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WASSER/191: Brasilien - Land wird Zentrum zur Kontrolle der Wasserqualität Lateinamerikas (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. Oktober 2014

Brasilien: Land wird Zentrum zur Kontrolle der Wasserqualität Lateinamerikas

von Fabiola Ortiz


Bild: © Agência de Brasil/EBC

Ein Techniker vom Umweltinstitut des Bundessstaates Rio de Janeiro kontrolliert die Wasserqualität in der Rodrigo-de-Freitas-Bucht der Stadt
Bild: © Agência de Brasil/EBC

Rio de Janeiro, 1. Oktober (IPS) - Für Lateinamerika und die Karibik sind der Zugang zu sauberem Trinkwasser und die Entsorgung der Abwässer und Abfälle wichtige Faktoren für eine nachhaltige Entwicklung und Armutsbekämpfung. Das UN-Umweltprogramm UNEP hat Brasiliens nationale Wasserbehörde ANA damit beauftragt, Maßnahmen zur Verbesserung der regionalen Wasser- und Wasserentsorgungsqualität zu koordinieren.

Die lateinamerikanischen Wasserprobleme lassen sich gut am Beispiel der größten Stadt Lateinamerikas und der viertgrößten Stadt der Welt, São Paulo, aufzeigen. Die brasilianische Megametropole erlebt derzeit ihre schlimmste Wasserkrise, ausgelöst durch eine anhaltende Dürre, die Experten mit dem Klimawandel in Verbindung bringen.

Wie der Absichtserklärung zwischen UNEP und ANA zu entnehmen ist, wird die brasilianische Behörde als regionale Kontrollstelle der lateinamerikanischen und karibischen Wasserqualität dienen. Vorgesehen ist ferner, dass sich die Einrichtung um die regionale Zusammenarbeit bei der Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten bemüht.

"Brasilien fällt zudem die Aufgabe zu, entsprechende, mit anderen Ländern durchgeführte Trainingsprogramme zu koordinieren", erläutert der ANA-Wasserexperte Marcelo Pires. "Monitoring, Methoden der Wasserentnahme und Datenanalysen sind wichtige Faktoren, die den politischen Entscheidungsträgern dabei helfen, Wasser nachhaltig zu verwalten."

ANA soll ferner eine führende Rolle beim Aufbau nationaler Kontrollstellen spielen. "Wir haben noch keinen genauen Überblick über die Situation. Wohl aber wissen wir, dass es in Argentinien, Chile und Kolumbien fortgeschrittene Kontrollzentren gibt", meint Pires.


Forschungsergebnisse teilen

Vorgesehen ist ebenfalls, dass ANA als Bindeglied zum UNEP fungiert, um Informationen über die Wasserqualität, über die das UNEP-Wasserprogramm des internationalen Umweltkontrollsystems 'GEMS/Water' verfügt, zu verbreiten. Im Rahmen des Programms ist ein internationales Netzwerk aus mehr als 4.000 Forschungsstationen entstanden, die in 100 Ländern wasserrelevante Daten sammeln. Seit 2010 setzt die brasilianische Behörde, inspiriert durch GEMS/Water ein nationales Wasserqualitätsprogramm in allen 26 brasilianischen Bundesstaten und dem Bundesdistrikt durch. Denn der Zugang zu sauberem Wasser und die Bereitstellung einer funktionierenden Abwasser- und Abfallentsorgung sind laut Pires Voraussetzungen für die Entwicklung des Landes.

Die nordbrasilianische Stadt Santarém am Ufer des Flusses Tapajós, einem Zufluss des Amazonas, entsorgt einen Großteil ihrer Abwässer in Hafennähe. In Ermangelung einer grundlegenden Abwasser- und Abfallentsorgung ist der Fluss extrem verseucht. Die Folge sind gesundheitliche und ökologische Probleme.

Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Die Stadt Santarém am Fluss Tapajós
Bild: © Fabíola Ortiz/IPS

Wie UNEP-Exekutivdirektor Achim Steiner betont hat, sind eine effiziente Wasserverwaltung und eine Zusammenarbeit zwischen den Ländern des Südens für eine nachhaltige Wasserverwendung entscheidend. "Voraussetzung für die wirtschaftliche Entwicklung ist die Bereitstellung einer grundlegenden Wasserver- und Abwasserentsorgung. Die Folgen des Klimawandels haben die Herausforderung noch komplexer werden lassen. All dies unterstreicht die Notwendigkeit, sich den globalen Realitäten anzupassen", so Steiner bei der Ankündigung des Abkommens mit ANA im Juli in Brasilien. Die Absichtserklärung zwischen den beiden Institutionen wurde allerdings erst im September bekannt gegeben.

Eine von ANA durchgeführte Studie kommt zu dem Schluss, dass mehr als 3.000 brasilianische Klein- und Großstädte ab kommendem Jahr damit rechnen müssen, in Wassernot zu geraten. Betroffen wären in einem solchen Fall 55 Prozent der Gemeindebezirke des Landes.

Wasserknappheit sowie die ungleiche Wasserverteilung sind bekannte Übel in Lateinamerika. Hinzu kommt, dass sowohl die Qualität als auch die Abwasser- und Abfallentsorgung in der Region zu wünschen übrig lassen. "Unser Ausblick unterscheidet sich nicht sehr von dem unserer Nachbarn", bestätigt Pires. Nur 46 Prozent der brasilianischen Haushalte seien überhaupt an die Kanalisation angeschlossen. Und nur ein Drittel der Abwässer, die kanalisiert werden, würden geklärt.

"Brasilien leidet unter einem Sanitärdefizit. Der Alltag vieler Menschen sieht so aus, dass sie neben verseuchten Flüssen leben. Das hat Auswirkungen auf die öffentliche Gesundheit", warnt Pires. Die klimabedingten Auswirkungen, die sich in häufigen und ausgeprägten, lang anhaltenden Dürren manifestieren, die wiederum zu einem Absinken des Wasserpegels in den Reservoirs führen, erfordern seiner Meinung nach eine weitreichendere Zusammenarbeit beim regionalen Wassermanagement.

In Lateinamerika haben 94 Prozent der Bevölkerung Zugang zu sauberem Wasser. Im Vergleich mit anderen Entwicklungsregionen ist dies ein Spitzenwert, wie ein im Mai von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) veröffentlichter Bericht vermerkt. Doch einem Fünftel aller Lateinamerikaner fehlt es an einer grundlegenden Abwasserversorgung. Zudem besteht ein starkes Stadt-Land-Gefälle, was den Zugang zu Wasser und Abwasserentsorgung angeht.


Wasser rationiert

Der Weltbank zufolge erzeugt der Klimawandel mit Blick auf das Wassermanagement Unsicherheiten und Risiken, wie sie sich bereits im Großraum São Paulo zeigen, wo ein Drittel der 21 Millionen Einwohner unter Wasserengpässen leidet. Dort sind Initiativen angelaufen, um den Verbrauch der kostbaren Ressource um 20 Prozent zu drosseln. In verschiedenen Vierteln von São Paulo wird seit Februar das Wasser rationiert.

Laut Alceu Bittencourt, Vorsitzender der Brasilianischen Vereinigung für Sanitär- und Umweltingenieurswesen in São Paulo, erlebt die Stadt derzeit die schlimmste Wasserkrise ihrer Gschichte. Die meisten Klein- und Großstädte Lateinamerikas hätten auf die Klimaveränderungen, die das Problem verschärft hätten, nicht reagiert. "Es wird zwei bis drei Jahre dauern, bis wieder normale Verhältnisse einkehren werden", schätzt er. Die schlimmste Dürre seit 50 Jahren im Süden Brasiliens lasse keinen Zweifel daran, dass sich die Niederschlagsmuster veränderten.

Seit dem 12. Juli stammt das Wasser in den Haushalten von mindestens neun Millionen Haushalten São Paulos aus dem in den 1970er Jahren angelegten 'Totvolumen' des Cantareira-Dammsystems, das sich aus dem Wasser von drei Flüssen speist. Das Totvolumen ist eine Reserve unterhalb der Schleusen, die ausschließlich für Notzeiten vorgesehen ist.

Nach offiziellen Projektionen wird die Reserve im Oktober erschöpft sein, sollte die Dürre bis dahin fortdauern. In dem Fall wird sich die Krise Bittencourt zufolge für alle Sektoren weiter verschärfen. (Ende/IPS/kb/2014)


Links:

http://www.ipsnoticias.net/2014/08/brasil-vigilara-mejora-en-calidad-del-agua-latinoamericana/
http://www.ipsnews.net/2014/08/brazil-to-monitor-improvement-of-water-quality-in-latin-america/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 1. Oktober 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Oktober 2014