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WASSER/185: Libanon - Trinkwasser wird knapp (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. Juli 2014

Libanon: Trinkwasser wird knapp - Klimawandel und Flüchtlingszustrom aus Syrien gefährden Versorgung der Bevölkerung

von Oriol Andrés Gallart


Bild: © Oriol Andrés Gallart/IPS

Tankwagen mit Trinkwasser in Beirut
Bild: © Oriol Andrés Gallart/IPS

Beirut, 29. Juli (IPS) - Direkt vor der Osman-Bin-Affan-Moschee stehen in einer engen Straße im Zentrum von Beirut mehrere Tankwagen, die mit Trinkwasser befüllt werden. Die Moschee hat einen eigenen Brunnen, der sich aus unterirdischen Aquiferen speist. Mit dem Wasser werden Hunderte Privathaushalte und Geschäfte beliefert.

Normalerweise kommen die Tankwagen erst im September zum Einsatz. Doch aufgrund der anhaltenden Dürre mussten sie bereits vor Sommeranfang losgeschickt werden. Auch die zahlreichen Flüchtlinge aus dem benachbarten Syrien haben den Trinkwasserbedarf erheblich steigen lassen. Mehr als eine Million Syrer sind vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat in den Libanon geflohen. Die Versorgung so vieler zusätzlicher Menschen stellt auch die Ernährungs- und Gesundheitssysteme des Landes auf eine harte Belastungsprobe.


Spärlichste Niederschläge seit 60 Jahren

Im vergangenen Winter hat es in dem Land kaum geregnet. Fielen in früheren Jahrzehnten jährlich durchschnittlich mehr als 800 Millimeter Niederschlag, waren es zuletzt nur noch 400 Millimeter. Das war die geringste Menge seit 60 Jahren.

Dabei ist der Libanon im Grunde nicht von Wasserknappheit bedroht. Jährlich gehen in dem Land um die 8,6 Milliarden Kubikmeter Regen nieder. Die übliche Nachfrage liegt bei 1,47 Milliarden bis 1,53 Milliarden Kubikmetern, wie aus einem im April veröffentlichten Bericht des Issam-Fares-Instituts (IFI) der Amerikanischen Universität in Beirut über die Auswirkungen von Bevölkerungswachstum und Klimawandel auf die Wasservorräte, Landwirtschaft und Ernährungssicherheit hervorgeht.

Laut Nadim Farajalla, wissenschaftlicher Leiter des IFI-Programms für Klimawandel und Umwelt in der arabischen Welt, ist der Libanon jedoch nicht in der Lage, Wasser effizient zu speichern. Die Verschmutzung und übermäßige Verwendung in der Landwirtschaft und in Privathaushalten habe den Druck auf die Ressource weiter verschärft.

Der Libanon sei immer "ein sehr nasses Land" gewesen, erklärt Bruno Minjauw, Interimsvertreter der Weltagrarorganisation FAO im Libanon. Deshalb habe man sich lange nicht um mögliche Probleme im Zusammenhang mit Wasser gekümmert. Die geringen Niederschlagsmengen führt Minjauw eindeutig auf den Klimawandel zurück. "Seit Jahren treten Dürren oder regenarme Jahreszeiten immer häufiger auf. Deshalb ist es an der Zeit, mit Wasser nachhaltiger umzugehen." Die gute Nachricht sei aber, dass das Land sein volles Potenzial für eine nachhaltige Wassernutzung noch nicht ausgeschöpft habe.


Großteil des Wassers geht an Agrarsektor

Die Knappheit der Ressource trifft indes den Agrarsektor mit besonderer Härte. Etwa 60 Prozent des im Libanon konsumierten Wassers werden für die Landwirtschaft benötigt, obwohl diese 2011 nur 5,9 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beitrug. "Mehrere Gemeinden haben den Bauern beim Anbau bereits Obergrenzen gesetzt", berichtet Gabriel Bayram von der libanesischen Entwicklungsberatungsfirma KDS.

Minjauw sieht die Nahrungssicherung ernstlich gefährdet, da die Lebensmittelproduktion trotz des Flüchtlingszustroms abgenommen habe. Gleichwohl wies er darauf hin, dass Regierung und Bauern inzwischen bemüht seien, mit Hilfe der Tröpfchenbewässerung und anderer wassersparender Systeme größere Anbauflächen zu bewirtschaften.

Im Rahmen eines Vier-Jahres-Plans zur Verbesserung der Nahrungssicherheit und zur Existenzsicherung in ländlichen Regionen arbeitet die FAO im Libanon außerdem an der Förderung neuer Agrartechnologien.

Sheikh Osama Chehab, Verwalter der Osman-Bin-Affan-Moschee, berichtet, dass noch vor 20 Jahren Wasser drei Meter unterhalb der Moschee vorkam. Inzwischen finde man auch in 120 Meter Tiefe keinen Tropfen mehr.


Rund 20.000 'wilde' Brunnen

Brunnen zu graben war lange Zeit die wichtigste Alternative, um die auftretenden Wasserdefizite zu kompensieren. Offiziellen Daten zufolge gibt es im ganzen Land etwa 42.000 Brunnen, von denen die Hälfte ohne Genehmigung angelegt wurde.

Farajalla zufolge hat diese Übernutzung zum Absinken des Grundwasserspiegels geführt. Entlang der Küsten seien die meisten Aquifere zudem mit Salzwasser kontaminiert. "Bleibt die Niederschlagsmenge unter Normalniveau, wird sich die Wasserversorgung weiter verschlechtern." Farajalla weist zudem darauf hin, dass die meisten Brunnen Qualitätstests nicht standhalten würden und die Gefahr einer Verbreitung von Krankheitskeimen zunehme.

Aufgrund der Dürre verschärfen sich darüber hinaus die Spannungen zwischen Libanesen und syrischen Flüchtlingen. In der Landgemeinde Baruk, deren Quellen und Flüsse große Teile des Libanons mit Wasser versorgen, sind derzeit nur etwa 30 Prozent der üblichen Menge verfügbar. Dort hat die Präsenz von rund 2.000 Flüchtlingen den Verbrauch erhöht.


Zivilgesellschaft soll handeln

Nach Ansicht von Farjalla liegen die Wasserprobleme des Landes vor allem darin, dass sie von der Politik zu lange ignoriert wurden. Die Zivilgesellschaft müsse daher Druck auf die Regierung ausüben, um für eine transparentere und überprüfbarere Wasserverwaltung zu sorgen.

Die Regierung in Beirut, die sich in einer politischen Dauerkrise befindet, hat bisher nur wenige und noch dazu ineffiziente Maßnahmen gegen die Dürre ergriffen. Kürzlich wurde beispielsweise beschlossen, Wasser zu horrenden Kosten aus der Türkei einzuführen. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/07/drought-and-misuse-behind-lebanons-water-scarcity/

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IPS-Tagesdienst vom 29. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2014