ARA Magazin 27-2021/22
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
Von Kanada bis Indonesien
Globale Zellstoff-Deals bedrohen Umwelt- und Menschenrechte
Asia Pulp and Paper (APP) ist einer der größten Papierkonzerne der Welt. In Indonesien wird sein Name seit langem mit Menschenrechtsverletzungen und der Zerstörung von zwei Millionen Hektar Tropenwald in Verbindung gebracht. Der kanadische Zellstoff- und Papierhersteller Paper Excellence verfolgt eine aggressive Expansionsstrategie in Nordamerika, Frankreich und Brasilien. Gemeinsam mit dem Environmental Paper Network (EPN) wirft ARA einen Blick auf mögliche Verflechtungen.
Seit 50 Jahren lebt die Pictou Landing First Nation Gemeinde in der
Nähe einer Zellstofffabrik an der nördlichen Küste von Nova Scotia,
Kanada. Seitdem belasten die ungeklärten Abwässer von Northern Pulp
ihre traditionellen Fischgründe in Boat Harbour und immer mehr
Anwohner_innen leiden unter Atemwegs- und Hautkrankheiten. Ihre
jahrzehntelangen Proteste hatten schließlich Erfolg: Im Januar 2020
musste die Fabrik schließen.
Aber es war ein bitterer Sieg: Von der Regierung gezwungen, die
verschmutzte Bucht zu reinigen, meldete Northern Pulp wenige Monate
später Insolvenz an. So will das Unternehmen die Rückzahlung von über
100 Mio. kanadischer Dollar vermeiden, die sie in den vergangenen zehn
Jahren von der Provinzregierung erhalten hat. Das letzte Darlehen über
10 Mio. Dollar wurde erst im Mai 2020 vergeben, als das Werk bereits
geschlossen war.
Noch empörender ist die Tatsache, dass Northern Pulp nun versucht, die
Regierung von Nova Scotia auf eine Zahlung von mehr als 100 Millionen
Dollar zu verklagen - als Entschädigung für eine vorzeitige
Schließung. Währenddessen weitet Paper Excellence, die
Muttergesellschaft von Northern Pulp, ihr Geschäft weiter aus und
erwirbt mit Domtar einen der weltweit größten Hersteller von Zellstoff
mit mehr als 20 Anlagen in Nordamerika. Kostenpunkt: rund 3 Milliarden
US-Dollar.
Ungefähr zur gleichen Zeit griffen auf der anderen Seite der Welt, in
Sumatra, Indonesien, über 200 Sicherheitskräfte des
Holzplantagen-Unternehmens PT Arara Abadi eine Gruppe indigener
Sakai-Frauen an, die auf ihrem Grundstück arbeiteten. Dies ist nicht
der erste Vorfall: 2008 zerstörten Sicherheitskräfte des Unternehmens
mit Unterstützung der Polizei das Dorf Suluk Bongkal, weil die sich
Dorfbewohner_innen der Erweiterung der Plantage auf ihrem
traditionellen Territorium widersetzten. 300 Hütten wurden in Schutt
und Asche gelegt, zwei Kinder starben. PT Arara Abadi liefert
Zellstoff an den Papierkonzern Asia Pulp and Paper (APP).
In den letzten Jahrzehnten war APP für Hunderte von sozialen
Konflikten und Menschenrechtsverletzungen in Indonesien
verantwortlich. Auf den zunehmenden Druck sowohl von
Umweltorganisationen als auch von Kunden versprach das Unternehmen
2013, in Zukunft auf Rodungen zu verzichten, verbliebene Waldgebiete
zu schützen und soziale Konflikte zu lösen.
Anfangs wurde APP dabei auch von Greenpeace und EPN beraten. Als mit
Hilfe von Satellitenbildern bewiesen werden konnte, dass das
Unternehmen innerhalb von 5 Jahren für die Zerstörung von fast 8.000
Hektar Wald- und Moorflächen verantwortlich war, kündigten Greenpeace
und EPN 2018 alle weitere Zusammenarbeit auf.
Was haben diese Geschichten gemeinsam? APP und die von ihr
kontrollierten Plantagenunternehmen, die für Gewalt und Aggression
gegen lokale Gemeinschaften in Indonesien verantwortlich sind, gehören
alle zur Sinar Mas Gruppe. Paper Excellence wurde 2007 als ein von
Sinar Mas getrenntes Unternehmen gegründet, obwohl sich beide
Unternehmen im Besitz der Familie des Sinar Mas-Gründers Eka Tjipta
Widjaja, einem der reichsten Männer Indonesiens, befinden.
Damit ist ein weltumspannender Verbund aus Papierfabriken entstanden,
der eine aggressive Expansionsstrategie verfolgt.
In Brasilien kontrolliert Paper Excellence zum Beispiel knapp 50
Prozent von Eldorado, einem Zellstoffproduzenten mit 230.000 Hektar
unternehmenseigenen Eukalyptusplantagen im Bundesstaat Mato Grosso do
Sul, der von der brasilianischen Justiz wegen der vom Staatsanwalt als
mit Sklavenarbeit vergleichbaren Arbeitsbedingungen verurteilt wurde.
Es scheint auch persönliche Verbindungen zwischen den Familien
Bolsonaro und Widjaja zu geben, was Verflechtungen und
Machtkonzentration zusätzlich begünstigt.
Obwohl eine komplexe Unternehmensstruktur die Verbindung zwischen
Paper Excellence und APP verschleiert, weist vieles darauf hin, dass
beide als bestens integriertes Produktions- und Marketing-Konglomerat
operieren.
Auf Initiative des Environmental Paper Network (EPN) und des
Rainforest Action Network wandten sich über 60 Sozial- und
Umweltorganisationen an Finanziers, Investoren und Kunden von Domtar
und forderten sie auf, den Übernahmedeal von Paper Excellence in Höhe
von 2,8 Milliarden US-Dollar abzulehnen. Dabei betonten sie besonders
soziale und ökologische Kriterien. Allein drei Banken, Barclays,
Credit Suisse und die Bank of Montreal, haben hierfür 1,95 Milliarden
US-Dollar bereitgestellt. Mit ihnen gab es einen intensiveren
Austausch bezüglich der großen Bedenken.
Paper Excellence und APP sind eng miteinander verstrickt, und die
schwerwiegenden sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer
Operationen tragen die gleiche Handschrift. Eine aktuelle Analyse des
us-amerikanischen Natural Resources Defense Council über Domtars
Umgang mit indigenen Völkern und die Beschaffung von Holz für
Zellstoff aus Primärwäldern liefert zusätzliche Beweise für die
unrühmlichen Geschäftstätigkeiten des Unternehmens vor Ort.
Es überrascht daher, dass Banken wie Barclays und Credit Suisse die
Übernahme finanzieren, obwohl beide spezielle Richtlinien haben,
wonach sie keine Forst- und Agrarunternehmen finanzieren oder beraten,
gegen die glaubwürdige Beweise für eine Beteiligung an schwerwiegenden
Menschenrechtsverletzungen vorliegen. Angesichts der vorliegenden
Informationen deutet alles darauf hin, dass in diesem Fall die eigenen
Richtlinien unterlaufen werden.
Als globales Netzwerk arbeitet EPN seit langem daran, dass Investoren
und Banken Mindeststandards für die Finanzierung von Zellstoff- und
Papierunternehmen einhalten. Wie solche Umwelt- und Sozialstandards
aussehen können, wurde in dem Arbeitspapier "Green Paper - Red Lines"
gezeigt.
Die Finanzierung der Übernahme von Domtar zeigt, dass die bisherigen
Richtlinien der Banken nicht ausreichen. EPN fordert Barclays, Credit
Suisse und BMO auf, ihre Praktiken ernsthaft zu überprüfen und dafür
zu sorgen, dass ihre bestehenden Richtlinien bei der Kreditvergabe
vollständig eingehalten werden. Sonst sind sie das Papier nicht wert,
auf dem sie gedruckt sind.
Aktuell wächst die weltweite Nachfrage nach Zellstoff und die Preise
liegen auf Rekordniveau. Die Zahl der Online-Käufe hat nicht nur wegen
der Pandemie weiter zugenommen und zu einem massiven Anstieg des
Papier-und Verpackungsverbrauchs geführt.
Das nehmen die globalen Papierfirmen zum Anlass, weiter in die
Produktion von Frischzellstoff zu investieren. Die globale NGO-Arbeit
zu diesem Thema bleibt also weiterhin wichtig.
Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten
Abbildungen der Originalpublikation:
Anmerkung der Redaktion Schattenblick:
im folgenden einige Links zu weiteren Informationen (englisch)
EPN = Environmental Paper Network
Ein Zusammenschluss von über 150 NGOs, der sich für soziale und
Umweltverantwortung im Bereich der Pulp- und Papierproduktion einsetzt
https://environmentalpaper.org
Northern Pulp has a new set of "friends" - But the "friends" look
familiar, and the "new" Northern Pulp sure looks a lot like the same
old Northern Pulp.
https://www.joanbaxter.ca/2022/04/16/northern-pulp-has-a-new-set-of-friends/
Indonesian parliament to probe pulpwood firm's dispute with Indigenous
group
https://news.mongabay.com/2020/07/parliament-dpr-arara-abadi-app-bongku-sakai-indigenous-riau-pulpwood-conflict/
New violence by an Asia Pulp and Paper controlled company against
indigenous women in Sumatra
https://environmentalpaper.org/2021/06/new-violence-by-an-asia-pulp-and-paper-controlled-company-against-indigenous-women-in-sumatra/
Warning to financiers of the acquisition of pulp company Eldorado
Brasil
https://us14.campaign-archive.com/?e=%5BUNIQID%5D&u=c29f5a15dfcb0f8b0923c7434&id=bf325364ae
Green Paper, Red Lines
https://environmentalpaper.org/wp-content/uploads/2017/11/Green-Paper-Red-Lines.pdf
*
Quelle:
ARA Magazin 27-2021/22, Seite 7-9
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
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veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 13. Juni 2022
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