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WASSER/049: Zentralasien - Schützender Dauerfrost, Gletscher schmelzen langsamer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 16. Dezember 2011

Zentralasien: Schützender Dauerfrost - Gletscher schmelzen langsamer

von Christopher Pala


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Der Tian Shan-Gletscher in Kasachstan dürfte den Klimawandel vorerst überstehen
Bild: © Christopher Pala/IPS

Der Tian Shan-Gletscher in Kasachstan dürfte den Klimawandel vorerst überstehen - Bild: © Christopher Pala/IPS


Almaty, Kasachstan, 16. Dezember (IPS) - Die Gletscher in Zentralasien werden nach Einschätzung von Wissenschaftlern infolge der Erderwärmung nicht so schnell abschmelzen wie Gletscher in anderen Bergregionen. Die Menschen, deren Wasserversorgung von diesen Eismassen abhängt, sind demnach noch Jahrzehnte vor den Folgen des Klimawandels sicher.

"Die Berge des Himalaja und der angrenzenden Regionen sind so hoch, dass die Temperaturen anders als in den Anden, den Alpen oder den Rocky Mountains selbst im Sommer unterhalb des Gefrierpunktes bleiben. Einige Gletscher schmelzen überhaupt nicht", sagte Richard Armstrong vom Nationalen Zentrum für Schnee und Eis an der Universität von Colorado in den USA. "Selbst wenn es dort etwas wärmer wird, liegen die Temperaturen immer noch unter null."

Gletscher sind Flüsse aus Eis, die durch Schneefälle gespeist werden. In unteren Lagen beginnen sie bei höheren Temperaturen im Sommer zu schmelzen und liefern der Bevölkerung Wasser in einer Jahreszeit, in der es normalerweise wenig regnet.

Nachdem 1850 die etwa 200 Jahre andauernde 'Kleine Eiszeit' zu Ende gegangen war, verlagerten sich die Endpunkte der meisten Gletscher allmählich weiter nach oben. Dieser Rückzug wurde durch die Verbrennung fossiler Energien und den CO2-Ausstoß der Autos weiter beschleunigt. Der Treibhauseffekt ließ die globalen Temperaturen im Laufe der vergangenen 30 Jahre um durchschnittlich ein halbes Grad Celsius steigen.


Schneefälle entscheidend

Wie viel Wasser die Gletscher jedes Jahr produzieren, hängt von den Schneefällen in den oberen Regionen ab. Bislang gebe es keine Beweise dafür, dass in den höheren Lagen weniger Schnee falle als früher oder dass weniger Schmelzwasser anfalle, meinen Armstrong und seine Kollegen.

In der ersten umfassenden Untersuchung eines Teils von Hochasien fanden Forscher heraus, dass 96 Prozent des Wassers, das von den Bergen Nepals in neun Flussbecken strömt, auf Regen und Schnee zurückgeht. Lediglich vier Prozent sind auf im Sommer gebildetes Schmelzwasser zurückzuführen.

Armstrong, der Hauptautor der Studie, geht weiter davon aus, dass von diesen vier Prozent nur ein winziger Teil durch das Abschmelzen der Gletscherkappen infolge der Erderwärmung erzeugt wird. Er kritisierte die Fehlinformationen über Gletscher, die in der Öffentlichkeit im Umlauf sind. So wird berichtet, dass sich die Gletscher im Himalaja schneller zurückziehen als in anderen Teilen der Welt. Sollte sich diese rasche Schmelze fortsetzen, würden die Flüsse zunächst Überschwemmungen verursachen und dann später austrocknen, heißt es. Laut Armstrong sind diese Thesen aber nicht zutreffend.

"International besteht großes Interesse an exakten Daten über Wasserressourcen in Hochasien und über die Folgen für die Wassersicherheit. Streitigkeiten zwischen den Ländern über Wasser können schnell eskalieren", erklärte Mark Williams, der am Institut für arktische und alpine Forschungen der Universität Colorado arbeitet.

In anderen Teilen der Welt schmelzen Gletscher, die tiefer liegen, im Sommer an allen Stellen ab. Wenn die Temperaturen steigen, beschleunigt sich der Prozess. Sollte es also immer wärmer werden und in den Wintern weniger Schnee fallen, könnten diese Gletscher vollständig verschwinden, sagte Armstrong. Auch Bauern, Haushalte und Konsumenten von Strom aus Wasserkraftwerken seien von dem Mangel an der kostbaren Ressource betroffen.

"In Hochasien sieht es dagegen anders aus", erklärte Armstrong, der sich auf den Himalaja sowie die Bergregionen Pamir, Karakoram, Hindukusch und Tian Shan bezog, die Teile Chinas, Bhutans, Nepals, Indiens, Pakistans, Kirgisiens, Tadschikistans, Kasachstans, Usbekistans und Afghanistans durchziehen.


Längste Gletscher außerhalb der Polarkreise

"Die Oberfläche der Gletscher liegt zur Hälfte oberhalb von 5.500 Metern", sagte der Wissenschaftler. An diesem Punkt würden sie nie schmelzen. Unter diesen Gletschern seien die längsten außerhalb der Polarregionen, wie der 77 Kilometer lange Fedschenko. Der längste Gletscher der Welt, Lambert in der Antarktis, erstreckt sich über eine Länge von mehr als 400 Kilometern.

Die Gletscherschmelze in der Antarktis und in Grönland wird für etwa zwei Drittel des jüngsten Anstiegs der Meeresspiegel verantwortlich gemacht. Der Rest wird darauf zurückgeführt, dass sich Wasser bei Erwärmung ausdehnt. Das von den unteren Gletschern in Hochasien abfließende Wasser hat nach Ansicht der Forscher hingegen kaum Einfluss auf die Meerespegel, da nur ein geringer Teil davon in die Ozeane gelangt.

Armstrong war kürzlich mit Kollegen nach Almaty in Kasachstan gereist, wo ein auf vier Jahre angelegtes Forschungsprojekt angelaufen ist, das von der US-Entwicklungsbehörde USAID mit 5,4 Millionen US-Dollar finanziert wird.

Mit Hilfe von Satelliten- und Wetterdaten aus zehn Jahren sowie Messungen in der Region soll exakter als bisher festgestellt werden, welcher Anteil des Wassers, das große Ströme wie Amu, Syr Darya, Ganges, Brahmaputra und Indus speist, auf Schnee, Regen oder die Gletscherschmelze zurückgeht. In Europa und in den USA sind solche Daten bereits allgemein zugänglich.

Der weitere Rückzug der Gletscher ist anhand von Daten aus zehn Jahren allerdings noch nicht verlässlich abzuschätzen. Wenn jedoch bekannt sei, wie viel Wasser durch die sommerliche Gletscherschmelze erzeugt werde, können manche Auswirkungen des Klimawandels besser vorhergesehen werden. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://nsidc.org/
http://instaar.colorado.edu/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106227

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Dezember 2011