Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

WALD/079: Pakistan - Stümpfe statt Bäume, Wälder im Nordwesten Opfer der Taliban (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Januar 2012

Pakistan: Stümpfe statt Bäume - Wälder im Nordwesten Opfer der Taliban

von Ashfaq Yusufzai

Wälder im Norden Pakistans abgeholzt - Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Wälder im Norden Pakistans abgeholzt
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, 19. Januar (IPS) - Die Wälder im Nordwesten von Pakistan gehören zu den bislang letzten Opfern der Taliban. Dort haben die selbsternannten Gotteskrieger den Holzeinschlag in großem Stil betrieben, um ihre Militäraktivitäten zu finanzieren. Im Bezirk Swat in der Region Malakand in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa sind von tausenden Bäumen nur noch die Stümpfe übrig geblieben.

"In fast allen Waldregionen wurde gnadenlos abgeholzt. Am schlimmsten jedoch wüteten die Taliban im Swat", berichtet Jamshaid Ali Khan von der lokalen Graswurzelbewegung 'Sarhad Awami Forestry Ittehad' (SAFI), die sich seit 1997 für den Schutz und die nachhaltige Entwicklung der Wälder einsetzt. Sie hätten die Dienste lokaler Holzmafiosi in Anspruch genommen und das geschlagene Holz zu Schleuderpreisen verkauft.

Immer wenn die Taliban Geld benötigten, vergriffen sie sich an den natürlichen Ressourcen, so auch Rahim Gul, Wissenschaftler an der Universität von Peshawar, der Hauptstadt von Khyber Pakhtunkhwa. Auch heute noch finanzierten sich die Taliban durch den Holzverkauf.

"Bis ein Baum ausgewachsen ist, vergehen 100 Jahre", sagt Khan. "Die Lokalregierung erlaubt den Einschlag erst nach einem entsprechenden Gutachten. Auch ist klar, dass nach der Entwaldung das betroffene Gebiet wieder aufgeforstet werden muss. Die von den Taliban abgeholzten Bäume hingegen sind selten ausgewachsen und werden auch nicht ersetzt."

Dem Pakistanischen Waldinstitut in Peshawar zufolge finanzieren sich die Taliban auch durch die Erhebung von Zwangssteuern auf Marmortransporte aus den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA), durch Entführungen und Drogenanbau. Darüber hinaus lassen sie sich von Kriminellen dafür bezahlen, dass sie ihnen Unterschlupf gewähren, und handeln mit Edelsteinen wie Smaragden.


Wälder zu 80 Prozent dezimiert

Doch der Holzeinschlag ist die Aktivität mit dem höchsten Zerstörungspotenzial. Vor der Ankunft der Taliban habe die Provinz 40 Prozent der landesweiten Waldressourcen besessen, erläutert Mohammad Jawad, ein Forstbeamter in Khyber Pakhtunkhwa. Auch wenn keine neuen Untersuchungen vorliegen, so wird allgemein angenommen, dass die Taliban 80 Prozent der lokalen Wälder vernichtet haben.

Die gesamte Region Malakand war einst für ihre Pinien- und Zedernwälder berühmt. Doch übrig geblieben ist nur eine baumlose Wüste. "Weniger Wald heißt weniger Geld für die mehr als 20.000 Haushalte im Swat-Tal und den angrenzenden Bezirken", stellt Jawad fest.

Ameer Muhammad Khan von SAFI zufolge sind die Wälder für die lokalen Gemeinschaften von unermesslichem Wert. Sie liefern das erforderliche Feuer- und Bauholz und sichern das Überleben der Viehbestände. "Die Regierung ist für den Schutz dieser Wälder zuständig, doch gelingt es ihr nicht, der ruchlosen Zerstörung durch die Taliban Einhalt zu gebieten."

Dadurch wurden 80.000 Menschen um ihre wichtigste Einnahme gebracht. Denn vor der Zerstörung des Baumbestands kassierten die Anrainer jeweils Waldnutzungsgebühren in Höhe von 100 US-Dollar. Der Betrag sei inzwischen auf zehn Dollar zurückgegangen. Die Menschen nehmen den Taliban übel, dass sie diese wichtige Einnahmequelle zum Versiegen brachten.

Doch nicht nur für die Menschen in Malakand, auch für die dortigen Behörden ging der Einschlag der Wälder mit herben Verlusten einher. Einem Bericht der Waldentwicklungsgesellschaft nach summieren sie sich auf bis zu 350 Millionen Dollar.


Wiederaufforstungsbemühungen

Dem Waldminister von Khyber Pakhtunkhwa, Wajid Ali Khan, zufolge hat sein Amt inzwischen ein Programm gestartet, das die lokalen Gemeinschaften zur Wiederaufforstung motivieren soll. Zudem habe man damit begonnen, mit lokalen Abgeordneten, Behördenvertretern und den Medien über eine nachhaltige Wiederaufforstungsstrategie in den betroffenen Gebieten zu verhandeln. Ferner wurden 20 von den lokalen Gemeinschaften und der Regierung gemeinsam verwaltete Kontrollposten eingerichtet.

Zusätzlich fördert die Regierung die Waldbewirtschaftung in der Region und hat 1,5 Millionen Setzlinge an die Lokalbevölkerung verteilt. Ebenso hat SAFI nach dem Sieg über die Taliban 2009 rund 100.000 Setzlinge auf einem insgesamt 800 Hektar großen Gebiet in Malakand ausgebracht. In einer weiteren Anstrengung hält SAFI alljährlich Diskussionsforen über Methoden zum Schutz und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder ab.

Von Malakands sieben Bezirken sind Swat, Dir und Buner am stärksten vom Kahlschlag betroffen. Ihre einst bewaldeten Hügel sind kahl. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:
http://seed.org.pk/safiframe1.html
http://www.ilmkidunya.com/colleges/pakistan-forest-institute- peshawar.aspx
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=106458

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 19. Januar 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2012