als gläubiger Parse seit frühester Jugend für den Naturschutz ein. "Wir verehren die Elemente und beten für eine saubere Erde, klares Wasser und reine Luft. Das ist Teil unserer Lebensphilosophie."


Musiker mit 'grünem Gewissen'

Mehta zeigte sich davon überzeugt, dass das Berliner Beispiel international Anklang finden kann. Wenn bekannt werde, dass die Musiker der Staatskapelle ein grünes Gewissen hätten, würden sich sicherlich auch andere Künstler der Initiative anschließen, meinte er.

Bereits in seiner Jugend war Umweltverschmutzung in Indien ein Problem. Inzwischen steht das Schwellenland vor weiteren immensen Schwierigkeiten. Der Dirigent warnte davor, dass die rapide anwachsende Bevölkerung immer mehr Platz brauche. "Wenn Dörfer zu Städten werden, verschwinden zunehmend Wälder", sagte Mehta, der in Indien riesige soziale Gegensätze erkennt. Immerhin seien 800 Millionen der rund 1,2 Milliarden Einwohner Analphabeten. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Subkontinent im Zuge der Globalisierung ein HighTech-Land geworden sei.

Mehta glaubt fest daran, dass sich nicht nur soziale, sondern auch politische Konflikte mit Hilfe der Musik entschärfen lassen. "Die Macht der Musik sollte man nie unterschätzen, sie überwindet viele Grenzen", sagte er mit Blick auf den Nahen Osten, wo er seit mehr als 40 Jahren mit dem Israel Philharmonic Orchestra zusammenarbeitet - zunächst als musikalischer Berater, inzwischen als Chefdirigent auf Lebenszeit.

Wie sein Kollege und langjähriger Freund Daniel Barenboim versucht Mehta, durch Musik zur Völkerverständigung beizutragen. Barenboim ist nicht nur Generalmusikdirektor der Staatsoper in Berlin, sondern leitet auch das 1999 gemeinsam mit dem palästinensischen Literaturwissenschaftler Edward Said gegründete West-Eastern Divan Orchestra, in dem Juden und Araber friedlich miteinander musizieren.

Mehta bringt seit Jahren Mitglieder des Israel Philharmonic Orchestra mit jungen israelischen Arabern im Norden des Landes in Kontakt. "Wir Künstler müssen uns noch stärker dafür einsetzen, dass Menschen, die in Krisensituationen leben, durch Musik zueinander finden", meinte er. "Wenn ich im Nahen Osten vor Juden und Arabern Beethoven aufführe, herrscht am Ende im Saal Frieden."

Beethovens dritte 'Leonoren-Ouvertüre' und seine 'Eroica'-Sinfonie bildeten bei dem Konzert in Berlin den Rahmen für ein zeitgenössisches Stück des indischstämmigen Komponisten Naresh Sohal, der in 'The Divine Song' Teile der hinduistischen Schrift 'Bhagavad Gita' vertont hat. Die ins Deutsche übertragenen Textpassagen rezitierte der Schauspieler Stefan Kurt mit großer Emphase. Grenzen zwischen unterschiedlichen Kulturen, Epochen und Genres wurden damit überschritten.


Musikalische Bildung für Kinder in Indien

Künstler wie Mehta sind sich darüber im Klaren, dass auch Brücken zwischen den Generationen geschlagen werden müssen, um der klassischen Musik in Zukunft ein Publikum zu sichern. In Bombay gründete er vor einigen Jahren die Mehli Mehta Music Foundation, benannt nach seinem Vater, der 1935 das erste sinfonische Orchester Indiens ins Leben gerufen hatte.

Die Stiftung will Kinder und Jugendliche an die westliche Klassik heranführen, ohne die gewachsenen Traditionen des eigenen Landes aus den Augen zu verlieren. "Westliche Musik ist eine geborgte Kultur", erklärte Mehta. Die meisten Inder liebten die heimischen Klänge. Er wolle nun erreichen, dass sie beides schätzen könnten.

200 Kinder in Bombay lernen zurzeit dank Mehtas Engagement Instrumente wie Klavier oder Geige. Eine ebenso große Zahl von Interessenten steht noch auf der Warteliste. In Israel unterrichten derweil jüdische Musiker mehr als 200 junge Araber und bilden Lehrer aus. Wird Mehta nach seinem größten Wunsch gefragt, muss er nicht lange überlegen: "Ich träume davon, dass im Israel Philharmonic Orchestra eines Tages auch israelische Araber mitspielen." (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.zubinmehta.net/
http://www.orchester-des-wandels.de/
http://www.staatsoper-berlin.de/de_DE/calendar/7711790

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2011