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WASSER/130: Niger - Toiletten sind Luxus, 90 Prozent der Bevölkerung ohne Sanitärversorgung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. April 2013

Niger: Toiletten sind Luxus - 90 Prozent der Bevölkerung ohne Sanitärversorgung

Von Ousseini Issa


Bild: © Travis Lupick/IPS

Im Armenviertel Clara Town in der liberianischen Hauptstadt Monrovia wird die Regenzeit zu einer sanitären Herausforderung
Bild: © Travis Lupick/IPS

Niamey, 11. April (IPS) - Im Niger, wo nur wenige Menschen Zugang zu einer sanitären Grundversorgung haben, konnten 20 Dörfer in der westlichen Region Tillabéri zu fäkalienfreien Zonen erklärt worden. Hier verfügen die Menschen über Toiletten und müssen ihr Geschäft nicht länger im Freien verrichten.

Die Ortschaften waren Teil eines Sanitärprojekts, das das Niger-Büro der Hilfsorganisation 'Plan International' im September 2010 in 32 Dörfern der Region auf den Weg gebracht hatte.

Wie Souley Hachimou, ein Sanitärexperte in der nigrischen Hauptstadt Niamey, gegenüber IPS berichtet, ist die Landbevölkerung nicht wirklich an Latrinen oder Toiletten interessiert. Gerade Menschen, die in Buschnähe lebten, würden die Vorteile nicht wirklich erkennen.

Das Weltkinderhilfswerk UNICEF geht davon aus, dass mehr als 90 Prozent der Bevölkerung draußen defäkieren. Der hohe Prozentsatz erklärt sich sicher auch mit dem rapiden Bevölkerungswachstum seit 1990.

Die Entwicklungsorganisation 'WaterAid' hat in einer im Februar veröffentlichten Studie die sanitäre Lage in den fünf afrikanischen Ländern Niger, Sierra Leone, Ghana, Uganda und Ruanda untersucht. Sie fand heraus, dass die nigrische Bevölkerung zwischen 1990 und 2013 um 7,7 Millionen Menschen gewachsen ist, im gleichen Zeitraum jedoch nur eine Million Nigrer Zugang zu einer sanitären Grundversorgung hatte.


Landbevölkerung von Toiletten nicht überzeugt

Dazu meint Salmou Yacouba aus Saga-Gorou, einem Dorf in der Nähe von Niamey: "Der Bau von Latrinen, selbst von traditionellen, erfordert Geld und Zeit, und die Landbevölkerung ist der Meinung, dass sie nur in den Städten Sinn machen."

Boulkassoum Hamadou, der in Tillabéri zu Hause ist, meint, dass die Arbeiten zur Instandhaltung der Sickergruben viele Dorfbewohner abschrecken. Die Gruben müssten regelmäßig geleert werden, um zu verhindern, dass das ganze Dorf stinke.

Doch Marietou Boubacar, eine Kleinbäuerin aus Saga-Gorou, berichtet, dass schon der Gedanke an Krankheiten wie Cholera, die durch einen Mangel an Hygiene entstehen, sie von der Notwendigkeit von Toiletten überzeuge.

WaterAid schätzt, dass 14,1 Millionen der 15,5 Millionen Nigrer ohne Zugang zu Toiletten sind. Nur sechs Prozent nutzten demnach Latrinen, 79 Prozent defäkierten unter freiem Himmel. In allen fünf Ländern, die die Hilfsorganisation in ihrem Bericht untersucht, lässt der Zugang zur sanitären Grundversorgung, einem Unterpunkt der Millenniumsentwicklungsziele zur Armutsbekämpfung, zu wünschen übrig. In Niger hätten landesweit nur neun Prozent der Bevölkerung Zugang zu Latrinen oder Toiletten. In den Dörfern des westafrikanischen Landes seien es sogar nur vier Prozent.

Niger hat auch nicht das in der 'eThekwini-Erklärung' von allen Regierungen der Afrikanischen Union formulierte und 2008 unterzeichnete Ziel erreicht, mindestens 0,5 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) in die sanitäre Grundversorgung zu investieren.


Mangel an Toiletten hat einen Preis

Dem WaterAid-Bericht zufolge wurden für die Wasser- und die Sanitärversorgung zusammengenommen zwischen 2007 und 2010 gerade einmal 0,89 Prozent des BIP oder 39,4 Millionen Dollar ausgegeben. "Die Cholera-Epidemie im letzten Jahr hatte landesweit zu tausenden Infektionen und 300 Todesfällen geführt", so Soumaïla Hima, Gesundheitsexperte in Niamey.

WaterAid beruft sich in seinem Bericht auf Berechnungen der Weltbank, wonach der fehlende Zugang zu Sanitäranlagen dem Niger jedes Jahr Folgekosten in Höhe von 2,4 Prozent des BIP oder 143,6 Millionen Dollar zur Behandlung der Krankheiten verursacht. Das entspricht dem Zweieinhalbfachen dessen, was das Land jährlich für den Zugang zu Wasser- und Sanitärversorgung ausgibt.

Hinzu kommt, dass die Suche nach einem stillen Örtchen extrem zeitaufwändig ist. Sie nimmt nach Schätzungen von Hamani Oumarou, dem Leiter des WaterAid-Büros in Niamey, jährlich 2,2 Milliarden Stunden in Anspruch. (Ende/IPS/kb/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/04/access-to-sanitation-still-a-luxury-for-the-very-few/

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IPS-Tagesdienst vom 11. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2013