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WASSER/255: Wasserknappheit ist menschengemacht (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2019

Wasserknappheit ist menschengemacht
Über die Rolle von Politik, Wirtschaft und KonsumentInnen

von Marijana Todorovic


In der politischen Kommunikation an die Öffentlichkeit klingt es - wie auch wieder am diesjährigen Weltwassertag Ende März - oft so, als ob der Klimawandel und ungünstige geografische Lagen der Hauptgrund dafür seien, dass sich die Welt zunehmend im "Wasserstress" befindet und der Zugang zu sauberem und bezahlbarem Wasser nach wie vor für knapp 1 Drittel der Menschheit nicht die Realität ist. Viel zu selten wird kommuniziert, dass Wasserknappheit menschengemacht ist. Wenn wir das Menschenrecht auf Wasser für alle Menschen weltweit verwirklichen möchten, müssen wir aber neben dem Auf- und Ausbau von Infrastrukturen auf kommunaler Ebene auch unser weltweites Wirtschaftssystem in faire, nachhaltige Bahnen lenken, anstatt, wie es die Politik und Wirtschaft heutzutage gerne tun, die Verantwortung bei den KonsumentInnen abzuladen. Also: Verteilungsgerechtigkeit statt Wasserraub, fairer Handel statt Freihandel, Agrarökologie statt Agrarindustrie.


Die Gründe für die zunehmende Wasserknappheit weltweit sind vielfältig. Sie reichen von falscher Prioritätensetzung in der Planung und fehlender Wasserinfrastruktur über wirtschaftliche Abhängigkeiten bis hin zu schlechter Regierungsführung.

Im Zuge der deutschen Entwicklungszusammenarbeit wird allerdings häufig vernachlässigt, dass neben fehlender oder schlecht verwalteter Wasserinfrastruktur ein weiterer schwerwiegender Grund für Wasserknappheit in der Verschmutzung, Übernutzung und Vereinnahmung unserer Wasserressourcen durch multinationale Großkonzerne oder private InvestorInnen liegt. Im öffentlichen Diskurs wird viel lieber der individuelle Konsum und der Wasserfußabdruck der BürgerInnen in den Mittelpunkt gerückt, anstatt die Wirtschaft endlich in die Schranken zu weisen, die mit Blick auf den Schutz von Wasserressourcen für das menschliche Wohl und natürlichen Belastungsgrenzen der Umwelt angemessen wären.

Eine Strategie der Ablenkung

Natürlich ist es auch wichtig, unseren privaten Wasserfußabdruck hier in Deutschland im Blick zu haben und Bewusstsein dafür zu schaffen, dass unser "westlicher" Lebensstil zu wasserintensiv ist. Aber die Konsumgewohnheiten der Bevölkerung hierzulande zu adressieren, ist nicht nur vom Einsparungspotenzial her die mengenmäßig am wenigsten durchschlagende Lösungsstrategie, um lebensnotwendige Wasserressourcen zu schützen. Es ist auch eine, die ganz am Ende der Handlungskette ansetzt, statt das Problem an der Wurzel zu fassen. Darüber hinaus ist sie auch die am wenigsten erfolgversprechende, solange uns die Wirtschaft gleichzeitig mit unfair produzierten, billigen, ressourcenintensiven Produkten überschüttet und wir uns mit einem Wirrwarr unzureichender und widersprüchlicher Informationen hinsichtlich der Herstellung der Produkte herumschlagen müssen.

Doch das Fatale an der Sache ist, dass die Politik auf diese Weise die Verantwortung für das Recht auf Wasser für Menschen anderswo auf den Rücken von uns Individuen ablädt. Dabei ist und bleibt es die Aufgabe der Politik, einen gesellschaftlichen Rahmen zu schaffen, in dem die BürgerInnen informiert und guten Gewissens eine Kaufentscheidung treffen können, die weder menschliches Leid noch Umweltzerstörung verursacht.

In der Realität spiegeln sich externe Kosten zulasten von Umwelt und Menschen nach wie vor nicht in den Preisen der Produkte wieder. Gleichzeitig wollen global handelnde Unternehmen uns weismachen, dass sie ihre Lieferketten nicht kontrollieren können. Die Politik kuscht, gibt stattdessen den KonsumentInnen die Verantwortung und lenkt so relativ erfolgreich von ihrer Untätigkeit ab. Sie füttert sogar die Diskussionen um den privaten Ressourcenfußabdruck, die den öffentlichen Diskurs mittlerweile dominieren.(1)

Nicht wirklich kommuniziert wird dadurch, dass ein unterbeleuchteter Widersacher des Rechts auf Zugang zu Wasser neben anderen strukturellen Problemen in der Versorgung auch in der Kommerzialisierung von Wasser als Ware, in der zunehmenden Privatisierung von Land und Wasserressourcen, in der Verschmutzung und Übernutzung natürlicher Ressourcen durch Industrien und in der Zementierung ihrer Zugangs- und Nutzungsrechte über Freihandelsabkommen liegt.

Kommerzialisierung

Bei schwacher Regierungsführung oder auch wirtschaftlichen Abhängigkeiten wird zu oft zu vorschnell die Wasserversorgung in private Hände gegeben. Aber damit regiert der Profitdurst. So wird, wie die Erfahrung in vielen Fällen gezeigt hat, vor allem dort versorgt, wo es sich lohnt und es eine bestehende Infrastruktur gibt. Das trifft meist nicht für ärmere, teils in Slums oder in ländlichen Gebieten lebende Bevölkerungsschichten zu.

Aber nicht nur die Versorgungslizenzen, auch das Wasser selbst wird als Ware gehandelt, sei es indirekt über den Export wasserintensiver Produkte oder direkt als überteuertes Flaschenwasser. Dabei gilt die Devise: Je knapper, desto mehr wert, desto teurer. Was das für diejenigen bedeutet, dir wir laut der Agenda 2030 der Vereinten Nationen "nicht zurücklassen" wollen, erklärt sich von selbst.

Privatisierung

Durch insbesondere seit den 1970er Jahren zunehmenden Landraub und damit auch Wasserraub ausländischer InvestorInnen, multinationaler Unternehmen oder auch Staaten, vor allem in Ländern des Globalen Südens, wird der Zugang zu Wasserquellen für die lokal ansässige Bevölkerung zunehmend eingeschränkt oder ihnen ganz verwehrt. Das trifft vor allem die ländliche Bevölkerung, Frauen und Kinder. In wasserarmen Regionen sind die Auswirkungen dementsprechend noch schwerwiegender. Wenn wir von Wasserknappheit sprechen, geht es, was Wasserressourcen betrifft, in Wahrheit immer wieder auch um Nutzungskonkurrenzen, die zu oft zugunsten der privaten Unternehmen entschieden werden.

Wasserintensive Industrien

Die Agrarindustrie verbraucht jährlich nicht nur rund 70 Prozent(2) unseres weltweit verfügbaren Wassers und greift Kleinbäuerinnen und -bauern das Wasser und damit ihre Existenz an. Auch das Recht auf Nahrung für die ländliche Bevölkerung, die weltweit nach wie vor in erster Linie von der Versorgung durch Kleinbäuerinnen und -bauern abhängig ist, wird auf diese Weise verwirkt.

Abgesehen davon zerstört die Agrarindustrie durch den Anbau von Monokulturen und den hohen Pestizideinsatz auch noch die Ökosysteme, deren Intaktsein unabdingbar für einen funktionierenden Wasserkreislauf und für den Schutz vor Wetterextremen ist.

Nicht weniger schädlich sind Industrien wie Bergbau, Erdölförderung, Textil oder der Bau und Betrieb riesiger Wasserkraftwerke, im Zuge dessen es regelmäßig zu Menschenrechtsverletzungen sowie Umweltverschmutzung und -zerstörung kommt.

Globalisierter Handel

Globalisierter Handel ist enorm wasserintensiv. In manchen Ländern, vor allem in sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern, geht ein großer Teil des verfügbaren Wassers in Produkte für den Export, sogenanntes 'virtuelles' Wasser. Auch der Transport von Gütern rund um die Welt und der Bau und Betrieb der dafür nötigen Infrastruktur sind enorme Wasserschlucker.

Hinzu kommen die Freihandelsabkommen, die die Zugriffsrechte ausländischer InvestorInnen zementieren und dazu auch noch einklagbar machen, und zwar auf (Steuer-)Kosten der Bevölkerung. Um ganz konkret zu werden: Momentan läuft eine Klage des US-Energieriesen 'Lone Pine Resources' gegen die kanadische Regierung auf der Basis des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA. Gefordert wird über 250.000 Dollar Schadensersatz, weil die Provinz Quebec aus Sorge um ihre Wasservorräte 2011 ein Moratorium auf Ölschiefer-Fracking erlassen hat.(3)

Lösungsansätze zum Schutz von Wasserressourcen

Um Wasserknappheit zu begegnen und die natürlichen Wasserressourcen zu erhalten, darf zuallererst Wasser nicht als Ware wie jede andere gehandelt werden. Daher muss sich eine Entwicklungspolitik auf die Stärkung öffentlicher Strukturen in der Verwaltung von natürlichen Wasserressourcen sowie der öffentlichen Wasserversorgung konzentrieren.

Zweitens muss die Politik der Privatisierung von Land und sich darauf befindenden Wasserressourcen einen Riegel vorschieben, die Nutzungsrechte der lokalen Bevölkerung sichern und für Verteilungsgerechtigkeit sorgen.

Drittens muss auch politisch, z. B. über die Gemeinsame Agrarpolitik der EU, aber auch in der Entwicklungspolitik weltweit eine nachhaltige, kleinbäuerliche Landwirtschaft nach dem Konzept der Agrarökologie(4) gefördert werden.

Viertens muss Globalisierter Handel nachhaltig und fair gestaltet werden. Wir dürfen Freihandelsabkommen unter den aktuellen Voraussetzungen nicht durchgehen lassen.

Zu guter Letzt brauchen wir klare, internationale Vorgaben für Unternehmen, Verantwortung für ihre Lieferketten zu übernehmen und Informationen über den Herstellungsprozess für die KonsumentInnen transparent zu machen.


Die Autorin ist politische Referentin und koordiniert die AG Wasser im Forum Umwelt und Entwicklung.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.


(1) "Tu-Du's" fordert die an das Entwicklungsministerium angegliederte Organisation 'Engagement Global'. https://17ziele.de/

(2) https://www.weltagrarbericht.de/fileadmin/files/weltagrarbericht/IAASTDBerichte/GlobalSDM.pdf, S.5.

(3) Maude Barlow (2014): Blaue Zukunft - Das Recht auf Wasser und wie wir es schützen können, S. 235.

(4) http://www.forumue.de/wp-content/uploads/2016/10/Agraroekologie_Broschuere_A4_web1.pdf.

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Quelle:
Rundbrief 1/2019, Seite 28 - 29
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 910
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Mai 2019

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