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MASSNAHMEN/060: Klimaschutz durch Aufforstungen? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2017

Klimaschutz durch Aufforstungen?
Die vertrackte Sache mit dem Kohlendioxid

von László Maráz


Aufforsten und Bäume pflanzen für den Klimaschutz. Das klingt gut. Dabei weiß kaum jemand, wie sich das Wachstum von Bäumen und Wäldern auf den Treibhauseffekt auswirkt. Klar, Wälder und Bäume speichern Kohlenstoff, darum ist das Pflanzen von Bäumen und das Vorhandensein von Wäldern eine gute Sache. Was aber bringt es, wenn dafür alte Wälder abgeholzt werden, oder wenn schnellwachsende Baumarten gepflanzt werden, die nach ein, zwei Jahrzehnten wieder geerntet werden? Ein Erklärungsversuch.


Es gibt in Uganda ein Projekt, das dem Klimaschutz dienen soll. Wie der SPIEGEL berichtete,(1) lässt das deutsche Unternehmen Global Woods dort 6 Millionen Karibische Kiefern pflanzen, die auf einer Fläche von 85 Quadratkilometern (etwa die Hälfte des Stadtgebietes von Karlsruhe) während ihres Wachstums in 60 Jahren rund 2 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre schlucken und speichern sollen. Das wäre etwa so viel CO2, wie die EinwohnerInnen von Karlsruhe in knapp 9 Monaten jährlich ausstoßen, oder so viel, wie der gesamte Verkehr in Deutschland in 4 Tagen verursacht. In 4 Tagen!

In der Savanne mit Resten des halbimmergrünen Tropenwaldes, einzelnen Bäumen, Büschen und Grasland ist durchaus Platz für neue Pflanzungen. Doch von dem Land leben Menschen, viele betreiben Viehzucht, sammeln Brennholz oder stellen Holzkohle her. Ihr Pech: Sie siedeln in einer "Forest Reserve", also einem Stück Land, das eigentlich Wald sein sollte. Diese Gegend in Uganda ist ziemlich entwaldet. Immer mehr Menschen suchen Arbeit und Einkommen. Sie sind froh, wenn sie ein Stück Land nutzen können, um sich und ihre Familien durchzubringen.

Landnutzungs-Konkurrenz

Es kommt also zur Konkurrenz um die Landnutzung. Im Konfliktfall verlieren oft die Schwächeren das Rennen, die Menschen vor Ort. Wenn Einheimische brandroden, mit Holz oder Holzkohle kochen, werden sie als Umwelt- und KlimazerstörerInnen bezeichnet. Nicht ganz zu Unrecht. Ihre Rinder beschädigen die Vegetation, ehemalige Waldgebiete degradieren. Was aber, wenn ein deutsches Klimaschutzprojekt die Vegetation abbrennt und exotische Bäume pflanzt, um sie später zu zersägen oder Holzkohle daraus herzustellen? Dann wird derselbe Vorgang plötzlich zu einer guten Tat für den Umwelt- und Klimaschutz. InvestorInnen, ExpertInnen, Beratungs- und Marketingfirmen kommen und gehen. Manchmal fließen sogar Klimaschutz- oder Entwicklungshilfegelder. Die GeberInnen freuen sich über die gute Tat. Die Einheimischen stören nur, sie müssen zusehen, wo sie bleiben. Hoffentlich landen sie nicht als Flüchtlinge bei uns.

Könnte ein Waldprojekt, das Arbeitsplätze schafft, nicht eine Lösung sein? Weltweit bewerben viele Initiativen das Pflanzen von Bäumen als Maßnahme gegen den Klimawandel. Das Konzept ist einfach. Bäume entnehmen der Luft während ihres Wachstums Kohlendioxid und verwenden den Kohlenstoff zur Bildung von Zellulose- und Lignin-Molekülen, den Bestandteilen von Holz. Sterben alte Bäume ab, wird die organische Substanz zersetzt. Das Holz verrottet, wenn Milliarden von Lebewesen ihrer Arbeit nachgehen. Pilze und Insekten verzehren die energiereiche Substanz, was Jahre bis Jahrzehnte dauern kann. Dabei wird auch viel Kohlendioxid gebildet und in die Atmosphäre abgegeben. Brennt der Wald oder verheizt man sein Holz, geht das schneller. Auch bei der Herstellung von Zellstoff aus den Zellulosefasern wird die andere Hälfte der Holzsubstanz, das Lignin, schon am selben Tag abgeschieden und verbrannt, als Energiequelle für die Fabrik. Selbst wenn man haltbarere Holzprodukte herstellt, wird dieser Vorgang lediglich verlangsamt. Ein Teil des Kohlenstoffs wird für einige Jahre gespeichert, bevor das Holz vermodert oder verbrannt und durch frisches Holz ersetzt wird. Da Paletten, Holzbauten oder Möbel fast immer alte Holzprodukte ersetzen, wächst dieser zusätzliche "Holzproduktspeicher" aber kaum, sodass die Klimaschutzwirkung recht gering ist.

Grünes Mäntelchen

Ärgerlich wird es bei solchen Projekten, wenn Dinge versprochen werden, die zwar gut klingen, aber größtenteils falsch sind. Schon in der Beschreibung des Kikonda-Projektes,(2) wie sie etwa von der Stadt Karlsruhe verbreitet wird, finden sich irreführende Angaben. Es ist nämlich gar kein Waldprojekt, sondern hier wird eine kommerzielle Holzplantage errichtet. Eine Monokultur aus Karibischen Kiefern, die alle 18 Jahre geerntet und zersägt werden sollen. Mit Wald hat das nicht viel mehr zu tun, als dass hier viele Bäume eng beieinander stehen und Schatten spenden.

Bei Global Woods heißt das in der Selbstdarstellung: "Wir [...] etablieren und bewirtschaften einen Wald" und in einem Zertifizierungsbericht des TÜV Süd(3) wird die Firma mit der Aussage zitiert, dass sich ein "hübscher gleichaltriger Wald" entwickeln würde. Viele Holzäcker verstecken sich hinter so einem grünen Mäntelchen. Auch das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) klärt bislang nicht über den Unterschied zwischen Wald und Holzplantage auf. Dabei ist der Unterschied wirklich groß. Denn für die biologische Vielfalt leisten solche Plantagen nichts. Im Gegenteil: Die vorhandene Vegetation wird vor der Pflanzung erst einmal entfernt. Das ursprüngliche Gras- und Buschland mit einzelnen Bäumen und Baumgruppen ist um ein Vielfaches artenreicher als die Holzplantage, die ja nur aus einer einzigen Baumart besteht. Selbst solche degradierten Waldökosysteme beherbergen noch eine erstaunliche Vielfalt an Arten und leisten einen Beitrag zur Vermeidung von Dürren und Überschwemmungen. Sie sind nicht das, was man gemeinhin unter "Ödland" versteht. Es wäre gut, solche Bestände wieder zu naturnahen Waldökosystemen zu restaurieren.

Hauptsache zertifiziert

Durchaus zulässig ist es aber auch, einige dieser Flächen für die Erzeugung von Holzprodukten zu nutzen, die ja auch gebraucht werden. Da solche Plantagen auch in Uganda als lukratives Investment empfohlen werden, ist eine Förderung mit öffentlichen Geldern gar nicht nötig. Die Plantagenwirtschaft von Global Woods in Kikonda ist sogar FSC-zertifiziert.(4) So erfährt man wenigstens Genaueres über die Art der Bewirtschaftung. Liest man sich den Bericht des Prüfers SGS durch, der für den FSC tätig ist, fallen pikante Details auf.(5) Beim Kriterium 5.5 Erhalt der Waldfunktionen und Ressourcen, wird dem Unternehmen bescheinigt, dass es viele Waldfunktionen erhält, wie zum Beispiel die "Senke" für Chemikalien, da der Baumbestand auch Chemikalien aufnimmt. Dabei stammen die meisten Chemikalien von der Firma selbst. 2015 wurden mehr als 82.000 Liter des Herbizids Roundup (Glyphosat) versprüht. Auch vom Insektengift Imidacloprid, einem Neonicotinoid, wurden über 270 Liter ausgebracht, um Termiten zu bekämpfen (Nichts davon ist in all den netten Broschüren zu lesen, mit denen versucht wird, die Holzplantage als Klimaschutzprojekt zu bewerben.

Klimaschutzbeitrag fragwürdig

Da kommt also jemand aus einem reichen Industrieland und verwendet Land in Uganda zu dem Zweck, ein wenig von unserem Klimaschaden wieder wettzumachen. Das muss nicht schlecht sein. Es gibt schließlich weltweit viel Land, das wiederbewaldet werden sollte. Dass die Bäume wirklich 2 Millionen Tonnen Kohlendioxid aufnehmen, ist so wie das Projekt konstruiert ist, schlicht unmöglich. Auch der TÜV SÜD rechnet mit deutlich weniger als einer Million Tonnen. Ob selbst diese Zahl stimmt, ist zu bezweifeln. Häufigster Fehler: Der Betreiber addiert einfach die gesamte Wuchsleistung zusammen. Doch die Bäume wachsen zwar schnell, sie sollen aber alle 18 Jahre geerntet werden. Damit sinkt der Kohlenstoffvorrat auf den Kahlflächen auf null. Wenn junge Bäumchen gepflanzt werden, dauert es etliche Jahre, bis sie wieder nennenswerte Kohlenstoffmengen aufbauen. Im Durchschnitt ist deswegen deutlich weniger als die Hälfte des maximalen Holzvorrates auf der Gesamtfläche gebunden! Der größte Teil des Kohlendioxids befindet sich dauernd in der Erdatmosphäre. Nur ein Bruchteil wird über die Projektlaufzeit hinweg gespeichert, zumal vorher die Vegetation mitsamt ihrem Kohlenstoffvorrat entfernt wurde. Wenn am Ende des Vertrags alle Bäume geerntet werden, landet der Kohlenstoffvorrat der Fläche wieder in der Atmosphäre. Und dann würden es Jahrzehnte dauern, bis sich die ursprüngliche, wenn auch lückenhafte Vegetation wieder entwickelt hat.

Fazit: Man sollte endlich damit aufhören, Wälder als Reparaturbetrieb einer verfehlten Energie- und Klimapolitik zu missbrauchen. Wenn wir Wälder restaurieren und aufforsten, dann können wir im allerbesten Falle so viel Kohlenstoff auf diesen Flächen speichern, wie früher dort vorhanden war. Das ist allemal eine wichtige Aufgabe. Weder Wälder, noch Holzprodukte können die gigantischen Mengen an zusätzlichen fossilen Treibhausgas-Emissionen schlucken.


Autor László Maráz ist Koordinator der Dialogplattform Wald und der AG Wälder, und Mitarbeiter im Forum Umwelt und Entwicklung


Literatur:

(1) http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/uganda-waldprojekt-raubt-bauern-lebensraum-a-1065963.html.

(2) http://klimafair-karlsruhe.org/de/inhalte/service/projektdokumente.php.

(3) https://www.klimafair-karlsruhe.org/de/pdf/klimaprojekte/kikonda/Certification_Report_KFR_CFS-2013.pdf S. 13.

(4) Der FSC (Forest Stewardship Council) ist ein Zertifizierungssystem für Waldnutzung.

(5) http://fsc.force.com/servlet/servlet.FileDownload?file=00P3300000iUEutEAG S. 8.

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Quelle:
Rundbrief 1/2017, Seite 37 - 38
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2017

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