Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

WASSER/095: Frauen 40 Milliarden Stunden auf Wassersuche - Doch Mitsprache in Wasserfragen gering (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. September 2012

Frauen: 40 Milliarden Stunden auf Wassersuche - Doch Mitsprache in Wasserfragen gering

von Thalif Deen


Wasserholen kostet Kraft und Zeit - Bild: © Charles Mpaka/IPS

Wasserholen kostet Kraft und Zeit
Bild: © Charles Mpaka/IPS>

Stockholm, 3. September (IPS) - Zum Abschluss der Internationalen Wasserwoche in Stockholm hat die stellvertretende Exekutivdirektorin der Weltfrauenorganisation 'UN Women', Lakshmi Puri, auf die besondere Rolle von Frauen bei der Wasser- und Ernährungssicherung hingewiesen. Solange sich Frauen und Mädchen Tag für Tag mit der mühevollen Wasserbeschaffung abplagen müssten, könne von einer nachhaltigen und inklusiven Entwicklung keine Rede sein.

Wie aus dem diesjährigen UN-Bericht über den Stand der Millenniumsziele (MDGs) hervorgeht, ist die Beschaffung von Wasser für die privaten Haushalte in Subsahara-Afrika in 71 Prozent der Fälle Frauensache. In ganz Afrika investieren die Frauen in diese Aufgabe insgesamt 200 Millionen Stunden am Tag. Weltweit sind sie jährlich 40 Milliarden Stunden im Einsatz, um die von ihren Familien benötigte Ressource heranzuschleppen.

Wie Puri in ihrem Beitrag zum Ende der einwöchigen Weltwasserkonferenz am 31. August erklärte, sind Frauen im Grunde für alles zuständig, was mit Wasser zu tun hat. Als Kleinbäuerinnen produzierten sie die Nahrungsmittel und spielten somit eine Schlüsselrolle bei der Nahrungsmittelversorgung. Dennoch sei ihre Mitwirkung an wasser- und ernährungsrelevanten Entscheidungen gering.

"Das führt nicht nur zu falschen Entscheidungen, sondern gefährdet die Menschenrechte der Frauen", sagte die UN Women-Vizechefin auf einer Seitenveranstaltung der Konferenz, zu der sich dieses Jahr 2.000 Wasserexperten eingefunden hatten.


Von Investitionen in die Frauen profitieren die Länder

Rita Colwell, die Trägerin des Stockholmer Wasserpreises von 2010, erzählte von bangladeschischen Frauen, die ihre Saris zum Filtern von kontaminiertem Wasser verwendet und somit zur Halbierung der Cholera-Fälle beigetragen hätten. Colwell zufolge ist die Stärkung der Rolle der Frau immer eine lohnenswerte Investition, die auf den gesamten Haushalt oder gar das Land abstrahlt.

Obwohl Frauen die Schlüsselrolle bei der Nahrungsmittelproduktion spielen, sind sie selten Eigentümerinnen der Parzellen, die sie bewirtschaften. Ebenso wenig haben sie Zugang zu Düngemitteln, landwirtschaftlichen Maschinen und zu den Agrarmärkten. In den Wasserbehörden ihrer Länder sind sie nur selten und in den Ministerien ihrer Länder noch seltener anzutreffen.

Wie Akinyi Nzioki vom kenianischen Zentrum für Land-, Wirtschafts- und Frauenrechte (CLEAR) in Stockholm berichtete, sind in dem ostafrikanischen Land gerade einmal fünf Prozent der Frauen rechtmäßig als Landbesitzerinnen eingetragen.

Die ungerechten Landbesitzverhältnisse unterminierten auch weiterhin die Bemühungen der Frauen, sich Land anzueignen, fügte Violet Shivutse von GROOTS, einem Zusammenschluss kenianischer Frauengraswurzelorganisationen, hinzu. Bei der Erbfolge würden vor allem die Söhne, nicht die Töchter, berücksichtigt. So komme es immer wieder vor, dass selbst HIV-infizierte Frauen nach dem Tod ihrer Männer von ihrem Land vertrieben würden.

Bethlehem Mengistu vom Ostafrika-Büro der Hilfsorganisation 'WaterAid', erklärte gegenüber IPS, dass es in den meisten afrikanischen Ländern Gesetze gebe, die die Rechte von Frauen schützten. Allerdings fehle es an einer konsequenten Umsetzung.

Nach Ansicht von Puri, die im Juni am Rio+20-Gipfel in Brasilien teilgenommen hatte, haben die politischen Entscheidungsträger mit ihrem Rio+20-Abschlussdokument zwar zahlreiche Prozesse inklusive die Entwicklung von Nachhaltigkeitszielen (SDGs) in Gang gesetzt, die an die 2015 auslaufenden MDGs anknüpfen werden. "Doch müssen diese SDGs um das weitere Ziel der Stärkung der Rolle der Frau erweitert werden. Dadurch würden sich die Chancen für eine Umsetzung der Ziele und für mehr Geschlechtergleichheit erhöhen."

Die Auswirkungen der jüngsten Wirtschafts- und Finanzkrise, der Anstieg der Energie- und Nahrungsmittelpreise und der Klimawandel hätten den Wasser- und Nahrungsmittelmangel verschärft. Um aber eine wasser- und ernährungssichere Welt zu schaffen, müssten Frauen und Mädchen in sämtliche wasser- und ernährungsrelevante Entscheidungen eingebunden werden, sagte sie.


Weniger Zeit fürs Wasserholen, mehr Zeit für Bildung

Das weltweite MDG, die Rechte von Frauen zu stärken, habe zu einigen, wenngleich geringen Ergebnissen geführt, so die UN Women-Vizechefin. In Marokko habe sich immerhin ein Weltbank-Projekt für ländliche Wasser- und Sanitärversorgung ausgezahlt, dessen Ziel es gewesen sei, Frauen und Mädchen von der Last des Wasserholens zu befreien. Dass in den sechs Provinzen, in denen das Projekt durchgeführt wird, innerhalb von vier Jahren 20 Prozent mehr Mädchen zur Schule gehen, wird auch mit dem Programm in Verbindung gebracht. Die Zeitersparnis für Frauen und Mädchen beträgt 50 bis 90 Prozent.

Ebenso bewiesen sei, dass infrastrukturelle Verbesserungen im Bereich der Wasser- und Stromversorgung Frauen und Mädchen mehr Zeit für alternative Aktivitäten lässt. In Pakistan blieb den Frauen mehr Zeit für die Arbeit auf dem Markt. In Tansania besuchen 15 Prozent mehr Mädchen die Schule, die in der Nähe eines Wasseranschlusses leben.

Puri zufolge gibt es Hinweise darauf, dass Investitionen in von Frauen geführte Nahrungs- und Agrarbetriebe die landwirtschaftlichen Erträge steigern und die Zahl der Hungernden um bis zu 150 Millionen verringern können. (Ende/IPS/kb/2012)


Links:

http://www.un.org/en/development/desa/publications/mdg-report- 2012.html
http://www.ipsnews.net/2012/08/women-spend-40-billion-hours-collecting- water/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. September 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2012